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Äußerst kunstvoll zugerichtet sind die Toten, die wieder und wieder im Großraum Tokio aufgefunden werden. Die Polizei tappt im Dunkel, bis sich ein internationales Expertenteam der Fälle annimmt: Die Ermordeten sind sämtlich Ausländer - Europäer, Amerikaner, Australier. Bald schon finden sich neue Spuren, obwohl das Team mit heftigen Verständigungsschwierigkeiten zu kämpfen hat, zu groß sind die kulturellen Unterschiede in Denken und Handeln. Aber gerade hier liegt der Schlüssel zur Aufklärung der Verbrechen. Äußerst intelligent kleidet Suzanne Visser, die selbst lange in Japan gelebt hat, ihr…mehr

Produktbeschreibung
Äußerst kunstvoll zugerichtet sind die Toten, die wieder und wieder im Großraum Tokio aufgefunden werden. Die Polizei tappt im Dunkel, bis sich ein internationales Expertenteam der Fälle annimmt: Die Ermordeten sind sämtlich Ausländer - Europäer, Amerikaner, Australier. Bald schon finden sich neue Spuren, obwohl das Team mit heftigen Verständigungsschwierigkeiten zu kämpfen hat, zu groß sind die kulturellen Unterschiede in Denken und Handeln. Aber gerade hier liegt der Schlüssel zur Aufklärung der Verbrechen. Äußerst intelligent kleidet Suzanne Visser, die selbst lange in Japan gelebt hat, ihr Buch in eine fesselnde Kriminalhandlung - und aus der direkten Auseinandersetzung der westlichen "Detektive" mit der japanischen Wirklichkeit erwächst ein so spannendes wie erhellendes Bild einer uns nach wie vor fremden Gesellschaft.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.06.2001

Höllenlärm der Automaten
Rätselhaft: Suzanne Visser klärt japanische Morde auf

In Tokio und Umgebung werden im Frühjahr 1997 im Abstand von wenigen Wochen acht makaber zugerichtete Leichen entdeckt. Das Pikante dabei: Die sieben Männer und eine Frau im Alter zwischen 32 und 42 Jahren, die da auf kunstvolle Weise nach Art von Fischfilets zerlegt wurden, sind allesamt keine Japaner. Sie stammen aus Italien, Belgien, Polen, den Niederlanden, der Schweiz, den Vereinigten Staaten und Australien. Und da die japanische Polizei bei der Aufklärung der Verbrechen im dunkeln tappt, wird eine internationale Kommission zusammengestellt, die im Verein mit japanischen Fachleuten den Dingen vor Ort nachgehen soll.

Die ausländischen Kriminalisten werden in einem Tokioter Hotel einquartiert und lernen sich zunächst einmal mit Hilfe einer chinesischen Psychologin kennen. Ihnen soll gelingen, was einheimischem Sachverstand bisher versagt geblieben ist - das Rätsel der Mordserie zu lüften.

Der deutsche Titel "Das japanische Rätsel" dieses ursprünglich niederländischen Romans klingt durchaus mehrdeutig. Denkt man an einen Kriminalroman, wie man ihn zweifellos vor sich hat, so assoziiert man mit dem Rätsel die Neugier auf den Täter und sein Motiv. Doch die suggerierte Spannung ist eine doppelte, denn stets geht es auch um die Reibungen zwischen Einheimischen und Fremden, den ausländischen Opfern und ihrer Umwelt ebenso wie den internationalen Experten und der japanischen Polizei. Und schnell wird einem klar, daß dieser Konflikt das eigentliche Thema des Buches ist.

Die Toten waren schließlich allesamt Ausländer, die schon längere Zeit in Japan lebten, und fast alle von ihnen sprachen mehr oder weniger gut Japanisch. Irina Skoynich etwa, die Polin, war mit einem Japaner liiert und litt unter starkem Heimweh. "Sie hatte zu wenige Freunde hier. Ein paar Polen, ein paar Amerikaner", erklärt ihr japanischer Lebensgefährte, der dem mexikanischen Kriminalexperten gegenüber zugibt, auf die japanischen Ermittlungen ganz anders reagiert zu haben. "Wie kommt das? Können Sie mir das erklären?" fragt der Mexikaner, worauf ihm der Japaner entgegnet: "Ich habe ein dünnes Vlies in meinem Kopf. Das teilt mein Gehirn, mein Herz, mein Wesen in zwei Teile. Sobald ich mit einem Menschen aus dem Westen spreche, steige ich über das Vlies hinweg in meine andere Persönlichkeit. Westlich denken, westlich fühlen, westlich sein ist völlig anders als japanisch denken, fühlen und sein. Es gibt Menschen, die behaupten, Japaner und Nichtjapaner würden nach demselben Prinzip funktionieren, aber ich bin kein Vertreter dieser Ansicht. Es verwischt die Wirklichkeit. Wenn ich nachher mit einem Japaner spreche, werde ich erst wieder über das Vlies hinwegsteigen, um mit ihm auf japanische Weise zu kommunizieren."

