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Von der Industrialisierung bis heute: Zweihundert Jahre deutscher Wirtschaftsgeschichte - knapp, verständlich, kompetent.

Produktbeschreibung
Von der Industrialisierung bis heute: Zweihundert Jahre deutscher Wirtschaftsgeschichte - knapp, verständlich, kompetent.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2001

Wider die Mythen
Zweihundert Jahre deutsche Wirtschaftsgeschichte im Überblick

Paul Erker: Dampflok, Daimler, Dax. Die deutsche Wirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Deutsche Verlagsanstalt, München 2001, 336 Seiten, 36 DM.

Deutschland ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und behauptet sich trotz unübersehbarer Strukturprobleme bislang erfolgreich im globalen Wettbewerb. Woher diese Stärke kommt, ergründet Paul Erker in seinem gerafften Gang durch die Wirtschaftsgeschichte der vergangenen zweihundert Jahre. Die Darstellung setzt mit der Industrialisierung ein, als Deutschland noch eine "emerging economy" war, und endet mit den Folgen der deutschen Einheit und dem Crash am Neuen Markt. Unter Verzicht auf Fachjargon beschreibt Erker den Weg vom Agrar- zum Industrieland, die "kranke" Weimarer Wirtschaft, die Deformation der Volkswirtschaft im Rüstungswahn des NS-Regimes, das ruinöse Experiment des DDR-Sozialismus und das bis heute andauernde bundesdeutsche Wirtschaftswunder.

Die Stärken des Buches liegen in der konsequenten Widerlegung populärer Irrtümer. So zeigt Erker, daß es auch ohne das britische Vorbild und ohne die Förderung durch den Staat zu einer Industrialisierung im gewerbereichen Deutschland gekommen wäre. Der Zollverein entstand vor allem als fiskalisches Instrument, nicht aber als Motor der Industrialisierung oder der Reichseinigung. Die in der Wachstumstheorie vieldiskutierten "langen Wellen" (Kondratieff), die angeblich von Basisinnovationen im Abstand von fünfzig bis sechzig Jahren angetrieben werden und die Bewegungsrhythmen der modernen Wirtschaft darstellen, lassen sich empirisch nicht nachweisen. Die zwanziger Jahre waren zu keiner Zeit golden, sondern auch nach dem Ende der apokalyptischen Hyperinflation (1922/23) und der bemerkenswerten Sanierung der Währung (1923/24) weiterhin erschreckend instabil. Die Krisen Weimars lassen sich indes nicht hinreichend mit dem überhöhten Lohnniveau erklären; statt dessen müssen das permanent einsturzbedrohte Welthandels- und Weltfinanzsystem sowie die vertrackte Reparations- und Transferproblematik einbezogen werden.

Das NS-Regime wurde weder von der Wirtschaft installiert, noch betrieb es eine neuartige oder gar ökonomisch sinnvolle Arbeitsmarktpolitik. Vielmehr imitierte es Ideen der verhaßten Republik und betrieb eine maßlose Aufrüstung. Neu war vor allem die hemmungslose Manipulation der Statistiken und der Volksstimmung. Die zuweilen als "Speersches Rüstungswunder" mißverstandene spektakuläre Erhöhung der Rüstungsproduktion von 1941/42 ging auf recht simple Ursachen zurück - wie die Verlängerung der Arbeitszeiten, die Einbeziehung von Industriemanagern und den brutalen Verschleiß vor allem von Fremdarbeitern. Der Mythos Speer steht auf wackeligen Füßen. Zur aktuellen Zwangsarbeiter-Diskussion führt Erker an, daß sich nicht alle Unternehmen um KZ-Häftlinge gerissen haben und auch von generellen Extra-Gewinnen infolge des Zwangsarbeitereinsatzes keine Rede sein kann.

Das Kapitel über das Dritte Reich zählt zu den Höhepunkten des Buches; die unzureichend erforschte Nachkriegszeit bleibt dagegen etwas blaß. Dennoch widerlegt Erker auch hier manche hartnäckige Legende. Die Währungsreform von 1948 war alles andere als ein glatter Erfolg, sondern ein riskantes, zunächst beinahe gescheitertes Unterfangen. Die Bedeutung des Marshall-Planes für den raschen Aufstieg Westdeutschlands aus den Ruinen ist zu relativieren. Ohne die überraschend günstige Sach- und Humankapitalausstattung am Ende des Krieges hätten die amerikanischen Hilfen keinen so großen Effekt gehabt.

Bei aller kondensierten Darstellung und gelungenen Entmythologisierung rächt sich aber doch der Verzicht auf systematische Bezüge zur ökonomischen Theorie. Ärgerlich ist der Verzicht auf Grafiken, Tabellen und Register. Das schmälert aber keineswegs Erkers große Syntheseleistung. Sein ausgewogenes, nüchternes Buch befindet sich durchgängig auf dem jüngsten Stand der Forschung. Es eignet sich gut als kompaktes Nachschlagewerk und allgemeinverständliche Einführung in die neuere Wirtschaftsgeschichte.

HARTMUT BERGHOFF

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Licht und Schatten hat Hartmut Berghoff in dieser "Einführung in die neuere Wirtschaftsgeschichte" gefunden. Der Autor decke zwar "unter Verzicht auf Fachjargon" eine Reihe von "populären Irrtümern" auf: So sei das NS-Regime nicht von der Wirtschaft installiert worden; die Krise der Weimarer Republik sei nicht nur mit dem "überhöhten Lohnniveau" begründbar; auch ohne britisches Beispiel wäre es in Deutschland zur Industrialisierung gekommen. Der Abschnitt über die Nachkriegszeit ist Berghoff allerdings zu dünn. Auch Grafiken, Tabellen und Register fehlen dem Rezensenten. Trotzdem bezeichnet er es als ein "komplexes Nachschlagewerk".

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"Die Stärken des Buches liegen in der konsequenten Widerlegung populärer Irrtümer. So zeigt Erker, daß es auch ohne das britische Vorbild und ohne die Förderung durch den Staat zu einer Industrialisierung im gewerbereichen Deutschland gekommen wäre. Sein ausgewogenes, nüchternes Buch befindet sich durchgängig auf dem jüngsten Stand der Forschung. Es eignet sich gut als kompaktes Nachschlagewerk und allgemeinverständliche Einführung in die neuere Wirtschaftsgeschichte." (Hartmut Berghoff, Frankfurter Allgemeine Zeitung)