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Herbert Schnädelbach demonstriert in vierzehn Kapiteln exemplarisch, was in der gegenwärtigen Philosophie verbindlich gelehrt und gelernt werden kann. Zusammengenommen sind seine Ausführungen ein brillanter Grundkurs in Philosophie. Das Buch zeigt anhand ausgewählter Themen, dass der Ausdruck "philosophisches Wissen" kein leeres Wort ist. Ungeachtet mancher Zweifel wissen Philosophen wirklich etwas; sie verfügen über einen Kernbestand wissenschaftlichen Wissens, der wenig umstritten ist und hinter dessen Einsichten nicht zurückfallen darf, wer heute nach den Regeln des Fachs philosophiert.…mehr

Produktbeschreibung
Herbert Schnädelbach demonstriert in vierzehn Kapiteln exemplarisch, was in der gegenwärtigen Philosophie verbindlich gelehrt und gelernt werden kann. Zusammengenommen sind seine Ausführungen ein brillanter Grundkurs in Philosophie.
Das Buch zeigt anhand ausgewählter Themen, dass der Ausdruck "philosophisches Wissen" kein leeres Wort ist. Ungeachtet mancher Zweifel wissen Philosophen wirklich etwas; sie verfügen über einen Kernbestand wissenschaftlichen Wissens, der wenig umstritten ist und hinter dessen Einsichten nicht zurückfallen darf, wer heute nach den Regeln des Fachs philosophiert. Dieses Wissen hat sich in der neueren Philosophiegeschichte im ständigen kritischen Dialog mit dem Tradierten herausgebildet.
Es wird beispielsweise gezeigt, dass in der modernen erkenntnistheoretischen Diskussion niemand ernstgenommen wird, der immer noch mit den Modellen "Subjekt - Objekt" oder "Bewusstsein - Gegenstand" operiert, in der Semantik Bedeutung und Gegenstand miteinandergleichsetzt, in metaphysischen Fragen das Sein für eine Eigenschaft von Gegenständen hält oder in der Praktischen Philosophie Werte und Normen nicht auseinanderhält.
Autorenporträt
Vor seiner Emeritierung war Herbert Schnädelbach Professor für Philosophie an den Universitäten Frankfurt am Main, Hamburg und an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist Verfasser, Beiträger und Herausgeber zahlreicher Werke zu fast allen Bereichen der Philosophie. In den Jahren 1988-90 war Schnädelbach Präsident der Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie in Deutschland - heute: Deutsche Gesellschaft für Philosophie.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.04.2012