Interessanterweise sind es eher die Japaner, denen in dem Buch solche Theorien zur Unvereinbarkeit der Kommunikations- und Denkstile in den Mund gelegt werden. Die "Westler" halten sich dagegen zurück, auch wenn sie des öfteren Beobachtungen anstellen wie jene, daß ein bestimmtes Foto nur von einem Japaner aufgenommen worden sein kann - "die Asiaten sind berüchtigt für ihre steifen Fotos". Alles in allem sind die Ermittler mit Urteilen jedoch zurückhaltend und versuchen sich bei ihren Streifzügen durch die Stadt und den Interviews mit Kontaktpersonen auf ihr Ziel, die Aufdeckung der Morde, zu konzentrieren. Dabei sehen wir die Umwelt mit ihren Augen, und so gerät unweigerlich das Fremdartige in den Blick.

Die Autorin Suzanne Visser, geboren 1957, ging als Tänzerin nach Japan und lebte dort zehn Jahre. Sie ist vertraut mit der Welt, die sie beschreibt, und es gelingen ihr markante Szenen, etwa wenn sie ihre ausländischen Kriminologen in überfüllte Züge und modische Viertel, in Randbezirke, Riesenbahnhöfe, Supermärkte, Kaufhäuser und idyllisch-dörflich anmutende Wohnstraßen schickt. Man kann sich diese Szenen sehr wohl verfilmt vorstellen, zumal sie durch allerlei aktuelle Bezüge gewürzt und dekoriert werden.

Da sind etwa die so beliebten Sprüche in verballhorntem Englisch - "Have a nice time catching kill. Take care not get kill" -, die grellen Fernsehbilder, der Höllenlärm der Pachinko-Automatenpaläste, die allgegenwärtigen Tamagotchi-Spiele, die in den späten neunziger Jahren schlagartig um die Welt gingen, um dann fast ebenso plötzlich wieder in der Versenkung zu verschwinden, die Manga-Comics und die Pornofilm-Produktion, in die sich einer der Ermittler bei seinen Recherchen verwickeln läßt. Natürlich dürfen auch die für Japan-Bücher so typischen eingestreuten Wörter und Phrasen nicht fehlen, die in einem Glossar am Ende des Buches aufgeschlüsselt werden. Wer jedenfalls Lust hat auf einen Krimi in "exotischem" Ambiente mit atmosphärisch überzeugenden Großstadtszenen und eingestreuten Informationen über das japanische Justizsystem und die kleinen Fallstricke im unvertrauten Alltag, der wird auf seine Kosten kommen.

Und doch bleibt ein Unbehagen. Sollte es denn weniger um einen Krimi als um eine unterhaltsam verpackte Story über Kommunikationsprobleme zwischen Japanern und Nichtjapanern gehen, so stimmt das Fazit skeptisch bis abgrundtief pessimistisch. Von Interaktion zwischen den immer wieder als Gruppen wahrgenommenen Einheimischen und den Fremden ist kaum die Rede, obgleich der Ermittlungserfolg ohne effektive Zusammenarbeit nie zustande gekommen wäre. Die Opfer hingegen lernen wir nur als mehr oder weniger traumatisierte Außenseiter kennen. Sie analysieren in ihren Briefen nach Hause ihren Kulturschock und bestätigen nur mehr den schillernden Titel. Das japanische Rätsel handelt vom letztlich nicht zugänglichen Fremden, und wir vernehmen ein fernes Echo von Rudyard Kiplings vielzitiertem "For East is East and West is West, and ne'er the twain shall meet". Ist aber damit das letzte Wort gesprochen?

IRMELA HIJIYA-KIRSCHNEREIT.

Suzanne Visser: "Das japanische Rätsel". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Marianne Holberg. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart München 2001. 356 S., geb., 39,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

All jenen, die Lust auf einen Krimi "in exotischem Ambiente" mit "atmosphärisch überzeugenden Großstadtszenen" haben, kann Rezensentin Irmela Hijiya-Kirschnereit diesen Roman mit gutem Gewissen empfehlen. Die Autorin habe zehn Jahre in Japan gelebt, und sei vertraut mit der Welt, die sie beschreibe. Eine Welt, von der sie Bilder produziere, die sich die Rezensentin durchaus auch verfilmt vorstellen kann. Die Spannung des Buches beschreibt sie als eine doppelte. Da sei einerseits das zu lüftende Rätsel um sieben Morde. Doch da es sich bei den Mordopfern ausnahmslos um Nichtjapaner handele, gehe es auch um die "Reibungen zwischen Einheimischen und Fremden". Dabei scheint im Blick der Europäerin Visser manchmal das Klischee eher auf die Japaner durchzuschlagen, wohingegen, wenn man das zwischen den Zeilen richtig liest, die europäischen Eigenheiten deutlich toleranter beschrieben sind. Deshalb bereitet diese "unterhaltsam verpackte Story über Kommunikationsprobleme zwischen Japanern und Nichtjapanern" der Rezensentin nicht allein wegen der pessimistischen Einschätzung ihrer Entwicklungsmöglichkeiten ein gewisses Unbehagen.

© Perlentaucher Medien GmbH