Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 70,00 €
  • Gebundenes Buch

Die Indienpolitik Ost-Berlins war sehr früh auf die staatliche Anerkennung der DDR durch die indische Regierung ausgerichtet. Gelingen sollte dies politisch durch Kontakte zu Politikern wie Nehru und Indira Gandhi, wirtschaftlich durch den Warenaustausch und die Unterstützung indischer Entwicklungsprojekte, propagandistisch mittels der Beeinflussung der Öffentlichkeit in den Medien sowie durch einen Kultur- und Wissenschaftsaustausch. Das Buch stellt dar, wie es Ost-Berlin trotz westdeutscher Gegenpositionen verstand, sich in Indien liberal und demokratisch zu präsentieren und sein Anliegen…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Die Indienpolitik Ost-Berlins war sehr früh auf die staatliche Anerkennung der DDR durch die indische Regierung ausgerichtet. Gelingen sollte dies politisch durch Kontakte zu Politikern wie Nehru und Indira Gandhi, wirtschaftlich durch den Warenaustausch und die Unterstützung indischer Entwicklungsprojekte, propagandistisch mittels der Beeinflussung der Öffentlichkeit in den Medien sowie durch einen Kultur- und Wissenschaftsaustausch. Das Buch stellt dar, wie es Ost-Berlin trotz westdeutscher Gegenpositionen verstand, sich in Indien liberal und demokratisch zu präsentieren und sein Anliegen dort voranzubringen. Um nicht den Verdacht einer Abhängigkeit aufkommen zu lassen, wurde dabei eine zu große Nähe zur Sowjetunion vermieden. Zudem achtete man zumindest nach außen auf Distanz zu indischen Kommunisten. Die von Ost-Berlin aus gelenkte weitgefächerte Indienpolitik fand in der Freundschaftsbewegung der zweiten Hälfte
der 1960er Jahre ihren massenwirksamsten Ausdruck. Doch letztlich konnten weder der Druck Ost- Berlins noch der Gegendruck Bonns die souveräne Entscheidung der indischen Regierung über die Anerkennung der DDR erkennbar beeinflussen.
Autorenporträt
Prof. Dr. phil. Johannes H. Voigt, D. Phil. (Oxon) 1929 in Groß-Wittensee, Schleswig-Holstein, geboren, studierte die Hauptfächer Geschichte und Anglistik an den Universitäten Kiel, Marburg und London. Nach dem Staatsexamen in Kiel 1959 promovierte er dort im gleichen Jahr über ein Thema der britischen Außenpolitik im 19. Jahrhundert. Von 1959 bis 1961 arbeitete er als Deutsch-Lehrer an der Benares Hindu University in Benares, danach als Dozent für neuere europäische Geschichte an der Panjab University, Chandigarh, in Indien. Mit Hilfe eines deutsch-englischen Forschungsstipendiums untersuchte er von 1963-1967 am St. Anthony's College in Oxford die Anfänge indischer Geschichtsschreibung unter dem Einfluss des Nationalsozialismus, um darüber 1968 zu promovieren. Von 1968 bis 1971 arbeitete er als Research Fellow für neuere indische Geschichte an der Australien National University in Canberra, Australien. 1973 habilitierte er sich mit dem Thema »Indien im Zweiten Weltkrieg« an der Universität Stuttgart. Er wurde dort im gleichen Jahr Universitätsdozent und 1978 Professor, als der er sich bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahre 1995 in der danach nicht wieder besetzten Abteilung Überseegeschichte des Historischen Instituts in Forschung und Lehre vorwiegend Themen der indischen, australischen und britischen Geschichte widmete.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.02.2009

Traktoren zur Anerkennung
Die dilettantische Indien-Politik der DDR von 1952 bis 1972: Propaganda als Weltpolitik

