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Bündnisse sind nicht starr und unveränderlich. Der Zweibund zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn (1879-1918) war seiner ursprünglichen Anlage nach eine Defensivallianz, ein Instrument der Friedenssicherung, gedacht als Mittel zum Spannungsabbau nach dem Berliner Kongress (1878). Doch im Laufe der Jahrzehnte entartete er zu einem offensiven Block, einer beinahe zwanghaften Verbindung, deren Partner schließlich unfähig zur friedlichen Konfliktbewältigung waren. Bei Kriegsausbruch 1914 erwies sich das Bündnis als ohne jede Ausgleichsfunktion und untauglich zur defensiven…mehr

Produktbeschreibung
Bündnisse sind nicht starr und unveränderlich. Der Zweibund zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn (1879-1918) war seiner ursprünglichen Anlage nach eine Defensivallianz, ein Instrument der Friedenssicherung, gedacht als Mittel zum Spannungsabbau nach dem Berliner Kongress (1878). Doch im Laufe der Jahrzehnte entartete er zu einem offensiven Block, einer beinahe zwanghaften Verbindung, deren Partner schließlich unfähig zur friedlichen Konfliktbewältigung waren. Bei Kriegsausbruch 1914 erwies sich das Bündnis als ohne jede Ausgleichsfunktion und untauglich zur defensiven Selbstbeschränkung. Das Buch von Jürgen Angelow schildert den Wandel und den Verfall des Zweibundes im Jahrzehnt vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Es ordnet die bündnispolitischen Veränderungen in das Ringen um gesellschaftlichen Wandel in beiden verbündeten Monarchien ein und untersucht an Hand vieler zum Teil unveröffentlichter Quellen innen- und außenpolitische Strukturen, wirtschaftliche Inter essen, nationale Zwangslagen und militärisches Planen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.12.2000

Letzte Hoffnung vor dem Abstieg
Die Kaisermächte als Partner im Zweibund 1879 bis 1918

Jürgen Angelow: Kalkül und Prestige. Der Zweibund am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Böhlau Verlag, Köln 2000. VIII, 530 Seiten, 118,- Mark.

Das internationale Staatensystem der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg erfreut sich zunehmender Beachtung. Vorbei ist es mit den Zeiten, in denen Bismarck als Jongleur mit den fünf Bällen von unfähigen Nachfolgern abgegrenzt wurde, unter denen ein bipolares und zum Krieg treibendes Staatensystem mehr oder weniger auf die Katastrophe des Ersten Weltkrieges zuraste. Natürlich bleibt daran einiges richtig, aber neue Methoden und Sichtweisen führen zu einem ganz anderen Bild.

Jürgen Angelow hat sich des Zweibundes zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn angenommen. Er existierte von 1879 bis 1918 und bildete zunehmend für beide Staaten das unverzichtbare Rückgrat der eigenen Außenpolitik. Was an Angelows Ansatz gefällt, ist der häufige, aber auch anstrengende Perspektivenwechsel. Gewiß benutzt er herkömmliche diplomatiegeschichtliche Sichtweisen und stellt sicherheitspolitisch-militärische Bedeutungen der - vordergründig militärischen - Bündnisbeziehungen in den Vordergrund. Daneben bezieht er wirtschaftliche Gesichtspunkte ein und versucht, modernisierungstheoretische Ansätze wie mentalitätsgeschichtliche Aspekte einzubeziehen.

Die Begrenzung auf bilaterale Beziehungen greift natürlich nicht das ganze Staatensystem, das bisweilen holzschnittartig vergröbert wird. Angelow vermag aber auf einer recht breiten und innovativen Quellenbasis zu zeigen, wie sehr der Zweibund sein Gesicht wandelte. 1879 war er nicht viel mehr als ein diplomatisches Druckmittel, um Rußland "zum Kommen" zu veranlassen - was mit dem Dreibund auch 1881 geschah. Jedoch gab es von Anfang an auch wirtschaftliche Gemeinsamkeiten (Agrarzölle). Die Basis des Bismarckschen Bündnissystems war nach Angelow noch vergleichsweise wenig militarisiert.