Bericht vom Konsensgipfel
„Was Philosophen wissen und was man von ihnen lernen kann“: Herbert Schnädelbach gibt eine klare, gelehrte und dabei entschlossen wertende Einführung in sein Fach
„Was kann ich wissen?“ ist die erste von vier Fragen, welche laut Immanuel Kant die Philosophie stellt, um das Welt- und Selbstverständnis des Menschen zu klären. Indes verlor die Philosophie nach und nach vor allem im 19. Jahrhundert ihre Themen an die erfolgreich forschenden Einzelwissenschaften. Immer wieder stand daher eine Selbstvergewisserung der Philosophie als wissenschaftlicher Disziplin auf der Tagesordnung. Was bleibt ihr noch zu erforschen im Ganzen des Seienden und was können Philosophen eigentlich wissen? Die Frage ist wichtig genug, um es zu begrüßen, wenn einer der erfahrensten Philosophen im Land sie zu beantworten versucht. Und Herbert Schnädelbach, der zuletzt in Berlin lehrte, wagt wirklich Antworten, statt allein den Gestus des Fragens zu kultivieren, wie sehr auch immer die Philosophie eine „Kultur der Nachdenklichkeit“ und eine Kunst des Fragens sein möchte.
Wenn es darum geht zu bestimmen, was Philosophen wissen, ist ein angemessenes Verständnis des Wissensbegriffs erforderlich. In diesem Zusammenhang lässt der Autor einen seiner historischen Lieblingsgegner die Bühne betreten, der im Verlauf der Darstellung noch häufiger herbeizitiert wird: René Descartes. Der neuzeitliche Rationalist wird gleich mehrfach als Begründer des ‚mentalistischen‘ Paradigmas der Philosophie vorgestellt. Jedes Mal, wenn Descartes erwähnt wird, dann um zu zeigen, dass wir Philosophen von heute vieles längst besser wissen als unser in der Enge seines Bewusstseins befangener und dennoch so anspruchsvoller französischer Vorgänger. So auch im Falle des Wissensbegriffs. „Das cartesianische Systemideal, das das philosophische Selbstverständnis bis weit ins 20. Jahrhundert dominierte, erweist sich im Rückblick als der Ursprung völlig überzogener Wissensansprüche“.
Bescheidener soll es also zugehen, soviel ist klar und deutlich. Das instruktive Schlusskapitel zur analytischen Philosophie im 20. Jahrhundert weist dann auch darauf hin, wie der klassischen Systemkonstruktion in der gegenwärtigen wissenschaftlich-analytischen Forschungspraxis eine Orientierung an Einzelproblemen gegenübergestellt wird. Das allein wiederum wäre ebenso einseitig. Daher betont Herbert Schnädelbach zugleich den ganzheitlichen Charakter wissenschaftlichen Wissens und erinnert daran, wie mit dem empiristischen Holismus Willard Van Orman Quines eine ganze Tradition analytischer Philosophie ein Ende gefunden habe.
„Cartesianisches Systemideal“, „mentalistisches Paradigma der Philosophie“, „empiristischer Holismus“. Der Verfasser lässt überhaupt keinen Zweifel daran aufkommen, wem er mit seinem Buch keine Konkurrenz machen möchte: den sprachlich flott geschriebenen, populären Philosophiebüchern mit Publikumserfolg. Hatte nicht schon David Hume einmal geschrieben, dass alle wirklich guten philosophischen Werke beim Lesepublikum durchfallen, um gleich darauf seinem Freund Adam Smith mit tiefem Bedauern zu eröffnen, dessen gerade in London erschienenes Buch habe leider großen Erfolg?
„Was Philosophen wissen“ ist ein Buch aus dem philosophischen Seminar für das philosophische Seminar. Das ist zweifellos eine sinnvolle Zweckbestimmung. Der lange und wirkungsvoll als Professor für Philosophie an Universitäten in Frankfurt am Main, Hamburg und Berlin Lehrende führt die Leser souverän durch die historisch und sachlich verzweigten Grundprobleme der Erkenntnis, der Sprache, des Selbstbewusstseins oder des Handelns. Am Ende eines Kapitels hält er jeweils inne, um das bis dato erlangte Wissen der Philosophen in Stein zu meißeln.
Zugegeben, das ist zuweilen ein ziemlich formaler, beinahe dürftig zu nennender Grundbestand an Konsensfähigem, zum Beispiel wenn es heißt, Philosophen können wissen, „dass ‚Handeln‘ ein komplexer, analysierbarer Begriff“ sei. Zur weiteren Differenzierung dienen diverse handlungstheoretische Typologien, die von Aristoteles oder Hannah Arendt, von Jürgen Habermas oder Max Weber stammen können. Aber damit ist der Bereich des einhellig zustimmungsfähigen Wissens auch schon überschritten. Einmal muss der Lehrer der Philosophie sogar passen: In der langen Debatte über Wahlfreiheit und Determinismus weiß der Verfasser von keinem Wissenskonsens unter Philosophen zu berichten.
