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Mit dem Band Die globalisierte Welt seit 1945 wird die große, auf insgesamt sechs Bände angelegte Geschichte der Welt fortgesetzt. Die Zeit seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, also die unmittelbare Vorgeschichte unserer Gegenwart, setzt den Trend zur transnationalen Vernetzung der Welt fort, den bereits der Vorgängerband für die Jahre von 1870 bis 1945 beschrieben hatte. Die Weltpolitik im Zeichen des Kalten Krieges, die ökonomische Globalisierung, der dramatische Wandel der Erde mit einer Verdoppelung und dann Verdreifachung der Weltbevölkerung innerhalb weniger Jahrzehnte sowie einer…mehr

Produktbeschreibung
Mit dem Band Die globalisierte Welt seit 1945 wird die große, auf insgesamt sechs Bände angelegte Geschichte der Welt fortgesetzt. Die Zeit seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, also die unmittelbare Vorgeschichte unserer Gegenwart, setzt den Trend zur transnationalen Vernetzung der Welt fort, den bereits der Vorgängerband für die Jahre von 1870 bis 1945 beschrieben hatte.
Die Weltpolitik im Zeichen des Kalten Krieges, die ökonomische Globalisierung, der dramatische Wandel der Erde mit einer Verdoppelung und dann Verdreifachung der Weltbevölkerung innerhalb weniger Jahrzehnte sowie einer explosionsartigen Zunahme aller Arten von Umweltbelastungen bis hin zur Klimaerwärmung und Reaktorkatastrophen, die Herausbildung einer globalen Kulturgemeinschaft bei gleichzeitiger, teilweise offensiv behaupteter Diversität ´- all diese Megatrends der Weltgeschichte seit 1945 sind Gegenstand dieses ungewöhnlich reichen und neue Perspektiven eröffnenden Bandes.

Mit Beiträgen von Peter Owen Engelke, Petra Goedde, Akira Iriye, Wilfried Loth, John R. McNeill und Thomas W. Zeiler.
Autorenporträt
Jürgen Osterhammel ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Konstanz und Träger des Gottfried Wilhelm Leibniz-Preises. Sein Buch Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts (Gesamtauflage 40.000 Exemplare) gehört zu den am stärksten beachteten historischen Werken unserer Zeit. Akira Iriye war bis zu seiner Emeritierung Professor für Geschichte an der Harvard Universität. 1988 war er Präsident der American Historical Association. Er ist Träger hoher amerikanischer Auszeichnungen und hat zahlreiche Publikationen vor allem zur Geschichte der internationalen Beziehungen und zur Globalgeschichte des 20. Jahrhunderts vorgelegt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Augsburger Historiker Dietmar Süß begrüßt diesen neuen Band der großen von Akira Iriye und  Jürgen Osterhammel herausgegebenen Weltgeschichte mit großem Wohlwollen. In unterschiedlichen Thematiken untersuchen Spezialisten das Entstehen eines "Menschheitsgefühls" nach 1945, so der Rezensent, der diesen Begriff Iriyes zwar ein wenig pathetisch, aber für die Geschichtsschreibung fruchtbar findet. Süß greift thematisch den Kampf um Rohstoffresourcen, die Globalisierung von Solidarität und Hilfe, etwa nach Naturkatastrophen, die Zerstörung von Landschaft durch Atomtests im Kalten Krieg oder den Klimawandel heraus. Ausführlicher geht er auch auf Petra Göddes Beitrag zur Kultur ein, der offenbar optimistisch ist und keine Gefahr einer universellen "Mcdonaldisierung" an die Wand malt. Ob im Band auch Themen wie etwa die Zumutungen von Religion und der daraus folgenden Clashs thematisiert werden, lässt Süß offen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2013

Verdient Bob Geldof wirklich mehr Aufmerksamkeit als Alan Greenspan?
Unvermeidliche Leerstellen inklusive: Akira Iriye und Jürgen Osterhammel beschließen ihre Globalgeschichte mit einem Band über die Welt seit 1945

Am Ende stehen Fukushima, der arabische Frühling und vor allem Barack Obama. Die Demonstranten am Tahrir-Platz, das zerstörte japanische Atomkraftwerk und der Jubel von Kenia bis Deutschland über die Wahl des ersten farbigen amerikanischen Präsidenten. Überall auf dem Globus fühlten Menschen sich von diesen Momenten angesprochen und betroffen, als Teil einer gemeinsamen Geschichte. Dieses Gefühl des Vernetztseins stellt der Herausgeber und Mitautor Akira Iriye an das Ende seiner Interpretation der "Geschichte der Welt" nach 1945.

