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Die europäische Geschichte zwischen Reformation und Westfälischem Frieden ist eine Phase konfessioneller Spannungen, die sich in ganz Europa zu politisch-militärischen Konflikten ausweiteten. In diesem Zeitraum veränderte sich der Kontinent auch in sozialwirtschaftlicher Hinsicht erheblich: Mit dem Beginn der europäischen Expansion griff Europa geografisch über seinen eigenen Horizont hinaus. Diese Phase der europäischen Geschichte stand deshalb in der Spannung zwischen Tradition und Erneuerung.

Produktbeschreibung
Die europäische Geschichte zwischen Reformation und Westfälischem Frieden ist eine Phase konfessioneller Spannungen, die sich in ganz Europa zu politisch-militärischen Konflikten ausweiteten. In diesem Zeitraum veränderte sich der Kontinent auch in sozialwirtschaftlicher Hinsicht erheblich: Mit dem Beginn der europäischen Expansion griff Europa geografisch über seinen eigenen Horizont hinaus. Diese Phase der europäischen Geschichte stand deshalb in der Spannung zwischen Tradition und Erneuerung.
Autorenporträt
Luise Schorn-Schütte ist Professorin für Neuere Geschichte an der Universität Frankfurt/M. Buchveröffentlichungen u. a. in der Reihe C.H. Beck Wissen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.02.2011

Hat unser Kontinent eine
Vorstellung von sich selbst?
In der neuen „C. H. Beck Geschichte Europas“
bläst keiner mehr die Abendlandstrompete
Ein neues europäisches Geschichtswerk – wer wollte es nicht loben? Aber kaum hat man einverständig genickt, beginnen schon die Fragen. Die alten Grenzen, die Europa einteilen, werden überschritten, aber was erwartet den Leser hinter diesen Grenzen? Ein anderer Staat, ein anderer Kultur- oder Wirtschaftsraum, aber ein verwandter doch wohl. Was macht diese Verwandtschaft aus? Was ist europäisch? Und wenn die traditionell nationalstaatlichen Geschichtswerke über die Grenzen schauen sollen, um Einflüsse festzustellen und im Vergleich das Spezifische zu erkennen – müsste dann nicht eine Geschichte Europas das Gleiche auf höherer Ebene tun, den arabischen Raum, Mittel- und Fernost bedenken, von Afrika ganz zu schweigen?
Die neue „C. H. Beck Geschichte Europas“ stellt Europa nicht in einen globalen Zusammenhang, zumindest nicht in den ersten drei Bänden, die erschienen sind. In diesem Frühjahr werden weitere Bände dieser Taschenbuchreihe herauskommen, die auf zehn Bände angelegt ist und 2013 abgeschlossen sein soll. In den vorliegenden Bänden behandeln Luise Schorn-Schütte „Konfessionskriege und europäische Expansion (1500-1648)“, Andreas Fahrmeir „Revolutionen und Reformen (1789-1850)“ und Hartmut Leppin „Das Erbe der Antike“.
Ob Regie oder Zufall: Jedenfalls die beiden erstgenannten Bände sind bestens geeignet, nach der Sonderrolle unseres Kontinents zu fragen. Gern wird ja derzeit behauptet, es fehle der islamischen Welt (die zwar eine europäische Dependance hat, von Europa aber wohl zu unterscheiden ist) eine Reformation. Ist die Reformation also etwas genuin Europäisches, hat sie jene Art der Modernität heraufzuführen geholfen, die sich spätestens im 19. Jahrhundert die Welt unterwarf? Hier bleibt der Band von Luise Schorn-Schütte, die in Frankfurt am Main lehrt, über die Konfessionskriege auf charakteristische Weise karg.
