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Schwindelerregende Managergehälter am einen Ende der sozialen Stufenleiter - wachsende Kinderarmut und Hartz-IV-Tristesse am anderen. Die Schere öffnet sich, soviel ist klar. Hans-Ulrich Wehler, einer der renommiertesten deutschen Sozialhistoriker, wollte es etwas genauer wissen: Wer kommt hierzulande nach oben, wer bleibt in der Regel stecken? Wie viel Vermögen haben wie viele? Wer wird gut versorgt, wenn er krank wird, wer ist schlecht dran? Wer heiratet wen? Wer wohnt wie? Verschärft sich die soziale Ungleichheit im Alter? Wie steht es um die Bildungschancen und die Rolle von Geschlecht,…mehr

Produktbeschreibung
Schwindelerregende Managergehälter am einen Ende der sozialen Stufenleiter - wachsende Kinderarmut und Hartz-IV-Tristesse am anderen. Die Schere öffnet sich, soviel ist klar. Hans-Ulrich Wehler, einer der renommiertesten deutschen Sozialhistoriker, wollte es etwas genauer wissen: Wer kommt hierzulande nach oben, wer bleibt in der Regel stecken? Wie viel Vermögen haben wie viele? Wer wird gut versorgt, wenn er krank wird, wer ist schlecht dran? Wer heiratet wen? Wer wohnt wie? Verschärft sich die soziale Ungleichheit im Alter? Wie steht es um die Bildungschancen und die Rolle von Geschlecht, Herkunft, Religion, um das Verhältnis von West und Ost? Die Diagnose ist ernüchternd und nicht selten bedrückend: Bei allen eindrucksvollen Leistungen der deutschen Wirtschaft und aller unbestrittenen Wohlstandssteigerung der vergangenen Jahrzehnte ist die Bundesrepublik ein Land der "exzessiven Hierarchisierung" geblieben, in dem der Fahrstuhl nur für wenige nach oben führt, aber für immer mehr nach unten.
Autorenporträt
Hans-Ulrich Wehler, geboren 1931, studierte Geschichte und Soziologie an den Universitäten Köln, Bonn, Athens/Ohio (USA). 1960 Promotion, 1968 Habilitation. Von 1968 bis 1970 war er Privatdozent in Köln, 1970/1971 Professor an der Freien Universität Berlin. Seit 1971 war er Professor für Allgemeine Geschichte an der Universität Bielefeld, 1972 Gastprofessor an der Harvard University, Cambridge/Massachussetts, 1976 an der Princeton University, Princeton/New Jersey, 1983/1984 an der Stanford University, Stanford/California, 1989 an der Harvard University. 1996 Emeritierung, 1997 Yale University. 1999 wurde Hans-Ulrich Wehler zum auswärtigen Ehrenmitglied des amerikanischen Historiker-Verbandes ernannt. Im Jahr 2003 erhielt er den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen, 2004 wurde er Ehrensenator der Universität Bielefeld. 2014 erhielt er den Lessing-Preis für Kritik. Hans-Ulrich Wehler verstarb 2014.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.03.2013

Bielefelder Häppchen
H.-U. Wehlers Streitschrift

Es gibt viele Neuerscheinungen, die sich mit neuen und alten Fliehkräften in Wirtschaft und Gesellschaft beschäftigen. Am Niedergang der sozialen Gerechtigkeit, am Niedergang des Mittelstands, am Niedergang Deutschlands und am Niedergang der ganzen Welt ist darin wahlweise der Euro, der Kapitalismus, das Internet oder Frau Merkel ("Mutter Blamage") schuld. Die Bücher folgen einem Trend: Nach Jahren einer "neoliberalen" Offensive sind nach der Finanzkrise und inmitten der europäischen Schuldenkrise alte Gewissheiten in der Defensive. Auf Deutschland bezogen, kämpfen solche pessimistischen Diagnosen allerdings mit einem Phänomen, das sich nur schwer weganalysieren lässt: So gut wie in den vergangenen zehn Jahren ging es Deutschland seit der Varus-Schlacht nicht mehr - sieht man einmal davon ab, dass es für immer mehr Leute immer unwahrscheinlicher wird, dass es ihnen noch besser gehen könnte.

