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Beethoven galt lange Zeit entweder als ein nationaler Heros, ein menschheitliches Genie oder ein Meister höchster Formvollendung. Im Gegensatz zu einseitigen Projektionen dieser Art arbeitet Jost Hermand die komplexen, aber untrennbaren Zusammenhänge von formaler Gestalt und inhaltlicher Bedeutung in Beethovens Musik heraus. Hierbei interessieren ihn nicht allein die konkret zu entschlüsselnden inhaltlichen Aussagen, sondern auch der Ausdruck eines sozialen und politischen Empfindens. Er zeigt Beethoven als einen Künstler, der sich gegen die gesellschaftliche Realität seiner Zeit aufbäumt und…mehr

Produktbeschreibung
Beethoven galt lange Zeit entweder als ein nationaler Heros, ein menschheitliches Genie oder ein Meister höchster Formvollendung. Im Gegensatz zu einseitigen Projektionen dieser Art arbeitet Jost Hermand die komplexen, aber untrennbaren Zusammenhänge von formaler Gestalt und inhaltlicher Bedeutung in Beethovens Musik heraus. Hierbei interessieren ihn nicht allein die konkret zu entschlüsselnden inhaltlichen Aussagen, sondern auch der Ausdruck eines sozialen und politischen Empfindens. Er zeigt Beethoven als einen Künstler, der sich gegen die gesellschaftliche Realität seiner Zeit aufbäumt und auf größere Mitmenschlichkeit drängt. Statt die Musik Beethovens lediglich formalistisch zu analysieren oder als Produkt einer längst vergangenen Ära darzustellen, wird sie gerade wegen ihrer rebellischen Gestik, der eine Tendenz ins eindeutig Demokratisierende zugrunde liegt, als eine bis heute vorbildliche gewürdigt.
Autorenporträt
Jost Hermand ist William F. Vilas Emeritus für German Studies an der University of Wisconsin-Madison (USA) und Honorar-Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.12.2003