In den vergangenen Jahren hat sich die Forschung der internationalen Beziehungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer stärker den Staaten der "Dritten Welt" zugewandt. Die Ost-West-Auseinandersetzung hatte zwar ihre Ursachen in Europa und wurde auch in Europa beendet, aber in jenen Jahrzehnten wurden auch zahlreiche "Stellvertreterkriege" in Asien und Afrika geführt, so dass vor dem Hintergrund der Dekolonisierung die machtpolitische und ideologische Auseinandersetzung im Kalten Krieg zugleich einem Nord-Süd-Konflikt gleichkam. Zu dieser Geschichte hat Johannes Voigt nun eine wichtige Facette hinzugefügt. Er untersucht unter Heranziehung der relevanten deutschen Quellen die Indien-Politik der DDR, die im Beobachtungszeitraum vom politisch-wirtschaftlichen Sorgenkind zum "Superalliierten" der Sowjetunion wurde und gar glaubte, sich als "Musterknabe" des östlichen Bündnisses präsentieren zu dürfen.

Auf dem indischen Subkontinent wurden nach 1945 ebenfalls neue Kräfte spürbar. Das Ende der britischen Kolonialherrschaft hatte mit Pakistan und Indien zwei politisch-religiös entgegengesetzte Machtzentren innerhalb der Region entstehen lassen. Während Pakistan die Nähe zum westlichen Bündnis suchte, bezog Indien unter dem wortgewaltigen Ministerpräsidenten Jawaharlal Nehru als "blockfreier Staat" Position und sicherte sich damit sowohl sowjetische Unterstützung als auch großes Ansehen in denjenigen ehemaligen Kolonien, die nun einen "dritten Weg" suchten.

Unter Stalin blieb Indien für die SED unbeachtet, als ein immer noch vermeintlich von Großbritannien und zunehmend von den Vereinigten Staaten abhängig geltendes Gebilde, das in Fragen der Deutschland-Politik der DDR keinen Nutzen bringen werde. Ein dilettantisch vorbereiteter Besuch des indischen Philosophen und Botschafters in Moskau, Sarvepalli Radhakrishan, beim Präsidenten Wilhelm Pieck in Ost-Berlin im Jahr 1952 verlief ergebnislos. Piecks Desinteresse an Indien entsprach dem Klischee eines nur halb unabhängigen Indien, dem die eigentliche Befreiung noch bevorstand.

Erst in der Tauwetterperiode nach Stalins Tod 1953 erfolgte eine auf bilateralen Kontakten der jeweiligen kommunistischen Parteien basierende Annäherung. Für die SED-Diktatur wäre die völkerrechtliche Anerkennung durch Indien ein unschätzbarer Erfolg gewesen, zumal man auf die Signalwirkung eines solchen Schrittes auf die anderen in die Selbständigkeit entlassenen Staaten spekulierte und eine "Anerkennungswelle" erwartete. Die SED-Führung versuchte daher, über Nehru an Profil zu gewinnen. Sie sah sich dabei auch als Vermittler in territorialen Fragen und vermied nach außen eine allzu große Nähe zur Sowjetunion. Diese Bemühungen erwiesen sich allerdings angesichts der komplexen indischen Grenzkonflikte als unmöglich und scheiterten spätestens mit dem indisch-chinesischen Krieg von 1962. Die Ost-Berliner Vorschläge wurden zwar höflich angehört, aber nicht weiterverfolgt: Die DDR blieb ein diplomatisches Leichtgewicht.

Erfolgreicher war das Bemühen, die indische Öffentlichkeit zu beeinflussen. Die SED verstand es geschickt, sich in Indien als das "bessere Deutschland" zu präsentieren. Wirtschaftlich hatte man allerdings wenig zu bieten, nicht zuletzt im Vergleich zum Wirtschaftsgiganten Bundesrepublik. Diese leistete nicht nur milliardenschwere Entwicklungshilfe, sondern lieferte auch im freien Handel zwar vergleichsweise teure Ware, die aber hochwertig und zuverlässig war. Ganz anders dagegen die DDR-Produkte. Zu einem Fiasko wurde beispielsweise die in den späten sechziger Jahren als Propagandacoup herausposaunte Lieferung von 10 000 DDR-Traktoren, die schon nach wenigen Monaten aufgrund von technischen Mängeln und indischen Massenprotesten unter immensem Devisen- und Prestigeverlust wieder eingestellt wurde.

