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Über die schmerzhafte Sehnsucht eines Kindes nach Liebe
Elf Jahre war er alt, als auf seine Eltern geschossen wurde. Sein Vater kam um, seine Mutter fiel ins Koma. Vage sind die Erinnerungen an jenen Tag und auch an die Jahre davor. Mit der Mutter, einer berühmten Sängerin, tourte er als Kind durch die USA. Der Vater lebte unerreichbar entrückt in der Welt seiner Bücher. Sein einziges Geschenk an den Sohn war eine leinengebundene Ausgabe der Göttlichen Komödie - der Junge gab sie ihm zurück. Nun, Jahrzehnte später, nähert sich der Ich-Erzähler mutig seiner Kindheit und die Erinnerungen…mehr

Produktbeschreibung
Über die schmerzhafte Sehnsucht eines Kindes nach Liebe

Elf Jahre war er alt, als auf seine Eltern geschossen wurde. Sein Vater kam um, seine Mutter fiel ins Koma. Vage sind die Erinnerungen an jenen Tag und auch an die Jahre davor. Mit der Mutter, einer berühmten Sängerin, tourte er als Kind durch die USA. Der Vater lebte unerreichbar entrückt in der Welt seiner Bücher. Sein einziges Geschenk an den Sohn war eine leinengebundene Ausgabe der Göttlichen Komödie - der Junge gab sie ihm zurück. Nun, Jahrzehnte später, nähert sich der Ich-Erzähler mutig seiner Kindheit und die Erinnerungen werden zur Gegenwart.

Andreas von Flotow erzählt von der gewaltsamen Auflösung einer Familie und von der unendlichen Einsamkeit eines Jungen, der nur langsam seinen Weg aus dem Dunkel heraus findet. Ein Roman von radikaler Subjektivität, aufwühlend, filigran und klug, ein Roman, der dem Leben abgelauscht ist, über die Sehnsucht nach Liebe, das Ringen um Selbstfindung, den Umgang mit Verlust - und die Kraft des Erinnerns.

Autorenporträt
Andreas von Flotow, 1981 in Dannenberg (Elbe) geboren, studierte Landwirtschaft, VWL und Geschichte und lebt in Berlin. Er arbeitete zuerst als Dramaturgieassistent, u. a. am Maxim Gorki Theater Berlin und am Schauspielhaus Hamburg. Dazu kamen inoffizielle Lehrjahre in der Kunstbuchhandlung Walther König Berlin sowie im Lektorat des Schirmer/Mosel Verlags in München. Derzeit ist er als freier Dramaturg in Berlin, Basel und Wien tätig. "Tage zwischen gestern und heute" ist sein Debütroman.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.03.2014

Das Vatersöhnchen
Andreas von Flotow schildert einen Befreiungsprozess

Es herrscht ein Ungleichgewicht zwischen Literatur und Theater. Deutschsprachige Bühnen adaptieren immer mehr Romane, aber die Verlage finden weder Stoffe noch Autoren im Theater. Ausnahmen sind rar: Der Schauspieler Joachim Meyerhoff immerhin hat zwei erfolgreiche Romane publiziert, und der Dramaturg Andreas von Flotow veröffentlicht nun seinen Erstling "Tage zwischen gestern und heute".

Das ist ein bemerkenswertes Debüt, eines, das sich nicht - wie bei Meyerhoff - aus Bühnendarbietungen speist. Es ist ein ganz und gar literarisches Stück, der innere Monolog eines Sechsunddreißigjährigen, der sich 2031 an den mehr als zwanzig Jahre zurückliegenden Todestag seiner Mutter erinnert. Wobei der in die Zukunft verlegte Erzählzeitpunkt keine inhaltlichen, sondern nur formale Folgen hat: Es erklingt die abgeklärte Stimme eines Erwachsenen, der sich, von der persönlichen Verlusterfahrung ausgehend, an seine Kindheit erinnert. An die einer abgeschotteten Persönlichkeit, eines Kindes, das ständig Ohropax im Ohr hatte, "wahrscheinlich bin ich mit Ohropax auf die Welt gekommen".