Zumeist aber scheinen Philosophen vor allem zu wissen, dass andere Philosophen falschgelegen haben. „Der Weg zur Wahrheit führt in der Regel über den Ausschluss des Irrtums“. Dieser methodische Grundgedanke wird zur Lizenz, Irrtümer, Ungereimtheiten und „Rückfälle“ der Philosophen in der Geschichte des abendländischen Denkens akribisch vorzuführen. Seit Sokrates haben sich Philosophen einen Spaß daraus gemacht, zu zerpflücken, was andere zu wissen meinten. Was Aristoteles über den Zeichengebrauch, Descartes und Fichte über das Ich oder Schopenhauer zur Theorie des Selbstbewusstseins geschrieben haben: alles falsch. Was Philosophen wissen, müssen sie offenbar besser wissen. Methodisch mag der Fallibilismus Erkenntnisfortschritte befördern. Er liest sich nur leider oft wie Besserwisserei, zumal, wenn der Leser ohne britischen Humor auskommen muss.
Historisch sensible Deutungen sehen jedenfalls anders aus. Aber der Verfasser erblickt in dem viele Jahrzehnte in Deutschland vorherrschenden historisch-hermeneutischen Paradigma der Philosophie ohnehin nur eine Kapitulationsform philosophischen Denkens als wissenschaftlicher Disziplin, oder eine Krankheit: den Morbus hermeneuticus. Seine Führungen durch die philosophische Vergangenheit wollen Irrwege kenntlich machen, um so einen Erkenntnisfortschritt zu erzielen oder wenigstens Rückfälle hinter bereits erreichte Standards zu vermeiden. Oder sie wollen „Vorläufer“ ausfindig machen. Durchweg werden Urteile gesprochen, zupackend, frank und frei wie ein Dante Alighieri, der in seiner „Göttlichen Komödie“ souverän die Plätze in der Hölle und im Paradies anweist. Immanuel Kant hat bestanden, er taugt als Vorläufer sowohl in der theoretischen als auch in der praktischen Philosophie. Aristoteles erhält in der Handlungslehre ein Gut, in der Sprachphilosophie leider nur ein Mangelhaft. Hegel und Nietzsche fallen durch.
Das ist eine mögliche Sicht der Dinge; eine Perspektive, worauf es in der Philosophie ankommt und welche Bedeutung das Studium der Geschichte des Denkens für uns haben kann. Herbert Schnädelbach versteht es, sie dem Leser argumentativ in aller Klarheit und gespickt mit gut dosierter Gelehrsamkeit zu präsentieren. Durch das Werk mit seinem drängenden und emphatisch vorgetragenen Anspruch, festzuhalten, was Philosophen wirklich wissen können, schimmert indes neben dem Selbstbehauptungswillen eines gekränkten Faches, dessen Vertreter auch etwas wissen, noch eine ganz andere Problematik hindurch.
Vielleicht ist es gar nicht der Grundkurs in Philosophie, den der Klappentext verspricht, nicht eine weitere Einführung in die Philosophie für Erstsemester und solche, die sich auf ähnliche Weise belehren lassen möchten. Wie wäre es, wenn man das Buch als einen musterhaften Kanon für demnächst zu reformierende philosophische Bachelor-Studiengänge liest und sich vorstellt, es würde als Sentenzensammlung des Wissens der Philosophen verbindlich gemacht? Für die Philosophie nicht nur als fröhliche Wissenschaft hätte dann die Stunde geschlagen. Es ereilte sie das Schicksal einer finalen Disziplinierung.
Herbert Schnädelbach geht mit seinem Buch im impliziten Prozess der Standardisierung und dogmatischen Kanonisierung philosophischen Wissens im Rahmen der Bologna-Refom in die öffentliche Offensive. Gelänge es ihm, eine Debatte darüber zu intensivieren, was ein Studium der Philosophie im modularisierten Bologna-Zeitalter sein kann, hätte das Buch einen wertvollen Dienst geleistet. Am Ende könnte es dann ja doch wieder thematisch vielfältig, argumentativ durchaus anspruchsvoll, doch weniger eng modularisiert zugehen – wie in der guten, noch gar nicht so alten Zeit. So gesehen, ist es ein gutes Zeichen, dass der Autor, wo er in seinem Buch von Freiheit spricht, von keinem Konsens unter Philosophen zu berichten weiß.
DIRK LÜDDECKE
HERBERT SCHNÄDELBACH: Was Philosophen wissen und was man von ihnen lernen kann. Verlag C. H. Beck, München 2012. 237 Seiten, 19,95 Euro.  
Der Autor meint es ernst, den
munter-flotten Philosophiebüchern
will er nicht Konkurrenz machen
Kant hat bestanden, Aristoteles
zumindest halbwegs –
Hegel und Nietzsche fallen durch
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Alexander Cammann lernt gern von Herbert Schnädelbach "Was Philosophen wissen". In vierzehn Kapiteln durchschreite Schnädelbach dabei Themenfelder von Subjekt-Objekt-Spaltung bis zum Zusammenhang von Rationalität und Emotionalität. Der Rezensent räumt zwar ein, dass er nicht jedem Gedankengang sofort immer gleich gut folgen konnte, aber er hat gerne hin und wieder ein paar Seiten zurückgeblättert, um sich von Schnädelbach belehren zu lassen. Am Ende verstehe man ihn dann meistens doch - Unerfahreneren rät Cammann allerdings von dem Buch ab. Nach der Lektüre sieht sich der Rezensent darin bekräftigt, dass die Philosophie gar nicht in der Krise stecke, in der sie viele heutzutage vermuten. Stattdessen teile sie mit den anderen Wissenschaften die Probleme einer immer größeren Spezialisierung und Komplexität. Menschen, die sich für das Nachdenken begeistern können, legt Alexander Cammann die Auseinandersetzung Schnädelbachs mit den großen Denkern und Ideen auf jeden Fall ans Herz.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.04.2012

