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Arkadien, ursprünglich ein raues Hochland auf der Halbinsel Peloponnes, erscheint bereits seit hellenischer Zeit mythisch verklärt als Ort ländlicher Idylle, an dem Mensch und Tier glücklich miteinander lebten. Unzählige Male ist dieser Mythos seitdem in Literatur, Kunst, Musik und Theater aufgegriffen und variiert worden. Spätestens seit dem 18. Jahrhundert wurde Arkadien vollends zum ideellen Sehnsuchtsort der in südliche Gefilde reisenden Bildungsbürger. In Vergessenheit geraten sind jedoch Alltag und Wirklichkeit der ursprünglichen pastoralen Lebenswelt. In ihrem Buch lädt Barbro Santillo…mehr

Produktbeschreibung
Arkadien, ursprünglich ein raues Hochland auf der Halbinsel Peloponnes, erscheint bereits seit hellenischer Zeit mythisch verklärt als Ort ländlicher Idylle, an dem Mensch und Tier glücklich miteinander lebten. Unzählige Male ist dieser Mythos seitdem in Literatur, Kunst, Musik und Theater aufgegriffen und variiert worden. Spätestens seit dem 18. Jahrhundert wurde Arkadien vollends zum ideellen Sehnsuchtsort der in südliche Gefilde reisenden Bildungsbürger. In Vergessenheit geraten sind jedoch Alltag und Wirklichkeit der ursprünglichen pastoralen Lebenswelt. In ihrem Buch lädt Barbro Santillo Frizell den Leser ein auf eine ebenso lehrreiche wie faszinierende Reise durch Raum und Zeit. Von der Antike bis in die heutige Zeit geht sie den Ursprüngen pastoralen Lebens im mediterranen Raum nach. Sie betrachtet Landschaften, Tierhaltung, landwirtschaftliche Produktionsweisen, Handelswege und Märkte, aber auch deren Auswirkungen auf das gesellschaftliche und kulturelle Leben der Menschen. Es entsteht ein lebendiges Bild der Antike, in dem der Mythos Wirklichkeit wird.
Autorenporträt
Barbro Santillo Frizell ist Professorin für Klassische Archäologie und Direktorin des Swedish Institute in Rom.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.09.2009

Überraschungen für Italienfahrer
Barbro Santillo Frizell stellt den Mythos von Arkadien auf seine agrarische Basis

Die erste der vielen erhellenden Fotografien des Buches zeigt die Florentiner Domkuppel, und erst allmählich wird klar, was diese mit Arkadien zu tun hat: Die mächtige Kuppel wurde von der Gilde der Wollhändler gestiftet und bezeugt die überragende Bedeutung der Schafzucht für die mediterrane Wirtschaft. Die Archäologin Barbro Santillo Frizell relativiert solcherart den Mythos von den Hirten als Repräsentanten ursprünglichen Lebens am Rande der Gesellschaft und erweist diese stattdessen als Spezialisten in einer hochdifferenzierten Agrarkultur.

Die Domestizierung von Schaf und Ziege begann vor etwa neuntausend Jahren im Vorderen Orient, wurde anschließend in Griechenland und im gesamten Mittelmeerraum übernommen. Als Wirtschaftsform hat diese Kultur Spanien und Italien bis in die Neuzeit bestimmt, ehe die Kontrolle über die Wollwirtschaft schließlich an das British Empire mit seinen Kolonien überging. Die Autorin, Direktorin des Swedish Institute in Rom, konzentriert sich auf die Verhältnisse in Italien, insbesondere auf jene in Apulien. Dort ist schon ab dem vierten vorchristlichen Jahrhundert großangelegte Weidewirtschaft nachweisbar.

Um Herden im jahreszeitlichen Wechsel über weite Strecken transportieren zu können, bedarf es politischer Stabilität über ein großes Territorium hin. Wege und Raststationen mussten angelegt und gesichert, Durchzugsrechte geregelt und garantiert werden. Ausgrabungen und Inschriftenfunde bestätigen dies schon für frühe Zeiten; Fehlendes kann aus Befunden des Mittelalters und der frühen Neuzeit rückerschlossen werden. Santillo Frizell interessiert sich insbesondere für die Ökologie der Viehzucht: Im Winter wurden die salzhaltigen Wiesen im Marschland genutzt und im Sommer, wenn sie wegen Malaria unbewohnbar waren, mit Bergwiesen vertauscht; die Landschaft wurde einst durch Ziegen und Schafe vor dem Zuwuchern durch Macchia bewahrt, wie es heute weiträumig der Fall ist.

Die Bedeutung von Salz und Schwefel wird ebenso berücksichtigt wie Vegetationsformen, Wasserläufe, Marktplätze und Kultorte. So erweist diese Rekonstruktion zur Überraschung aller bloß kunstsinnigen Italienfahrer, dass Tibur/Tivoli primär ein Viehmarkt an der Grenze von Hoch- und Tiefland gewesen ist. Das große Herkulesheiligtum galt dem Gott der italischen Hirten; die Thermalquellen fanden, wie Inschriften belegen, in der Veterinärmedizin Verwendung; die gedeckte Via Tiburtina diente als Zähl- und Zollstelle für Vieh. Im weit hinter Tivoli in den Bergen liegenden Alba Fucens an der Via Valeria fand sich eine Herkulesstatue, die als Kopie des Herkules im Tempel auf dem Forum Boarium in Rom den kultischen Bogen über einen wirtschaftlichen Zusammenhang spannt.

Das schlanke Buch verbindet Detailforschung mit anschaulicher Darstellung und erfüllt seinen Titel auf paradoxe Weise. Der verheißene Arkadienmythos kommt zwar kaum vor, doch muss die gesamte außerliterarische Grundlage der Pastoraldichtung neu durchdacht werden: Die antiken und auch späteren Stadtkulturen waren auf eine viel intensivere Weise mit der Weidewirtschaft verflochten, als man bislang wusste. Mit diesem Buch lässt sich der Blick für die Realität von Europas schönsten Landschaften schärfen.

THOMAS POISS

Barbro Santillo Frizell: "Arkadien". Mythos und Wirklichkeit. Aus dem Schwedischen von Ylva Eriksson-Kuchenbuch. Böhlau Verlag, Köln 2009. 188 S. geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Angetan zeigt sich Rezensent Thomas Poiss von Barbro Santillo Frizells Buch über "Mythos und Wirklichkeit" Arkadiens. Der Archäologin gelingt es in seinen Augen überzeugend, den Mythos von Arkadien auf seine agrarische Basis zu stellen. Deutlich wird für ihn, dass die Hirten keineswegs randständige gesellschaftliche Figuren, sondern Spezialisten in einer hochdifferenzierten Agrarkultur waren. Barbo zeige, dass die antiken und auch späteren Stadtkulturen viel intensiver mit der Weidewirtschaft verflochten waren, als man bislang angenommen hatte. Aufgrund dieses Befunds ist nach Einschätzung von Poiss die außerliterarische Grundlage der Pastoraldichtung neu zu durchdenken. Gelungen findet er insbesondere die Verbindung von Detailforschung und "anschaulicher" Darstellung.

© Perlentaucher Medien GmbH