Hans-Ulrich Wehlers Buch gehört in die Reihe dieser Bücher. Seine Streitschrift - eine Art Katheder-Armutsbericht - zur sozialen Ungleichheit tut sich wohltuend dadurch hervor, dass sie ein wenig weiter ausholt als nur zum Rundumschlag. Das steht gleich mit dem ersten Satz fest: "Vor kurzem galt es unter namhaften deutschen Soziologen als chic, anstelle der harten Barrieren der Sozialen Ungleichheit die bunte Vielfalt der Individualisierung und Pluralisierung zu beschwören." Darauf kommt Wehler immer wieder zurück. Sein Buch richtet sich "gegen die modische Behauptung der Entstrukturierung und Individualisierung, welche die gegenwärtige deutsche Gesellschaft angeblich in wachsendem Maße prägt." Mit anderen Worten: Die nivellierte Mittelstandsgesellschaft und die angebliche Auflösung der Milieus können nicht erklären, was für Wehler die Konsequenzen aus Klassenformationen, sozialem "Habitus" und alldem sind, was Gesellschaftswissenschaftler früher "Gesittung", später dann Mentalitäten genannt haben.

Wehler braucht diese Hypothese, um zu der Wirklichkeit zu kommen, wie er sie sieht. Der emeritierte Bielefelder Sozialhistoriker, der gerne auch historischer Sozialwissenschaftler ist, nimmt einen langen theoretischen Anlauf, bis er zur Sache kommt. Ein Vierzig-Seiten-Ritt durch die "Stratifikationsforschung" muss schon sein, um anschließend in kleinen Häppchen sagen zu können, worin denn nun die soziale Ungleichheit, ihre Ursachen und Wirkungen bestehen. Nichts gegen diese Einführung, die jedem Leser vor Augen führt, wie wertvoll die Arbeiten von Karl Marx, Lorenz von Stein, Max Weber und - vor allem - von Pierre Bourdieu sind. Dass es sich in den Konflikten zwischen Klassen im Weberschen Sinne um "historisch kontingente Verhältnisse mit wechselnden Bedingungskonstellationen" handelt, was auch immer das heißen mag, ist dann aber doch eine Einsicht, die nur noch vom Wahlprogramm Peer Steinbrücks übertroffen werden dürfte.

Der SPD seien die dann folgenden Seiten deshalb als Pflichtlektüre für jeden ihrer Wahlkämpfer empfohlen. Wehler breitet auf dreißig Seiten die "Ungleichheitsveränderungen" der vergangenen Jahrzehnte aus - die Reichen werden superreich, alle anderen werden entweder nicht viel reicher oder ärmer. Dabei geht es Wehler nicht nur "um privilegiertes Humankapital mit hohem Einkommen oder um ungelernte Arbeiter mit stagnierenden Löhnen, sondern vor allem um die politisch und rechtlich fundierte Machtausübung kleiner Eliten, die sich in einem Maße, das vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre, ein Einkommen verschaffen, die sich von der Lebenswelt ihrer Mitarbeiter denkbar weit abheben". Das illustriert Wehler, er selbst würde wohl sagen: Das belegt er mit Zahlen, sehr vielen Zahlen. Spätestens aber im Kapitel über die "Ungleichheit der Bildungschancen" fragt man sich, ob es tatsächlich die "Machtausübung kleiner Eliten" ist, die dazu geführt hat, dass selbst massive staatliche Interventionen in die "egalitätsfreundliche Aufstiegsmobilität" an Schulen und Universitäten die Bedeutung sozialer Herkunft nicht zurückdrängen konnte.

Dem "Voodoo-Aberglaube" an den deregulierten Markt setzt Wehler am Ende des Buches einen durchaus sympathischen Bielefelder Konservatismus entgegen: "Kleine und große menschliche Verbände können nur dann auf Dauer friedlich zusammenleben, wenn sie sich einem allseits akzeptierten Satz von verbindlichen Normen und institutionellen Regelungen unterwerfen. Das gilt für Ehepaare, Vereine, Parteien und ganze Nationen." Man möchte hinzufügen: auch für die deutsche Wirklichkeit, die nicht nur aus den Ackermanns, Winterkorns und den Dax-Unternehmen besteht, sondern aus dem Mittelstand, über den endlich einmal eine Gesellschaftsgeschichte geschrieben werden sollte.