In einer zweiten "Lockerungs- und Sattelphase" zwischen 1890 und 1908 ergaben sich ganz andere Aufladungen des Zweibundes. Mitteleuropaideen wirtschafts- und handelspolitischer Art nahmen an Bedeutung zu. Der anfangs geheime Bund wurde nun zum öffentlichen Integrationsmittel der beiden Kaisermächte. Der defensive Charakter des Militärbündnisses wurde in der Bosnien-Krise 1908/09 zu einem offensiven Instrument der beiderseitigen Machtbehauptungen. In der dritten "imperialistischen Phase" bildete der Zweibund das Rückgrat für eine offensiv-imperialistische österreichische Balkan-Politik, die sich nicht nur in Handelsfragen, sondern vor allem bei Verkehrswegen (Eisenbahnen) abzeichnete. Diese Politik wurde zunehmend für beide Seiten alternativlos: "Sie "stellte eine letzte Hoffnung im Abstiegskampf der deutschen Führungsschichten Cisleithaniens dar und diente in beiden Monarchien der Herbeiführung innerer Integrationseffekte durch eine auftrumpfende Prestigepolitik nach außen." Hier sieht der Verfasser einen Anstieg des aggressiven öffentlichen Massenmarktes - und zwar durch die Alldeutschen in Deutschland wie in Österreich-Ungarn, die mit ihren Denkweisen in Zirkel offizieller Politik eindrangen.

Ab 1912 sollen - so die These - starke Kräfte in Berlin, Wien und Budapest auf eine offensive Festigung der österreichischen Großmacht und auf einen Krieg hingearbeitet haben. Das läßt sich nach wie vor trefflich bestreiten. Wichtig ist aber die Einbeziehung des breiten Fundaments gesellschaftspolitisch aggressiver Momente von Staatenpolitik gegenüber der weitgehend auf kleine Eliten beschränkten Außenpolitik der späten Bismarckzeit. Wenn auch auf die bilateralen Beziehungen gestützt, läßt sich so der Strukturwandel des europäischen Staatensystems in seiner imperialistischen Phase sehr viel deutlicher fassen, als das bisher geschehen ist.

Andere Autoren des militärisch-kriegserwartenden Ansatzes haben sehr stark auf Bilder und Phantasien der Akteure hingewiesen. Angelow rückt dagegen gesellschaftliche Motive stärker in den Vordergrund - vor allem eine Krise im Status von Militärs in Österreich-Ungarn, aber auch im Deutschen Reich. Dort sei die künftige technisch-industrialisierte Kriegführung bestrebt gewesen, die innenpolitische Basis dieser traditionellen Elite zu erodieren. Deswegen hätten die Militärs zum Krieg gedrängt. Auch hier lassen sich Fragezeichen anbringen. Das ändert jedoch insgesamt nichts daran, daß eine kenntnisreiche, die Perspektiven wechselnde und neue Ansätze integrierende Arbeit vorliegt, die zum weiteren Nachdenken zwingt.

JOST DÜLFFER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Jost Dülffer gefällt an diesem Buch besonders, dass es deutsche Außenpolitik nach Bismarck und vor dem Ersten Weltkrieg beschreibt. Bisher galten nämlich, so Dülffer, Bismarcks Nachfolger allesamt als Stümper, dank derer Deutschland auf den Ersten Weltkrieg zuraste. Der Zweibund war ein Bund zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn, der von 1879 bis 1918 hielt. Angelow zeige deutlich, dass dieser Bund nicht nur von militärischen sondern vor allem auch wirtschaftlichen Interessen getragen wurde. Angelow stelle den Bund in drei Phasen dar: erst war er "Druckmittel" gegen Russland, das auch bald nachgab, so dass 1881 ein Dreierbund gegründet wurde, später wurden die handelspolitischen Beziehungen wichtiger als die politischen, und schließlich bildete der Bund "das Rückgrat für eine offensiv-imperialistische österreichische Balkan-Politik", erläutert Dülffer. Den häufigen Perspektivenwechsel des Autors, der neben wirtschaftlichen und politischen Aspekten auch "mentalitätsgeschichtliche" und "modernisierungstheoretische" einbezieht, findet der Rezensent gelegentlich etwas verwirrend. Dennoch lobt er diese Arbeit sehr, weil sie "den Strukturwandel des europäischen Staatensystems in seiner imperialistischen Phase" am Beispiel des Zweibundes gründlich und "kenntnisreich" beschreibt.

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"Wer meint, den unzähligen Forschungsbeiträgen zur Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges seien keine wesentlich neuen Erkenntnisse mehr hinzuzufügen, wird durch die nunmehr gedruckt vorliegende Habilitationsschrift Angelows eines Besseren belehrt. (...) Die nuancierte und facettenreiche Studie beruht auf umfangreicher Literatur und einer breiten Quellenbasis, deren Zusammensetzung dem auf Einbeziehung und Verzahnung unterschiedlicher Politikfelder abgestellten theoretischen Ansatz entspricht." (Martin Moll, Miltiärgeschichtliche Zeitschrift MGZ 60/2001, 19.04.2002)