Schorn-Schütte hat sich vorgenommen, „den in sich abgeschlossenen Charakter der Frühen Neuzeit zu beschreiben“, von einem Fortschrittsprozess zu reden interessiert sie weniger, auch wenn Momente der Protodemokratie, der ständischen Partizipation an Herrschaft, recht stark betont werden. Nun mag man viel Sympathie haben für eine Historiographie, die sich geschichtsphilosophisch zurückhält, die nicht Noten für Fort- und Rückschrittlichkeit verteilt. Aber über Wirkungen, auch langanhaltende Wirkungen zu reden, das ist noch nicht Spekulation oder Phantasterei; Wirkungen gehören zu Ereignissen. Davon zu schweigen und sich auf das Ausmalen eines „in sich abgeschlossenen Charakters“ zu beschränken, das ist doch recht mutlos.
Nun fällt Schorn-Schüttes Buch auch durch ein gewisses Desinteresse an den religiösen und konfessionellen Fragen auf. Schon der Titel deutet eine solche Zurückhaltung an. Von Reformation, was ja nahegelegen hätte, ist nicht die Rede. Der Leser wird nicht getäuscht, aber auch nicht zufriedengestellt. Was soll uns wohl interessieren, wenn nicht der Einfluss des Glaubens auf Politik und Gesellschaft? Dabei zweifelt Schorn-Schütte nicht an der Kraft religiöser Überzeugungen, an der „gesellschaftlich mobilisierenden Wirkung religiöser Wahrnehmungs- und Deutungsschemata“. Dem Dreißigjährigen Krieg gesteht sie für die erste Phase genuin konfessionelle Kriegsgründe zu. Aber die Reihe will sich in geistes- oder ideengeschichtlichen Fragen offenbar zurückhalten.
Man spürt dies auch in dem Kapitel über die Entdeckungen und frühe Kolonialbildung. Selbstverständlich ist es ja nicht, so weit auszugreifen, wie es die großen Seefahrer taten. Andere Hochkulturen haben das nicht gemacht. Warum Europa? Macht- und Beutegier sind eines. Doch daneben treten ja bald scharfsinnige Überlegungen zum begrenzten Recht der Eroberer gegenüber der neuen Welt. Man will missionieren, aber es gibt Missionare, die sich für die fremden Völker nicht allein strategisch interessieren. Ihre Forschungen zu Sprache und Kultur hat Friedrich Meinecke in die Frühgeschichte des Historismus eingefügt. Liegt darin eine Offenheit, die Europa vor anderen Kulturräumen auszeichnet? Schorn-Schütte spricht darüber nur sehr knapp. Sie muss allerdings auch, das sei zugestanden, eine gewaltige Stoffmasse in einen schmalen Band zwingen.
Das ist auch das Problem von Andreas Fahrmeir, der sich „Revolutionen und Reformen (1789-1850)“ widmet. Fahrmeir, ebenfalls Professor in Frankfurt am Main, hat sich mit gesellschaftsgeschichtlichen Studien vor allem zum Bürgertum hervorgetan, das merkt man seinem neuen Buch an; es befasst sich mehr mit Fragen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung als mit denen der Revolutionen. Fahrmeir ist streckenweise witzig bis brillant, dann auch wieder etwas umständlich im Nominalstil. Stärker als Schorn-Schütte gelingt es ihm, den Stoff unter leitenden Fragen zu ordnen, wenn er etwa fragt, was die Industrialisierung ausgelöst hat: Fahrmeir nennt neben dem technischen Fortschritt die Ressourcen der Kolonien, die im Mutterland Kapazitäten für die industrielle Produktion freisetzte, und vor allem die industrious revolution, die Fleißrevolution, die Arbeitskräfte freisetzte, die zuvor in der Subsistenzwirtschaft oder in den ausgedehnten Freizeitspäßen der frühen Neuzeit steckten.
Die Geschichte der Revolutionen hat Fahrmeir weniger klar angelegt. Wie bei Schorn-Schütte wirbeln die Details doch gelegentlich wild umeinander. Das ist bei der Knappheit verständlich, es fehlt der Platz, die Linien deutlicher auszuziehen, Wichtiges durch Anschaulichkeit hervorzuheben. Aber es ist auch ein konzeptionelles Problem. Die Geschichtswissenschaft steht immer in der Gefahr der Vielwisserei, und je weiter ihr Feld gesteckt ist, desto größer ist diese Gefahr. Im Falle einer europäischen Geschichte ist es die Vielzahl der Staaten, Herrschaften, Regionen, die zu berücksichtigen sind und, nach erfolgter Berücksichtigung, den Leser zuletzt verwirrt zurücklassen.