JASPER VON ALTENBOCKUM

Hans-Ulrich Wehler: Die neue Umverteilung. Soziale Ungleichheit in Deutschland. C. H. Beck Verlag, München 2013. 191 S., 14,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Erhellend scheint Stefan Reinecke dieses schmale Buch über die soziale Ungleichheit in Deutschland von Hans-Ulrich Wehler. Er unterstreicht, dass der Sozialhistoriker bei seinem kompakten Überblick über die Sozialgeschichte der Kluft zwischen Arm und Reich, auf das theoretische Instrumentarium von Max Weber und Pierre Bourdieu und deren Klassenbegriff zurückgreift. Dass andere theoretische Ansätze, die eher individualisierte Lebensstile fokussieren, von Wehler nebenbei abgekanzelt werden, missbilligt Reinecke. Nichtsdestoweniger findet er die Befunde Wehlers aufschlussreich und seine Erklärungen der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich seit 1949 weitgehend überzeugend. Er hebt in diesem Zusammenhang etwa die Erläuterungen über die Steuerpolitik hervor, die die Reichen bevorzugt. Besonders instruktiv sind für ihn Wehlers Ausführungen über die großen Entwicklungslinien der deutschen Klassengeschichte. Im Blick auf die Therapie hätte er sich von dem Autor allerdings etwas konkretere Vorschläge gewünscht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.03.2013