Damit schließt das Buch den Entwurf einer umfassenden Globalgeschichte ab, deren Anspruch es ist, menschliche Erfahrung von der Antike bis heute zu erfassen. Der vorliegende sechste Teil konzentriert sich auf die Zeit seit Ende des Zweiten Weltkriegs, ohne Frage eine Periode zunehmender weltweiter Verknüpfungen. Getragen wird das Projekt von einigen der profiliertesten Historiker aus Deutschland und den Vereinigten Staaten, wo die Globalgeschichte als Forschungsrichtung seit einigen Jahren einen bemerkenswerten Boom erfährt. Vereinfacht gesagt, zielt der Forschungsansatz darauf, Geschichte sowohl territorial als auch methodisch umfassend zu sehen.

Das Feld ist die Welt - von Bali bis Feuerland und vom Jazz bis zur Atombombe. Eine solche totale Geschichtsforschung kann nie ganz gelingen. Stets müssen wichtige Aspekte geopfert werden, um die Komplexität menschlicher Vergangenheit beherrschbar zu machen. Dementsprechend versucht der letzte Band gar nicht erst, eine Geschichte der Welt chronologisch zu erzählen, sondern stellt fünf gleichwertige Teile nebeneinander, die jeweils eine Dimension beleuchten.

Den Anfang macht Wilfried Loth mit einer Studie zu Staaten und Machtbeziehungen im Wandel. Knapp und präzise umreißt Loth die wesentlichen politischen Ereignisse seit 1945. Im Zentrum stehen der Kalte Krieg und dessen Nachwirkungen. Das ist klar und anschaulich geschrieben, und an einigen Stellen vertritt der Bochumer Historiker originelle Positionen. So betont er etwa die Kontingenz der bipolaren Konfrontation, deren Beginn letztlich von keiner Seite wirklich gewollt war. Dass Loth sich dabei auf Europa konzentriert, ist konsequent, auch wenn dafür andere Regionen - vor allem Lateinamerika - wenig Beachtung finden.

Im zweiten Teil setzt sich Thomas Zeiler mit der ökonomischen Globalisierung auseinander. Er beschreibt die Entwicklung der Weltwirtschaft als einen fortlaufenden Prozess sich öffnender Türen. Auch hier spielt der Ost-West-Konflikt eine zentrale Rolle. Von Bretton Woods und dem Marshallplan bis zur Gründung der WTO betont Zeiler die Bedeutung politischer Weichenstellungen im Kontext des Systemkonflikts. Er konzentriert sich vor allem auf die Liberalisierung des Handels, lässt jedoch auch die Diskussion über die Entwicklung der Dritten Welt und die rasche Industrialisierung in Asien nicht außer Acht. Leider werden dabei die Zusammenhänge nicht immer deutlich. Die Finanzkrise von 2008 scheint unvermittelt über die Welt hereinzubrechen, ohne dass sie in den größeren Kontext eingeordnet wird. Verdient Bob Geldof wirklich mehr Aufmerksamkeit als Milton Friedman oder Alan Greenspan? Dennoch liefert Zeiler einen überzeugenden Überblick über die wirtschaftliche Globalisierung.

Daran schließt der überragende umweltgeschichtliche Teil von John R. McNeill und Peter Engelke an. In einer klaren Sprache gelingt es den beiden amerikanischen Autoren, das globale Zusammenspiel von Mensch und Umwelt nach 1945 zu verdeutlichen, von der Zerstörung des Aralsees bis zum Himmel über der Ruhr und dem Smog in Mexico City. Indem sie die zunehmenden Eingriffe der Zivilisation in das biologische Gleichgewicht herausarbeiten, setzen sie zugleich einen Kontrapunkt zum Optimismus der anderen Beiträge. Die übrigen Autoren heben das gestiegene Niveau an Frieden und Wohlstand hervor. McNeill und Engelke mahnen hingegen, dass dieser Fortschritt gänzlich in Frage gestellt wird, wenn es nicht gelingt, nachhaltiger zu wirtschaften.