Nur nicht die Sackgassen verachten!

Woran sich nach manchen Irrwegen gar nicht rütteln lässt: Herbert Schnädelbach erläutert Einsichten, die wir den Philosophen getrost abnehmen können.

Werden philosophische (oder philosophierende) Bücher einmal zu Publikumserfolgen, dann in der Regel solche, die jenseits der akademischen Diskussionen Orientierung im Leben versprechen. Es sind, mit anderen Worten, Werke, die der Erwartung zu entsprechen versuchen, dass etwas Brauchbares für das Verständnis unserer Welt doch herauskommen müsste, sobald Menschen ihr Berufsleben mit dem Nachdenken über Grundsätzliches verbringen. Fachphilosophen sind dann gern verärgert, wenn Autoren, die den wissenschaftlichen Ansprüchen der Disziplin nicht einmal genügen wollen, das Wasser philosophischen Sinnversprechens auf ihre Mühlen lenken. Sie scheinen diesen Wasserabgräbern aber nicht viel entgegensetzen zu können, weil es ja gerade ihre Kenntnis des philosophischen Reflexionsstands ist, die sie daran hindert, vollmundige Antworten auf Lebensfragen zu geben.

So hat sich eine eigenartige Kluft zwischen dem Interesse an der Philosophie und dem Interesse der Philosophie gebildet. Wenn nun ein hochangesehener Vertreter der Zunft wie der Berliner Emeritus Herbert Schnädelbach ein Buch mit dem Titel "Was Philosophen wissen" vorlegt, könnte man dies als einen Versuch verstehen, besagte Kluft zu verringern - als Bestandsaufnahme, als eine Art Leistungsschau, die den lebensweltlichen Orientierungsbedürfnissen von uns Nichtphilosophen mit einem handfesten, abgesicherten "philosophischen Wissen" begegnet. Doch wäre dies ein Missverständnis.

Zwar reagiert Schnädelbach auf die Diskrepanz zwischen dem gewissermaßen vorphilosophischen philosophischen Interesse und dem Interesse an der Philosophie als Fach. Nicht ganz ohne Wehmut, scheint es, skizziert er dessen Zustand als einen nach den Großordinarien und Meisterdenkern von Heidegger über Adorno bis Popper, die in den Augen der Jüngeren heute eher als "Universaldilettanten" gälten - ein Reflex, wie der Autor feststellt, der sich nicht zuletzt einer veränderten, nunmehr themen- statt personenorientierten Wissenschaftsförderung verdankt. Die damit einhergehende Verwissenschaftlichung begrüßt Schnädelbach gleichwohl uneingeschränkt. Sie ist, selbst wenn sie nicht das Ganze einer ja auch dialogisch-sokratischen Form von Aufklärung ausmacht, die Voraussetzung dafür, dass die Philosophie Standards entwickeln kann, die den Ansprüchen unserer wissenschaftlich-technischen Welt genügen. Den Preis, den sie dafür zu zahlen hat - kaum noch unmittelbar auf die von außen an sie herangetragenen Bedürfnisse zu antworten -, ist für Schnädelbach denn auch eher einem objektiven Dilemma geschuldet als einem Versäumnis der Zunft.

Was der Autor hier auszubreiten unternimmt, ist also ein wissenschaftlich haltbares Wissen, eines, das in gerechtfertigten wahren Überzeugungen besteht, die sich ihrer möglichen Hinfälligkeit bewusst sind, aber doch bislang durch keine besseren Argumente überboten wurden. Aus Kompetenzgründen beschränkt sich Schnädelbach auf die theoretische Philosophie, eine Weichenstellung, die nicht ohne Folgen für die Auskunftskraft seines Buches bleiben wird. In vierzehn Kapiteln nimmt er sich jeweils einen Grundbegriff oder ein Themenfeld vor, dessen historische Entwicklung er knapp, aber stupend gelehrt vorführt, um sie bis zu jener Sachlage, zu jener Problemkonstellation zu verfolgen, die heute als "Wissensstand" gelten kann. Sinn und Bedeutung, Denken und Sprechen, Subjekt und Objekt, Selbstbewusstsein, Werte und Normen, der Begriff der Handlung und der der Vernunft sind einige der so behandelten klassischen Themen.