Das ist pikant, weil die Mutter eine weltberühmte Popsängerin war, während die Leidenschaft des bereits früher ermordeten Vaters dem Lesen galt. Die fünf Jahre, die zwischen den Toden der Eltern liegen, sind der eigentliche Handlungszeitpunkt, wobei die Schilderung immer dadurch gebrochen ist, dass sie aus dem Abstand von zwei Jahrzehnten erfolgt. Der Ich-Erzähler schildert sein Heranwachsen als eine Zeit des Erwachens, die ihn aus der ehedem behüteten Kindheit in ganz neue Konstellationen führte, weil die Mutter lange vor ihrem Tod schon im Krankenhaus lag, als Stuporpatientin - in Erstarrung bei vollem Bewusstsein. Mutter und Sohn wurden sich dadurch einmal ähnlich, aber nur kurz. Als die Mutter der Welt abhandenkam, wandte sich der Sohn ihr zu.

Es ist eine Krisenzeit, an die sich der Erzähler erinnert, der als Mittdreißiger nun endlich zur Sprache finden will: "Je näher ich ihrem Tod komme, desto intensiver ist mein Bedürfnis danach, Gefühle in eine direkte Sprache zu übertragen. Ich weiß, dass ich damit nur scheitern kann, denn keine noch so gelungene Übertragung wird der Komplexität dessen, was wir Gefühl nennen, je gerecht werden können. Alles, was ich sage, wird letztendlich Versuch bleiben." Dieses essayistische Bemühen prägt denn auch von Flotows Buch selbst. Dessen Metier sind, wie es auch sein Erzähler von sich sagt, "Gefühle und Ahnungen".

Deren Veranschaulichung in Worten gelingt dem zweiunddreißigjährigen Romandebütanten. Gelegentliche semantische Ausrutscher wie das eben zitierte "letztendlich" fallen angesichts seiner ansonsten schlackenlosen Sprache besonders auf, denn von Flotow legt Wert auf Präzision und Effizienz. Der Befreiungsprozess in "Tage zwischen gestern und heute" ist mehr als nur ein persönlicher des Ich-Erzählers; er betrifft auch dessen frühere Kinderfrau Helen, die ihren Schützling in die Hände seiner Großmutter übergehen sehen musste. Zwischen dieser Großmutter und ihrer Tochter, der Mutter des Erzählers, war das Tischtuch zerschnitten, als die alte Dame einen unehelichen Sohn präsentierte. Dieser Halbbruder der Mutter sollte eine schreckliche Rolle im familiären Zwist spielen.

Im 1931 erschienenen Proust-Essay von Samuel Beckett, einer frühen Veröffentlichung des in Paris lebenden irischen Schriftstellers und eine der letzten Lektüren des ermordeten Vaters, fand der Ich-Erzähler ein Jahr nach dem Tod der Mutter die Inspiration zum eigenen Schreiben: über die Verstorbene. Doch das selbstbewusste Vorhaben scheiterte. Der zweite, unerwähnte literarische Ahnherr des Erzählers ist Roberto Bolaño, und der letzte Kunstgriff in von Flotows Buch ist ein dem chilenischen Autor würdiger: Zwanzig Seiten lang listet der Erzähler die vom Vater geerbten Bücher auf (mit der Seltsamkeit einer Publikation von 2012, als der Vater schon sieben Jahre tot war). Aus dieser Leseliste ergibt sich das Psychogramm eines Vatersöhnchens, das sich dadurch emanzipierte, dass es sein Erbe angetreten hat: das der Bücher, aber mehr noch das der Erinnerungen. Emanzipiert aber zeigt sich auch bereits mit diesem ersten Roman der Schriftsteller Andreas von Flotow.

ANDREAS PLATTHAUS

Andreas von Flotow: "Tage zwischen gestern und heute". Roman.

Deutsche Verlags-Anstalt, München 2014. 170 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Von Flotows Roman über den Versuch eines wegen Schwerhörigkeit ohnehin schon von der Außenwelt abgeschirmten Mannes, sich in die Erinnerungen an ein traumatisierendes Erlebnis zu vertiefen, ist von hoher stilistischer Strenge, schreibt Christoph Schröder. Dafür arrangiert der Autor anspielungsreiche "Fragmente, Fetzen, Szenen", die zwar auf emotionale Zustände verweisen, aber sprachlich beherrscht vermittelt werden. Am interessantesten ist an dem Roman denn auch, wie Stil und Erzählgegenstand darin auseinander gehen, meint der Kritiker, der sich allerdings verwundert am Kopf kratzt, da der literarische Text mit einer 20 Seiten füllenden Bibliografie all jener Werke der Weltliteratur schließt, die der Protagonist dieses Romans seiner im Sterben liegenden Mutter vorliest. Dies hält der Rezensent für "eine allzu kokette Aufforderung", in dieser Liste nach dem Schlüssel für den wenig zugänglichen Roman zu suchen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.07.2014