Petra Gödde behandelt den Bereich der Kultur. Sie zeigt, wie eine Vielzahl kultureller Phänomene zunehmend weltweite Bedeutung erlangte. Die größere internationale Verknüpfung führt aber nicht nur zu einer größeren Homogenität, sondern zugleich auch zu einem globalen Nebeneinander von Kulturen, so Göddes Resümee. In Singapur oder Lissabon findet sich sowohl die globale Fastfood-Kette als auch der vietnamesische Imbiss. Nicht nur hier geht eine größere Einheitlichkeit mit einer Zunahme an Unübersichtlichkeit einher. Diesen Umstand greift auch Akira Iriye im Schlusskapitel auf. Unter dem Gesichtspunkt der Transnationalität betrachtet er die exponentielle Zunahme an grenzüberschreitenden Verbindungen in den letzten Jahrzehnten. Angesichts der Vielzahl ökonomischer, kultureller und menschlicher Kontakte postuliert Iriye die Entstehung eines transnationalen Bewusstseins in weiten Teilen der Welt. Wenn er am Ende die Wahl Obamas als einen globalen Schlüsselmoment betrachtet, sieht er den Präsidenten nicht als Heilsbringer. Wichtiger erscheint ihm die weltweite Anteilnahme und Unterstützung für Obamas Ziele.

Diese Entwicklung sieht er als fundamental positiv und hebt hervor, dass weder der Kalte Krieg noch der internationale Terrorismus den Trend zur globalen Verständigung aufhalten konnten. Man muss diesen Optimismus nicht teilen. Aber nach dem Ende historischer Großerzählungen stellt er doch den spannenden und mutigen Versuch dar, der Geschichte einen Sinn zu geben. Anmerkend könnte man fragen, warum manche Themen im Buch so gut wie gar nicht auftauchen. Die Globalisierung der Finanzwelt beispielsweise, einschließlich der Steueroasen, fehlt als Thema nahezu komplett. Auch der Sozialstaat kommt praktisch nicht vor. Obwohl oft explizit national, ist die Entwicklung sozialer Fürsorge - vom Beveridge Report bis zu Obamacare und aktuellen Diskussionen in Asien - ein Phänomen, von dem ein Großteil der Weltbevölkerung betroffen ist. Die globalen Zusammenhänge sind hier weniger anschaulich als bei der Vermarktung der amerikanischen Baseball-Liga, aber beileibe nicht minder bedeutsam.

Wer die mehr als achthundert Seiten am Stück liest, wird zudem Mühe haben, einen größeren Zusammenhang zwischen den einzelnen Teilen zu sehen. Zu groß sind die Unterschiede zwischen den inhaltlichen Schwerpunkten. Aber vielleicht liegt gerade in dem bewussten Verzicht auf eine Synthese die Botschaft. Die Geschichte der Zeit seit 1945 hat zu viele Dimensionen, um sie auf eine Deutungsmöglichkeit zu begrenzen. Wer sich darauf einlässt, wird in dem Buch ein beeindruckendes Panorama der Globalisierung und Schlüssel zum Verständnis unserer Zeit finden.

MARTIN ALBERS.

Akira Iriye und Jürgen Osterhammel: "Geschichte der Welt 1945 bis heute". Die globalisierte Welt.

Verlag C. H. Beck, München 2013. 955 S., Abb., geb., 48,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.12.2013