Diese in der Anlage überzeugende Verbindung von systematischer und historischer Perspektive nimmt ihren Ausgang bei der Frage nach der Wissenschaftlichkeit der Philosophie. Schnädelbach zeichnet nach, wie sich die Philosophie in ihrem modernen Aufschwung zunächst selbst als Ober- und Überwissenschaft verstand, als metaphysische Garantin und Sachwalterin dessen, was gewisses Wissen überhaupt sei, von Descartes bis Hegel - nur um den Konkurrenzkampf gegen die sich gleichzeitig entfaltenden empirischen Naturwissenschaften mit Aplomb zu verlieren. Nachdem diese die Definitionshoheit in Sachen ernstzunehmender Erkenntnis übernommen hatten, stellte sich im Gegenzug die Frage, wie es denn um die diesbezüglichen Ansprüche der Philosophie bestellt sei. Von hier aus entwickelte sich, in entschiedener Verkürzung gesprochen, ihre von Schnädelbach geschätzte nichtmetaphysische Gestalt. Sie hat dem Geist absoluter Wirklichkeitserkenntnis der großen Systeme abgeschworen und gelangt vielmehr in einer experimentellen, vorläufigen, gleichwohl methodisch-systematischen Weise von einzelnen Fragen aus zu Überzeugungen über die Strukturen unseres Denkens, Handelns und Erkennens.

Wie aber ist es um die Einsichten bestellt, die man mit diesem Modell von Philosophie gewinnen und getrost als "Wissen" nach Hause tragen kann? Es handelt sich dabei um Erkenntnisse wie die, dass man den Sinn oder die Bedeutung eines Ausdrucks nicht mit dem Gegenstand, auf den er sich bezieht, verwechseln darf. So zugewuchert und verschlungen die sprachphilosophischen Wege sind, die bis an diesen Punkt führten, so wenig erhaben wird man die Aussicht nennen wollen. Auch die alte Frage nach der Möglichkeit und den Grenzen der Erkenntnis mündet in einen Befund, von dem niemand lange wird zehren wollen: "Die Philosophen können somit wirklich wissen, dass die Schemata ,Subjekt und Objekt' oder ,Bewusstsein und Gegenstand' irreführend und das Resultat einer Deutung von Erkenntnis auf der Grundlage von systematischen Vorurteilen sind, die sich in einer genaueren Analyse als uralte Irrtümer erweisen lassen."

Dies sind kaum die Ergebnisse, die jemanden zu einem Studium der Philosophie animieren, in dessen Rahmen man sich die hier ausgebreiteten Wissensbestände zweifellos aneignen sollte. Unendlich viel interessanter erscheinen ja schon in Schnädelbachs eigener Darstellung die argumentativen Wege, die zu ihnen geführt haben, der Nachvollzug von Sackgassen und Irrwegen, so plausibel sich diese auch einmal dargestellt haben mögen. Was also als profunder Überblick über die theoretische Philosophie für den zumindest etwas vorgebildeten Leser dienen kann, antwortet eher nicht auf die neugierigen Erwartungen, die sich von außen an das Fach richten.

Es ist überhaupt die Frage, ob sich die Unterstellung des Autors, das Publikum verlange von der Philosophie endlich einmal festen Boden unter den Füßen, nicht womöglich ebenfalls als ein uralter Irrtum erweisen ließe - als eine Wahrnehmungsverzerrung speziell der theoretischen Philosophie. Verlangt die Neugier der Nichtphilosophen nicht eher nach instruktiven Interventionen als nach "Gültigem"? Nach einer kritischen Aufklärung von Überzeugungen, Normen und Selbstbildern, die wir in unseren Köpfen bequem mit uns herumtragen, obwohl sie womöglich gar nicht unter einen Hut passen? Oder gar nach Beschreibungen, die es uns ermöglichen, uns selbst und die Welt in einem anderen Licht zu sehen?

So gesehen, würde sich beispielsweise das große Echo auf die Bestreitung der Willensfreiheit durch manche Hirnforscher als ein verkappt philosophisches Interesse verstehen lassen: ein Interesse zumindest an einer frischen, auf den neuesten Stand gebrachten, die skeptischen Schlussfolgerungen beherzt aufnehmenden allgemeinverständlichen Darstellung der Konzepte von Willensfreiheit, Verantwortung und Schuldfähigkeit. Die philosophische Fachwelt zog es aber vielfach vor, mit dem verschnupften Hinweis auf ihre Expertise in diesen Dingen zu reagieren, die man nicht zur Kenntnis genommen habe - eine Haltung, mit der auch Schnädelbach zumindest flirtet. So zeigt sein lehrreiches Buch über die exzellente Darstellung philosophischer Denkwege hinaus vor allem eines: Was Philosophen wissen und was man von ihnen lernen kann, das sind womöglich zwei recht verschiedene Paar Schuhe.

MICHAEL ADRIAN

Herbert Schnädelbach: "Was Philosophen wissen und was man von ihnen lernen kann".

Verlag C. H. Beck, München 2012. 237 S., geb., 19,95 [Euro].

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