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Ein Leben ohne Geschichte, ohne Gedanken an gestern oder gar die Zukunft. Als die junge Stella auf eine Kleinanzeige antwortet, in der jemand gesucht wird, der ein Archiv in Ordnung bringt, ahnt sie nicht, was ihr bevorsteht. Das Archiv gehört der wegen ihrer Vergangenheit unter deutscher Besetzung berüchtigten "Schwarzen Witwe", von der sie zwar während ihrer Schulzeit schon gehört, für die sie sich jedoch weiter nicht interessiert hat. Langsam erst formt sich für die junge Frau ein Bild ihrer älteren Auftraggeberin, persönlich wie über die Unterlagen, durch die sie sich arbeitet. Zunehmende…mehr

Produktbeschreibung
Ein Leben ohne Geschichte, ohne Gedanken an gestern oder gar die Zukunft. Als die junge Stella auf eine Kleinanzeige antwortet, in der jemand gesucht wird, der ein Archiv in Ordnung bringt, ahnt sie nicht, was ihr bevorsteht. Das Archiv gehört der wegen ihrer Vergangenheit unter deutscher Besetzung berüchtigten "Schwarzen Witwe", von der sie zwar während ihrer Schulzeit schon gehört, für die sie sich jedoch weiter nicht interessiert hat. Langsam erst formt sich für die junge Frau ein Bild ihrer älteren Auftraggeberin, persönlich wie über die Unterlagen, durch die sie sich arbeitet. Zunehmende Klarheit über die tatsächliche Verwickeltheit, die sich aus den Dokumenten ergibt, vermischt sich mit wachsender Nähe durch den täglichen Umgang. Und dann ist da noch Alexander, dessen Leben auf geradezu mysteriöse Weise mit dem der Schwarzen Witwe verstrickt scheint und der Stella tief in eine unerwartete Wirklichkeit zieht. Das Heute mit dem Gestern zu verbinden, die moderne Zeitlosigk eit in Geschichtlichkeit zu setzen, das gelingt Kees van Beijnum mit seiner "Archivarin" auf beispielhafte Weise.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.2000

Blick in trübe Zerrspiegel
Eine Karteikastenleiche: Kees van Beijnums Archivalienroman

Andreas gibt eine Kleinanzeige auf: Er suche einen gewissen Andreas, "siebenundzwanzig Jahre alt, früherer Student der Architektur, Kennzeichen: braunes Haar, grüne Augen, 1,86 groß, 78 Kilo schwer" - eine genaue Selbstbeschreibung. Die neun Antwortbriefe verweisen auf ganz unterschiedliche Männer. Nur einer von ihnen scheint dem tatsächlichen Andreas zu entsprechen. Doch der Briefschreiber ist sich sicher, daß sein Freund Andreas schon vor einiger Zeit bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Vielleicht war alles aber auch ganz anders. Denn Andreas, der diese Geschichte an einem schwülen Abend in der holländischen Provinz erzählt, liebt das Verwirrspiel um die eigene Existenz. Am Ende wird Stella, die ihm einen Sommer lang zugehört hat, nicht einmal mehr sicher sein, ob der junge Mann wirklich Andreas heißt.

Stella trifft auf Andreas, als auch sie auf eine Kleinanzeige antwortet: Eine in der holländischen Öffentlichkeit als "Schwarze Witwe" verrufene ältere Dame, deren Mann, ein hoher Nazifunktionär, kurz nach dem Krieg in der Haft umgekommen war, sucht am Ende ihres Lebens Hilfe beim Ordnen ihres persönlichen Archivs. Stella besucht die Witwe in ihrem idyllischen, leicht heruntergekommenen Landhaus und stürzt sich nach anfänglichem Zögern in die Arbeit: "Ich versah alle Fotos und Dokumente mit Nummern und notierte die Nummern wiederum auf Karteikarten, dahinter eine kurze Beschreibung. Alles, ihr ganzes Leben, sollte in den Kartons enden, verstummen. Ich wollte meine Aufgabe ausführen wie eine Kassiererin, die die Streifencodes der ausgesuchten Waren in einer sich endlos wiederholenden Bewegung über das Ablesefenster schob, ohne irgendein Interesse dafür, wer die Kunden waren oder was sie kauften." Daß diese zwanghaft unbeteiligte Haltung scheitern muß, daß die Vergangenheit nicht so einfach verstummen will, erkennt Stella spätestens, als sie die Witwe zum Grab ihres Mannes begleitet und sich auf einmal mit einer Gruppe bizarrer Altnazis vereint findet.

