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Bereits in antiken Mythen und religiösen Überlieferungen begegnet uns das Begehren des Fremden und das Fremde des Begehrens. Koloniale Expansionsbestrebungen bedienten sich erotischer Phantasien und Inszenierungen in erster Linie, um die Unterwerfung und Beherrschung kolonisierter Völker zu legitimieren. Und bis heute werden im Kontext gewalttätiger und kriegerischer Auseinandersetzungen erotisierte und sexualisierte Vorstellungen aufgerufen. Repräsentationen transkultureller Beziehungen können jedoch gerade auch im Kontext multiethnischer Gesellschaften der lustvollen Neuverhandlung und…mehr

Produktbeschreibung
Bereits in antiken Mythen und religiösen Überlieferungen begegnet uns das Begehren des Fremden und das Fremde des Begehrens. Koloniale Expansionsbestrebungen bedienten sich erotischer Phantasien und Inszenierungen in erster Linie, um die Unterwerfung und Beherrschung kolonisierter Völker zu legitimieren. Und bis heute werden im Kontext gewalttätiger und kriegerischer Auseinandersetzungen erotisierte und sexualisierte Vorstellungen aufgerufen. Repräsentationen transkultureller Beziehungen können jedoch gerade auch im Kontext multiethnischer Gesellschaften der lustvollen Neuverhandlung und Subversion von fixierten Zuschreibungen dienen. "Fremdes Begehren" widmet sich den Darstellungen transkultureller Beziehungen in Literatur, Kunst, Religion und Medien. Das Spektrum der Beiträge reicht von bekannten Mythen wie Medea, Europa und Malinche über die literarischen Repräsentationen deutsch-jüdischer Beziehungen bis hin zu Fragen von "Weiß-Sein" in afrikanischen Gender-Debatten. Der i nterdisziplinäre Ansatz zeigt die Konstruktionen des Fremden und des Begehrens in ihrer wechselseitigen Spiegelung und Durchdringung auf.
Autorenporträt
Eva Lezzi ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Literaturforschung in Berlin und unterrichtet Literaturwissenschaft und Jüdische Studien an der Universität Potsdam.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.04.2004