Weiter in wüsten Zeiten
Ideologiekritik tut gut: Jost Hermands Beethoven-Essays
Beethovens Œuvre wirke „beim ersten Hören wie ein eherner Block”, heißt es etwas rätselhaft im Vorwort. Das erste Hören des ganzen Beethoven? Aber dies Werk sei, beruhigt Jost Hermand den schon erschrockenen Leser, beileibe nicht so „unübersehbar” wie dasjenige Telemanns, nicht so „vielgestaltig” wie das schwer durchschaubare Köchelverzeichnis und nicht so „ungleich in der Qualität” wie das Oeuvre Schuberts (nun, mittlere Gebrauchsmusik gibt’s auch bei Beethoven).
Der Schreck galt wohl auch Hermands Buch als Ganzem. Wer Titel und Untertitel sieht, kann annehmen, er habe es mit einer Gesamtdarstellung tatsächlich von Beethovens Musik und ihren Folgen zu tun – kaum möglich auf knappem Raum von nicht einmal dreihundert Seiten. Und man wunderte sich schon, wieso ein ausgewiesen wortgewandter Germanist und Kulturwissenschaftler auf seine älteren Tage (Jahrgang 1930) sich ausgerechnet in die trockenen Gefilde historischer oder systematischer Musikwissenschaft verirrt haben sollte. Das Buch ist vielmehr eine Sammlung flüssig bis flott geschriebener, aus viel Fachliteratur geschöpfter Essays (in Teilen schon publiziert) zum kulturhistorischen Phänomen Beethoven, diesem „symptomatischsten” deutschen Komponisten vor Wagner. In sieben Kapiteln werden Werkaspekte aufgefächert, im Blick die politische Situation in Deutschland/Mitteleuropa um 1800.
Hermand startet beim „historischen Ort” Beethovens, den er an Hand ausgewählter Werke umkreisen will, „Formanalysen” der Werke hält er für unbefriedigend. Ihm geht es um „Haltungen”, die in Beethovens Musik zum Ausdruck kommen, nicht um „die konkreten Aussagen als solche” in der Musik. Er benennt genauer, was er meint, nämlich Beethovens „Haltungen des Trotzigen, des SichAufbäumens, des Rebellischen, des Anfeuernden, ja des im besten Sinne auf mehr soziale Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit Drängenden”.
Zunächst das emblematische Stichwort um den politischen Beethoven: die Französische Revolution – Wiener Klassik und Freiheitskampf mit Blick auf die europäische Politik- und Kunstszene. Konkret wird es um Beethovens „,heroische‘ Linie” anhand der Grande Sonate pathétique, die unweigerlich in den republikanischen Gewissenskonflikt zwischen den Instanzen Beethoven und Napoleon führt, also zur Sinfonia eroica. Darauf folgt, wie nicht anders zu erwarten, der Blick auf den „Stern der erfüllten Hoffnung”, die Oper „Fidelio”. Und nun können sogar Beethovens patriotische Gelegenheitswerke, bis hin zur „Germania-Kantate”, aus der Zeit der Befreiungskriege 1813-15 besichtigt werden. Schließlich Erörterungen zum Spätwerk unter dem Beethoven-Rubrum „,Weitermachen‘ in ,wüsten Zeiten‘”. Darunter die letzte Klaviersonate op.111, durch Thomas Manns „Doktor Faustus” und den von Mann im Nachhinein angefeindeten Musikberater Adorno in die Literaturgeschichte eingegangen, auch Beethovens letztes Streichquartett op.135 – das Altersdokument des „schwer gefassten Entschlusses” Beethovens, nicht zu resignieren – „noch immer mit der Zukunft im Bunde.” Das wäre der historische Ort.
Aktueller, gegenwartshaltig, werden die Essays im zweiten, der Wirkung gewidmeten Teil, wo zunächst nach dem „Umgang mit Werken älterer Kunst” allgemein gefragt wird. Der Zugriff bleibt unbefriedigend, wenn Hermand erneut postuliert, aktuell „beerbbar” an den Werken seien über eine rasche Konsumierbarkeit hinaus („wohliger Klang-rausch”) doch nur die „ideologischen ,Haltungen’” in den Werken. Die Begrifflichkeit des Vorworts variierend heißt es, „die Gestik des Fordernden, Hoffnungsvollen, Rebellischen, Utopischen . . .” sei es einzig, die jene Impulse hervorbringt, „die sich den affirmativen Tendenzen” der jeweiligen Gesellschaftsordnungen entgegenstellten. Bloch/Beethoven ringend ums Prinzip Hoffnung/Aufklärung. Wo und wie solche „Gestik” in der Musik festgeschrieben wäre, bleibt offen.
Nicht das retrospektive Kapitel zur Spiegel-Berichterstattung über die Beethoven-Feiern 1970 („Ehre in Blech”) oder die Analyse des Defa-Beethoven-Films von 1976, sondern Erörterungen zu Theodor W. Adornos nachgelassenen Beethoven-Fragmenten („Der vertonte Weltgeist”) enthalten Brisantes. Am Hundertjährigen wird massiv Kritik geübt. Hermand vermisst in Adornos Beethoven-Exegesen, dass sie „fast immer im Bereich philosophisch-abstrakter Sinnstrukturen” blieben. Und wirft ihm „Überheblichkeit” vor angesichts von Adornos Kritik an angeblichen „Schwächen” nicht nur von Kompositionen Beethovens. Da kann die Diskussion „genderspezifischer” Aspekte der jüngsten Beethoven-Forschung abschließend nur noch den „maskulinen” Beethoven in Frage stellen.
WOLFGANG SCHREIBER
JOST HERMAND: Beethoven, Werk und Wirkung. Böhlau Verlag Köln 2003. 278 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Wolfgang Schreiber stellt zunächst klar, dass dieses Buch den Leser nicht, wie der Titel vielleicht vermuten lasse, in "die trockenen Gefilde historischer oder systematischer Musikwissenschaft" entführt. Der "ausgewiesen wortgewandte" Germanist und Kulturwissenschaftler Jost Hermand habe hier vielmehr eine Sammlung "flüssig bis flott geschriebener" und "aus viel Fachliteratur geschöpfter" Essays zum "kulturhistorischen Phänomen Beethoven" versammelt, immer mit Blick auf die damalige politische Situation. Im ersten Teil, lesen wir, geht es um "Haltungen": Hermand untersucht den politische Beethoven, den heroischen Beethoven, den patriotischen Beethoven und - im letzten Kapitel, das unter der Überschrift 'Weitermachen in wüsten Zeiten' stehe - den späten Beethoven. Im zweiten Teil, so Schreiber, wird's dann aktueller. Hier geht es um die Wirkung Beethovens. Was hat er vererbt? Nach Hermand nur die 'ideologischen Haltungen' und einen 'wohligen Klangrausch'. Der Rezensent referiert das müde und kommt dann zum brisanten Kapitel: Adorno und Beethoven. Hier übe Hermand "massiv Kritik" am Jubilar Adorno, werfe ihm gar "Überheblichkeit" vor. Jetzt, so unser Rezensent deprimiert, "kann die Diskussion 'gender-spezifischer' Aspekte der jüngsten Beethoven-Forschung abschließend nur noch den 'maskulinen' Beethoven in Frage stellen."

© Perlentaucher Medien GmbH
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