Irgendwann trifft auch Andreas in dem Landhaus ein: Er sei der Enkel eines lieben Freundes, so stellt ihn die Witwe vor. Schon bald sucht er Stellas Nähe und sorgt schließlich dafür, daß sie ihn, zunächst unwissentlich, bei einem Kunstdiebstahl unterstützt. Schließlich verschwindet Andreas spurlos, die Witwe dämmert sanft dahin und Stellas Leben ist gründlich aus den Fugen geraten.

Der Roman "Die Archivarin" handelt von der Suche nach Orientierung, gleichzeitig vom gegenläufigen Prinzip der Metamorphose. Dieser Gegensatz zeigt sich vor allem im Verhältnis der drei Figuren zueinander: Während Stella sich an die Archivalien der Witwe klammert und an eine Folgerichtigkeit dieser Biographie glaubt, kommt ihre Auftraggeberin zu dem Schluß, daß die Relikte ein unvollkommenes, ihrer Erinnerung widersprechendes Bild erzeugen. So muß Stella erleben, wie ihre mühsame Arbeit buchstäblich auf einem großen Scheiterhaufen endet, zu dem Andreas genüßlich das Benzin reicht.

Kees van Beijnums Roman enthält schöne Milieuschilderungen aus dem gegenwärtigen Holland, ist gekonnt erzählt und in der Anlage interessant entworfen. Daß man das Buch dennoch etwas unwillig aus der Hand legt, liegt an dem augenfälligen Bestreben des Autors, alles mit allem zu verbinden und auf diese Verbindungen gelegentlich auch überdeutlich hinzuweisen. Da werden chronologische Unstimmigkeiten in der Biographie der Witwe derart auffällig ausgebreitet, daß man sich nur fragt, wie Stella sie übersehen konnte. Oder der Autor legt der Witwe angestrengt doppeldeutige Äußerungen in den Mund, wenn sie etwa von einer Bergtour mit ihrem späteren Ehemann berichtet - und gleichzeitig von seinen politischen Überzeugungen, die sie teilt: "Er war mein Mann. Ich stand hinter ihm . . . Es ist weit bis nach oben gewesen. Weit! Und es hat schrecklich nach Schwefel gerochen."

Natürlich sehen sich Stella und Andreas nach der ersten (und einzigen) Liebesnacht "gegenseitig im Spiegel an", auch Hitchcocks Film "Vertigo" muß herhalten. Diese dick aufgetragenen Verweise stören das Gefüge des Buches empfindlich. Und es ist schade um einen Roman, dessen Autor offenbar weder den Lesern noch dem Sog seiner Geschichte vertraut.

TILMAN SPRECKELSEN

Kees van Beijnum: "Die Archivarin". Aus dem Niederländischen übersetzt von Marianne Holberg. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2000. 381 S., geb., 44,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Tilman Spreckelsen ist enttäuscht von diesem Buch, obwohl er durchaus viel Gutes entdeckt hat. Denn die Geschichte, die die Verwicklungen des geheimnisvollen Andreas, der Naziwitwe und deren Archivarin Stella im gegenwärtigen Holland erzähle, sei in der "Anlage" vielversprechend, so der Rezensent anerkennend. Das Buch biete "schöne Milieuschilderungen" und sei in Struktur und Erzählstil durchaus interessant und gekonnt gemacht, lobt er ausdrücklich. Was er jedoch bedauert ist seiner Ansicht nach allzu aufdringliche Geheimnistuerei, die alles mit allem in Beziehung setzt. Er findet, dass die "dick aufgetragenen" Fingerzeige des Autors sowohl den Leser unterschätzen, als auch den Fluss der Geschichte erheblich stören.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Eine reichhaltige Geschichte... vielschichtig... ein faszinierender Roman." (NRC Handelsblad)