Nonne auf Kamel
Zum Fremden drängt’s: Unerhörte Studien zum Begehren
Einunddreißig Aufsätze enthält der von Eva Lezzi und Monika Ehlers herausgegebene Sammelband  „Fremdes Begehren. Transkulturelle Beziehungen in Literatur, Kunst und Medien”. Er dokumentiert die Vorträge einer Konferenz, die im Winter 2001 an der Universität Potsdam stattfand. Das Themenspektrum reicht vom „antipolnischen Diskurs der ,Gartenlaube’” über das „fremde Begehren im schlesischen Trauerspiel” bis zur „Konstruktion des Feindes in der zwangsheterosexuellen Gesellschaft”.
Die Herausgeberinnen umreißen das Spannungsfeld ihrer Fragestellung wie folgt: „Bis heute werden im Kontext gewalttätiger und kriegerischer Auseinandersetzungen erotisierte und sexualisierte Vorstellungen aufgerufen. Repräsentationen transkultureller Beziehungen können jedoch gerade auch im Kontext multiethnischer Gesellschaften der lustvollen Neuverhandlung und Subversion von fixierten Zuschreibungen dienen.” Das Ziel ist deutlich. Es geht darum, alle nationalen, imperialen, zwangsheterosexuellen, sexistischen, rassistischen Begehrensstrukturen aufzubrechen, um an deren Stelle die Lüste immer wieder neu ausgehandelter Identitäten zu setzen.
Die Regelmäßigkeit, mit der die grundlegend neue Einsicht variiert wird, dass der/die Fremde anders ist, als man(n) sie sich vorstellt, verleiht dem Band innere Geschlossenheit. Dazu trägt auch das konsensuale Begriffsinstrumentarium bei. Es ist das der postcolonial, minority, gender und queer studies. Sie ermöglichen unerhört innovative Relektüren. Etwa die Relektüre eines Reiseberichts von Maria Schuber, einer strenggläubigen Katholikin und Erzieherin aus Graz, die 1848 eine Pilgerreise ins Heilige Land unternahm. Motiviert war Schubers Reise nicht durch Pilgerfrömmigkeit, sondern durch „die Suche und den Drang nach dem Fremden und Anderen”.
Entscheidend ist deswegen eine Szene, in der Maria Schuber vom neckischen Spiel mit Ali, einem ihrer arabischen Reisebegleiter, berichtet. Als Nonne gekleidet, reitet sie auf einem Kamel, während Ali sich einen Spaß daraus macht, die „schwarze Pilgerin” am Fuß zu zupfen und das Tier aufzustacheln. Schuber beantwortet Alis Spiel damit, dass sie Zuckerrohr in den Sand fallen lässt, um den sich dann „nicht nur der muthwillige Ali, sondern alle” raufen.
Der Komplexität des Geschehens würde man nicht gerecht, wollte man es auf einen Grazer Pädagogenscherz reduzieren. Denn „trotz der Infantilisierung der Reisebegleiter wird mit diesem Spiel eine transkulturelle Begegnung vorgeführt, die Abgrenzungen und Grenzüberschreitungen erprobt und dabei den ethnisch und sexuell Anderen anerkennt.” Allerdings ist „dieses Spiel von Annäherung, Herausforderung und Distanzierung für die Autorin nur möglich, da sie sich von vornherein dadurch, dass sie in der Kleidung einer Nonne reist, in einer gewissen Weise desexualisiert hat.” Das unerhört Komplexe der Selbstdesexualisierung führt nachgerade ins Tragische.
Die transgressive Anerkennung des ethnisch und sexuell Anderen wird „von einer Negation des Begehrens” bestimmt, durch die dennoch „ein erotischer Bezug zum Fremden aufscheint”. An der „spielerischen Interaktion mit den orientalischen Männern” kann allerdings kein Zweifel sein. Dass die Kulturwissenschaften mit derart minutiösen Analysen einen entscheidenden Beitrag zum Dialog mit der Fremde leisten, zumal mit der orientalischen, versteht sich von selbst. Jedenfalls für KulturwissenschaftlerInnen. Die Öffentlichkeit wird sich womöglich etwas schwer damit tun.
CLEMENS PORNSCHLEGEL
EVA LEZZI, MONIKA EHLERS, SANDRA SCHRAMM (Hrsg.) : Fremdes Begehren. Transkulturelle Beziehungen in Literatur, Kunst und Medien, Köln, Weimar, Wien 2003, 414 Seiten, 39,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Das Theoriefundament zum Verhältnis von Fremden und Eigenem ist seit längerem schon gegossen und befestigt, so dass der von Eva Lezzi und Monika Ehlers herausgegebene Sammelband diesbezüglich nach Ansicht von Andrea Rinnert nichts Neues enthält. Die Rezensentin hat vielmehr den Eindruck, die Herausgeberinnen hätten um keinen Preis den Eindruck erwecken wollen, sie hätten auch nur "irgendeine Reflexionsschicht übersehen". Haben sie also nicht, und in diesem Punkt ist der Band, der 31 Beiträge einer Tagung zum Thema dokumentiert, eher langweilig. Spannender würde es in den konkreten Fallbeispielen, wo es sich um Harlem als Objekt touristischer Neugierde, das unheimliche Weiß von Moby Dick als Metapher für das Undarstellbare oder die erotische Sprache der mittelalterlichen Mystikerinnen handelt, behauptet Rinnert. Dennoch wirken die Beiträge auf sie etwas disparat. Erst nach längerem Lesen hat sich bei Rinnnert "ein lila schimmernder Faden" angedeutet, der sich aus der Verschränkung von Postcolonial mit den Gender Studies ergibt. Diese neue Perspektive sensibilisiert laut Rinnert die Wahrnehmung für das Ineinandergreifen von Expansions- und Weiblichkeitsphantasmen und warnt ganz nebenbei vor dem Zerrbild vom Zusammenprall der Kulturen.

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