„Menschheitsgefühl“
Eine Geschichte der Welt seit 1945, mit Rücksicht auf
Protestbewegungen jeglicher Art und die Schändung der Natur
VON DIETMAR SUESS
Die Nachricht des schweren Erdbebens auf den Philippinen war erst wenige Stunden alt, da lief die internationale Unterstützung bereits auf Hochtouren. Hilfsorganisationen schickten Mediziner und Experten, die internationale Gemeinschaft organisierte Wasser und Lebensmittel, und Sonderkorrespondenten berichteten live aus den entlegenen Gebieten.
  Die Hilfskampagnen für Hunger- und Flutkatastrophen sind ein Hinweis dafür, wie sich in den Jahrzehnten nach 1945 so etwas wie ein globales Solidaritätsgefühl ausgeprägt hat. Hinter diesem neuen Bewusstsein verbergen sich politisch und kulturell äußerst widersprüchliche Prozesse. Die Geschichte humanitärer Hilfe, deren Vorläufer bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, geschah nur selten voraussetzungslos. Sie war Teil politischer Konflikte, eingebettet in die Auseinandersetzungen des Kalten Krieges und machtpolitischer Interessen.
  Ähnlich verhält es sich bei der Politik der Menschenrechte. Ihre universalistische Sprache galt (und gilt bisweilen) als Instrument des „Westens“, bot aber doch gerade den afrikanischen und asiatischen Unabhängigkeitsbewegungen die Möglichkeit, für gleiche Rechte und gegen die alten kolonialen Herren zu argumentieren.
  Die Geschichte globaler Hilfe und die Politik der Menschenrechte sind nur zwei Beispiele für jene zunehmenden politischen und kulturellen Verflechtungen, die im Mittelpunkt dieses Bandes in der Reihe „Geschichte der Welt“ stehen, die von Akira Iriye und Jürgen Osterhammel organisiert wird. Die Autoren untersuchen mit viel Gespür die Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis in die Gegenwart und wollen wissen, wie weit die Prozesse transnationaler Verflechtung reichen. Nach 1945, so der Herausgeber Akira Iriye, sei „die Kluft zwischen menschlicher Einheit und Spaltung – wenn auch niemals zur Gänze - überwunden“ worden. „Länder und Völker in nichtwestlichen Teilen der Welt“ hätten selbst Geschichte geschrieben „und sich nicht einfach nur in eine westlich geprägte Welt eingefügt. In der Folge ist ein stärkeres Menschheitsgefühl entstanden, selbst wenn sich die Menschen ihrer Vielfalt deutlich bewusst wurden.“
  Das ist der Ausgangspunkt der Autoren, die sich mit der Geschichte internationaler Politik und Wirtschaft, mit globalen Kulturen und Normen und dem veränderten Verhältnis von Mensch und Umwelt nach 1945 beschäftigen. Die Fallhöhe bei weltgeschichtlichen Projekten ist besonders groß: Allzu leicht wird daraus eine getarnte Geschichte des Westens. Gleichzeitig droht die Gefahr der Beliebigkeit, weil scheinbar alles gleichwertig von Bedeutung zu sein scheint. Eine Mammutaufgabe also. Denn je näher die Zeitgeschichte der Gegenwart rückt, desto schwieriger ist es, die offenen Enden der Vergangenheit zusammenzubinden. Das gilt zumal deshalb, da die Zäsur des Zweiten Weltkrieges keineswegs für alle Länder und Kontinente gleichermaßen einen Einschnitt bildete.
  Die Reihe, die auch in den USA veröffentlicht wird, ist gewissermaßen selbst ein Produkt dieser gegenwärtigen globalen Sinnsuche, die mit Iriyes Begriff des „Menschheitsgefühls“ vielleicht etwas pathetisch, aber doch auch nicht ganz falsch beschrieben ist. Besonders eindringlich schildern John R. McNeill und Peter Engelke, wie der Mensch mit Hilfe von neuer Technik und verändertem Konsumverhalten die globale Ökologie beeinflusste und damit selbst zum Faktor wurde, der das Klima bestimmte. Der Traum von der Beherrschbarkeit der Technik prägte über viele Jahrzehnte das weltpolitische Klima: Noch im März 1986, vier Wochen vor der Explosion des Reaktors in Tschernobyl, prophezeite das britische Wirtschaftsmagazin Economist: „Die Nuklearindustrie bleibt so sicher wie eine Schokoladenfabrik.“
  Das Wettrüsten der Supermächte ließ die Experten des Kalten Krieges hemmungslos die Umwelt zwischen Nevada und Sibirien verseuchen. Nuklearabfälle landeten in den nahen Gewässern, und aus der Gegend um den Karatschai-See im südlichen Ural wurde Anfang der 1950er Jahre die „radioaktivste Kloake der Welt“. Wie sehr der Kalte Krieg und die Vorbereitung auf die chemische und nukleare Vernichtung des Gegners die eigenen Lebensgrundlagen zerstörten: Davon handeln einige der bedrückendsten Kapitel des Buches.