Ohrstöpsel sammeln
Kunst der Selbstbeherrschung: Andreas von Flotows Debüt
Sätze wie diesen findet man nicht allzu oft in einem Roman: „Als ich zwölf Jahre alt war, kannte ich mich auf dem weltweiten Gehörschutzmarkt bereits gut aus.“ Es ist ein programmatischer Satz für Andreas von Flotows schmalen Debütroman. Zwischen dem namenlosen Ich-Erzähler, der Ohrstöpsel sammelt und sortiert wie andere Matchbox-Autos, und der konkreten Welt befindet sich eine Art von emotionaler Schutzwand, eine hauchdünne Membran, die die Wahrnehmungen dämpft und die Sinneseindrücke in den Bereich des Sekundären zurückstuft. Stattdessen geht es um Innenschau und Erinnerung; den Beginn des Rückzugs markiert ein traumatisches Ereignis, auf das das kurze Vorwort ohne Umschweife zu sprechen kommt: „Im Jahr 2005 sind meine Eltern Opfer eines Anschlags geworden, den mein Onkel, ein Halbbruder meiner Mutter, verübt hat. Er feuerte dreizehn Schüsse ab, mein Vater war sofort tot, meine Mutter starb fünf Jahre später.“ 26 Jahre später und einige tausend Kilometer vom Schauplatz der Tragödie entfernt, versucht der Erzähler, sich zu ordnen.
  Dass der Roman in der Zukunft angesiedelt ist, ist nicht zu bemerken. Die Außenwelt ist ausgeblendet. Stattdessen taucht man ein in eine Kindheit voller Reichtum und emotionaler Kühle. Die Mutter ist offenbar ein Popstar der obersten Kategorie; jedenfalls ist sie in der Lage, das Berliner Olympiastadion zu füllen. Der Vater wiederum, in Deutschland geborener Sohn eines Ingenieurs, ist ein manischer Leser und Schöngeist. Man pendelt zwischen der Cote d’Azur und New York, wo der Sohn nach dem Anschlag bei der Großmutter aufwächst; es gibt ein Kindermädchen und einen echten Klee an der Wand des Wohnzimmers. Der Versuch, eine chronologische Ordnung zu schaffen, scheitert gründlich. Andreas von Flotow arrangiert Fragmente, Fetzen, Szenen. Die bleiben streng kalkuliert in einer Atmosphäre des Ahnungsvollen, Erfühlten, werden aber erzählt in einer strengen Sprache der Selbstbeherrschung.
  Das Reizvolle an „Tage zwischen gestern und heute“ ist der Kontrast zwischen Erzählung und Erzähltem, zwischen einem Stil, der nahe am Nullpunkt angesiedelt ist, und den dramatischen Verwerfungen auf der Handlungsebene. Fünf Jahre lang besucht der Sohn die Mutter im Krankenhaus; dort liegt sie in einem Zustand des Stupor, und man könnte fast glauben, dass sich diese Form der kompletten Bewegungslosigkeit bei gleichzeitiger Wachheit auf den Ich-Erzähler ansteckend ausgewirkt hat. Sein Rettungsanker sind die Bücher des Vaters, die ihm nach dessen Tod zugeschickt werden. Aus ihnen liest er der Mutter im Krankenhaus vor. Die Literaturliste – von Shakespeare über Dostojewski bis hin zu Agota Kristof – füllt die letzten 20 Seiten des Romans. Die Liste betet der Junge sich zur Beruhigung immer wieder vor. Und selbstverständlich ist sie eine allzu kokette Aufforderung zur Spurensuche im Roman. Den Schlüssel, der von Flotows hermetischen Roman aufschließen könnte, scheint der Autor irgendwo in diesem riesigen Bücherstapel versteckt zu haben.
CHRISTOPH SCHRÖDER
Andreas von Flotow: Tage zwischen gestern und heute. Roman. Deutsche Verlagsanstalt, München 2014. 168 Seiten, 16,99 Euro, E-Book 13,99 Euro.
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"Das ist ein bemerkenswertes Debüt... ein ganz und gar literarisches Stück." Frankfurter Allgemeine Zeitung, Andreas Platthaus