Der SED-Funktionär Albert Norden bilanzierte gegenüber dem zuständigen Sekretär Günter Mittag, nachdem er im Herbst 1970 von Ulbricht mit einer Sondermission nach Indien beauftragt worden war: "Wie Du erkennen kannst . . ., ist dies das zwar wichtigste, aber leider nicht das einzige Beispiel für Exporte unsererseits nach Indien, die weder qualitäts- noch termingerecht vorgenommen werden. Die westdeutsche Botschaft . . . hat dafür gesorgt, dass die von den Amis, den Westdeutschen und einigen indischen Großtrusts finanzierte Presse geradezu kampagnenmäßig aus diesen Affären größtes Kapital gegen die DDR schlägt." Für die DDR war die peinliche Angelegenheit, die mit dem Rückkauf und der kostspieligen Umrüstung der Traktoren einherging, ein "Politikum ersten Ranges", zumal die Aufnahme diplomatischer Beziehungen inzwischen in greifbare Nähe gerückt war.

Für Indien waren die - vernachlässigenswerten - Wirtschaftsbeziehungen nicht entscheidend für die Aufnahme der Beziehungen. Auch die von Ost-Berlin in die Wege geleitete sogenannte "Freundschaftsbewegung" und zahlreiche kulturelle Initiativen, die in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre ihren Höhepunkt erreichten, machten in Indien, wie der Verfasser betont, keinen erkennbaren Eindruck und gaben letztlich auch nicht den Ausschlag für die völkerrechtliche Anerkennung der DDR. Als die Staatschefin Indira Gandhi, ganz in den Traditionen ihres Vaters stehend, am 8. Oktober 1972 die DDR völkerrechtlich anerkannte, war das eine souveräne und selbstbewusste indische Entscheidung, die mögliche westdeutsche Gegenmaßnahmen inzwischen als vernachlässigenswerte Größe einschätzte und die Anerkennung der DDR vor dem Hintergrund der weltweiten Entspannung vollzog. Den Weg zu dieser Entscheidung zeigt die solide Studie, die bislang unbekannte Details der Weltpolitik des "zweiten deutschen Staates" vorstellt und überzeugend interpretiert.

JOACHIM SCHOLTYSECK

Johannes H. Voigt: Die Indienpolitik der DDR. Von den Anfängen bis zur Anerkennung (1952-1972). Böhlau Verlag, Köln 2008. 717 S., 69,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Joachim Scholtyseck schätzt Johannes H. Voigts "solide? Studie über die Indien-Politik der DDR von 1952 bis 1972. Die Arbeit vermittelt in seinen Augen eine Reihe von neuen Aspekten zur Weltpolitik der DDR. Auf Grundlage der relevanten deutschen Quellen stelle der Autor die gegenseitige Annäherung zwischen den beiden Ländern nach Stalins Tod dar sowie die Bemühungen der DDR, von Indien völkerrechtlich anerkannt zu werden. Deutlich wird für Scholtyseck, dass die DDR für Indien diplomatisch gesehen ein "Leichtgewicht? blieb, woran auch die Propaganda der DDR, sich in Indien als das "bessere Deutschland? zu inszenieren, nichts änderte. Blamabel scheint dem Rezensenten das Scheitern einer Lieferung von 10.000 DDR-Traktoren wegen technischer Mängel. Für ihn war die Indienpolitik der DDR vor allem eins: "dilletantisch?.

© Perlentaucher Medien GmbH