Ali Bauarbeiter – Felix Professor
Der Historiker Hans-Ulrich Wehler prangert mit vielen Zahlen und noch mehr Elan die Ungleichheit
in Deutschland an. Sein interessantes Buch wirft freilich mehr Fragen auf, als es klärt
VON FELIX EKARDT
Über Ungleichheit wird derzeit in Deutschland viel geredet. Die sich seit 20 Jahren öffnende Einkommensschere ist zum Thema geworden: Die deutschen Reichen waren noch nie so reich. Selbst in der Finanzkrise gab es einen kräftigen Zuwachs an Millionären. Diesen und anderen wachsenden Ungleichheiten, auch jenseits der Einkommensfrage, widmet sich das neue Buch des vielleicht bekanntesten deutschen Sozialhistorikers Hans-Ulrich Wehler.
  Wehler bietet eine gute Zusammenfassung der diversen Befunde zur Ungleichheit. Wirtschaftseliten, Gesundheitsversorgung, Heiratsverhalten und Bildungschancen: Nicht nur bei der Einkommensverteilung findet er vielfältige Belege für wenig inklusive, wenig bewegliche Schichtungen in der Gesellschaft. Schon sein Eingangsbefund, dass es keinen Diskurs über Ungleichheit gebe, provoziert freilich die Frage, ob all das denn neu sei, ist doch Gleichheit speziell in Deutschland sehr wohl ein Diskurs-Dauerthema.
  Trotzdem ist das Buch alles andere als langweilig. Es bildet paradigmatisch einen gängigen deutschen Diskurs ab und fasst diesen wunderbar zusammen. Interessanter noch ist, was das Buch – und der in ihm gespiegelte Diskurs über soziale Probleme – nicht sagt. Letztlich transportiert Wehler die klassische Vorstellung: Sozial sein meint zunehmenden Reichtum für alle, den man durch Arbeitsplätze erreicht, und die wiederum schafft man durch ständiges Wirtschaftswachstum, wenn die Politik ordentlich funktioniert. Was Wehler nicht sagt: Dass die Arbeitslosigkeit, wie behauptet wird, sich in den vergangenen Jahren halbiert habe, ist primär eine Schönrechnung der Bundesagentur für Arbeit. Die nimmt nämlich immer mehr Personen aus der Statistik, ergänzt durch vermehrte Frühpensionierungen und den demografischen Wandel: Die Anzahl sozialversicherungspflichtiger Jobs ist quasi auf dem gleichen Stand wie im Jahr 2000, abgesehen vielleicht von den Minijobs.
  Die alte Gleichung Wachstum = Arbeitsplätze = soziale Inklusion ist zweifelhaft. Deshalb ist eine Diskussion über die Zukunft der Arbeit nötig, über Arbeitszeitverkürzungen und Umverteilung von Arbeitskapazitäten und Einkommen. Von dieser zentralen Fragestellung liest man in Wehlers Buch, das doch die Umverteilung im Titel führt, nichts.
  Ebenfalls liest man nichts darüber, dass das von Wehler gelobte Wachstum in einer physikalisch und ökologisch endlichen Welt an Grenzen stößt, und neue Technik kann diese Grenzen nur teilweise hinausschieben. Warum überhaupt sollten wir – in den reichen westlichen Ländern – immer noch mehr Dinge kaufen, die wir für unser Wohlbefinden gar nicht brauchen? Wir wissen sogar aus der empirischen Forschung, dass ihr wachsender materieller Wohlstand die Deutschen in den vergangenen 50 Jahren nicht unbedingt glücklicher gemacht hat, weil wir unsere materiellen Wünsche schlicht relativ zu dem definieren, was andere haben.
  Bemerkenswerter noch als die Ausblendung dieses drängenden Wachstumsdiskurses ist, dass sich Wehler komplett auf die nationale Ebene beschränkt und die viel massivere sozio-ökonomische Ungleichheit auf globaler Ebene beiseite lässt. Ebenfalls unerwähnt bei Wehler bleibt die intergenerationelle Ungleichheit. Nicht die bei der Rente, sondern die im ökologischen Sinne: Wir wollen heute „wegen der Belastung für die sozial Schwachen“ nicht ein paar Euro mehr im Monat für Strom zahlen und damit beispielsweise einen Kohle-Ausstieg ermöglichen – und nehmen damit einen globalen Klimawandel hin, der die sozial Schwachen der Zukunft massiv treffen wird. Hier zeigt sich vielleicht ein generelles Problem der Denkweise des Historikers Wehler: Historiker interessiert letztlich „alles“, sofern es halbwegs mit der Vergangenheit zu tun hat, ob es nun komplizierte wirtschaftliche, ethische, rechtliche oder soziale Fragen sind. Das führt zwangsläufig zu Lücken, Ungenauigkeiten, auch Fehlern.
  Bekanntlich wird der Diskurs über soziale Gleichheit heute meist als Diskurs über Chancengleichheit geführt. Erstaunlicherweise fasst Wehler auch dieses Thema nicht wirklich an. Dabei könnte man daran lernen, welchen Klärungsbedarf ein Gleichheitsdiskurs auslöst. Ich stamme beispielsweise aus einer Wissenschaftlerfamilie, und ich hatte in den 80er-Jahren in Berlin viele türkische Mitschüler. Alis Vater war Bauarbeiter. Als wir in der dritten Klasse einmal gefragt wurden, was wir später werden wollen, antwortete ich: Professor. Ali antwortete: Bauarbeiter. Heute haben wir beide unser „Ziel“ erreicht.
  Aber ist das Chancengleichheit? Müssen Ali und Felix die gleiche „Chance“ haben, ihren jeweiligen Plan umzusetzen – ebenso wie dann auch die kleine Emilia, die Fernsehmoderatorin oder Grafikdesignerin werden möchte? Und selbst wenn Ali hätte Professor werden wollen: Hatte er womöglich aufgrund einer unterschiedlichen frühkindlichen Sozialisation schon als Schüler einen kaum einholbaren Rückstand gegenüber Emilia und Felix? Und inwieweit muss – oder darf – ein liberal-demokratischer Staat solche „Vorteile“ dann umverteilen, wie auch immer das dann geschehen sollte?
  Solche Fragen zu Chancengleichheit, Zukunft der Arbeit und globaler Ungleichheit hätten lohnende, drängende Themen für ein Buch über Umverteilung geboten. Wehler hat stattdessen ein Buch geschrieben, das eine gute Zusammenfassung eines wichtigen, aber wohlbekannten Diskurses liefert, einschließlich seiner flagranten Auslassungen. Man sollte es lesen – und daraus lernen, dass ein so eingeschränkter Diskurs dringend zu erweitern ist.
Hans-Ulrich Wehler : Die neue Umverteilung: Soziale Ungleichheit in Deutschland, C. H. Beck Verlag 2013, 192 S., 14,95 Euro.  
Felix Ekardt, Universität Rostock, leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig. Im Januar war er dort grüner OB-Kandidat.
Die Leipziger Buchmesse steht vor der Tür. Mit Büchern wird man zwar selten reich, man kommt aber hoch hinaus. Das gilt auch für Bücher, wie sie auf dieser Seite vorgestellt werden: Bücher, die keine vollendete Wahrheit verkünden, sondern ihren Lesern vielmehr als Leitern auf dem Weg dahin dienen.
ZEICHNUNG: SCHOPF
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