  Der Kampf um Rohstoffressourcen, steigender Energieverbrauch, Bevölkerungswachstum und die neuen Mega-Städte Asiens, Afrikas und Lateinamerikas: all das waren keine gänzlich neuen Phänomene; sie erhielten aber nach 1945 eine neue Dynamik. Die globale Entwicklung verlief dabei keineswegs nach einem linearen Muster; sie folgte keiner inneren Logik des „Fortschritts“. Sie produzierte Widerstände und schuf selbst Probleme, die sie zu lösen vorgab. Als im April 2000 die Mitglieder der „Save Narmada“-Bewegung vor der amerikanischen Botschaft in Neu Delhi demonstrierten, richtete sich der Zorn gegen die Pläne des Energieriesen Odgen Energy Group, der für den Bau neuer Staustufen am heiligen indischen Fluss Narmada Menschen aus ihren Wohnorten umsiedeln wollte – ein Konflikt, der sich im Zeichen knapper Energiereserven und großer staatlicher Entwicklungsverheißungen an vielen Ecken der Welt wiederholt.
  Doch das Buch erzählt auch gegenläufige Geschichten, etwa die aus dem südbrasilianischen Curitiba. Gegen alle Trends der Zeit setzte die Stadt im Kampf gegen die jährlichen Fluten nicht auf Hochwasserdämme, sondern baute kleine Stauwerke, die die Überschwemmungen zurückgehen ließen. Und während viele Städte der Welt die Verkehrsexplosion der 1960er Jahre mit Hochstraßen und großspurigen Autobahnen zu steuern versuchten, baute Curitiba seine öffentlichen Transportmittel aus. Kluge Lokalpolitik kann also auch den zeitgeistigen Versuchungen trotzen.
  Mit wohltuender Distanz begegnet Petra Gödde in ihrem Beitrag der Vorstellung, die Globalisierung müsse notwendig zu einer einheitlichen Kultur, einer „Mcdonaldisierung“ führen. Stattdessen schildert sie die Entstehung jener neuen, hybriden Kulturen, die durch die großen Wanderungsbewegungen der Nachkriegszeit, durch Arbeitsmigration, durch neue soziale Bewegungen und die Auflösung der ehemaligen Kolonialreiche entstanden. „Kultureller Austausch“, so ihre Bilanz, „sorgte für universelle Verhaltensstandards, Rechte und Werte, während zugleich die spezifisch lokalen Interpretationen dieser Werte sichtbar wurden.“
  Der britisch-nigerianische Künstler Yinka Shonibare zeigt mit seinen Skulpturen und Fotoinstallationen, was das bedeutet: zumeist kopflose, viktorianische Figuren, gehüllt in afrikanische Stoffe, die ursprünglich ihren Weg aus Holland in die Kolonien gefunden hatten, und nun mit den rassistischen Klischees aus Vergangenheit und Zukunft spielen.
  Die Beiträge funkeln vor originellen Beobachtungen, präzisen Analysen und pointierten Urteilen – und vor allem: Sie sind offen für die Widersprüchlichkeiten der Welt. Um Vollständigkeit geht es dabei nie, vielmehr richten die Autoren ihren Blick immer wieder danach aus, wie Menschen nationale Grenzen überschreiten. Sie tun das als Migranten, Arbeitssklaven oder Flüchtlinge, als Gläubige oder Aktivisten, als verliebte, Studenten oder Touristen, Unternehmer oder Politiker.
  Über manche Akzentsetzungen wird man streiten können, beispielsweise ob man die Globalisierung der Wirtschaft nicht auch mit einem weniger starken Gewicht auf die USA hätte schreiben können, wie das Thomas W. Zeiler macht, und ob dabei nicht auch die Rolle der Arbeitenden selbst sowie die sich wandelnden kapitalistischen Arbeits- und Produktionsbedingungen noch stärker hätten berücksichtigt werden können.
  Auch über die Frage, welche Rolle die Massenverbrechen der Nationalsozialisten und der Holocaust für die transnationale Erinnerungskulturen und die internationale Politik spielten, hätte man sich etwas größere Klarheit gewünscht. Doch insgesamt wird man nicht hoch genug würdigen können, wie gekonnt die Autoren sich auf dieses gelungene Experiment eingelassen haben. Das Buch ist ein gelungener Appell dazu, wie Akira Iriye es formuliert, „das noch immer einflussreiche mononationalistische Denken zu bekämpfen und den Generationen, die die Erde erben und vor der Aufgabe stehen, die Welt noch weiter zu transnationalisieren, ein wertvolles Geschenk zu hinterlassen“. Die Autoren haben mit Leidenschaft dazu beigetragen, diesen Satz mit Fakten zu unterfüttern.
Akira Iriye (Hrsg.): Geschichte der Welt. 1945 bis heute. Die globalisierte Welt. Aus dem Englischen von Thomas Atzert, Andreas Wirthensohn. C. H. Beck, München 2013. 955 Seiten, 48 Euro.
Weltweit fragen sich die Leute:
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Kluge Lokalpolitik kann
den zeitgeistigen
Versuchungen trotzen
2011 trat der indische Sozialaktivist und Antikorruptionskämpfer Anna Hazare in einen Hungerstreik. Übers Internet gewann er viele Anhänger. Als er nach 13 Tagen wieder aß, wurde er mit bunten Farben gefeiert.
FOTO:  © AJAY VERMA/REUTERS
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