Würde er etwas stärker ideengeschichtlich orientiert, löste sich das Problem wohl. Denn was Europa gemeinsam ist, das ist die Ideengeschichte, ihre Probleme werden grenzüberschreitend erörtert. Dass die neue Beck’sche Geschichte Europas darauf recht wenig Wert legt, das zeigt wohl, wie stark die europäische Idee sich verdünnt hat. Bei allen Vorzügen, die die beiden Autoren für sich reklamieren dürfen: Was ihren Gegenstand eigentlich ausmacht, das trauen sie sich nicht auszusprechen, vielleicht auch nicht zu denken: Europa ohne Vorstellung von sich selbst.
Da geht der dritte Autor, Hartmut Leppin, beherzter zur Sache. Dabei ist sein Thema, „Das Erbe der Antike“, noch ausgedehnter als das der Kollegen: Griechenland und Rom sind zu behandeln, es wird ein Blick auf Ägypten und die vorderasiatischen Reiche geworfen, und auch das Judentum kommt zu seinem Recht. Aber Leppin hat den Stoff überlegen geordnet. Seine leitenden Gedanken heißen „Freiheit“, „Imperium“, „wahrer Glaube“; unter ihnen stellt er die frühe und klassische griechische Geschichte, darauf Hellenismus und Rom und zuletzt die Spätantike dar. Die Wahl dieser Gesichtspunkte ist nicht spektakulär; aber die Umsicht, mit der Leppin die chronologische und thematisch-systematische Darstellung verknüpft, kann man nur bewundern.
Leppin (ebenfalls Professor in Frankfurt, aber diese Frankfurt-Ballung, so wird versichert, ist Zufall) stellt die Fragen, die heute interessieren: Hatten die Griechen so etwas wie eine Identität? Was machte Freiheit für sie aus? Waren die hellenistischen Reiche Beispiel des Multikulturalismus? Oder gab es so etwas wie eine griechische Leitkultur? Kannte die alte Welt religiöse Toleranz? Leppin antwortet darauf vorsichtig, aber er antwortet. Zur Frage der Identität: Die Griechen lebten in klassischer Zeit aus der Loyalität zu ihrer Polis, ihrem Stadtstaat, aber ein gesamtgriechisches Zusammengehörigkeitsgefühl gab es durchaus. Man wusste, wer an den großen Wettkämpfen in Olympia oder Delphi teilnehmen durfte: nicht nur die Griechen des Mutterlandes, sondern auch die der Pflanzstädte, sofern sie nach Kultus, Sprache und Gebräuchen Griechen waren; auch die Bürgerrechte waren ethnizistisch begründet.
Freiheit, das bedeutet mehr die Teilhabe am Staat als Unabhängigkeit von ihm, zumindest in klassischer Zeit. Später änderte sich das. Ohne dass die Abendlandstrompete geblasen würde, sieht der Leser: Das sind seine Probleme. Leppins Absicht ist es nicht, die politische Diskussion des Tages mit historischen Girlanden zu umhängen. Aber weil er als unser Zeitgenosse seinen Gegenstand befragt, wird schärfer sichtbar, was die antike Welt und auch uns ausmacht, die wir (wenn auch nicht als Einzige) in der Antike „unsere Traditionen wiederfinden“.
Die Rolle des klassischen Altertums für die historische Bildung ist in den letzten Jahrzehnten reduziert worden. Die vor fünfzig Jahren erschienene „Propyläen Weltgeschichte“ widmete von zehn Bänden noch zwei Griechenland und Rom, zwei weitere der Vorgeschichte und den frühen Hochkulturen des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens. Jetzt muss in einem allein Europa gewidmeten Sammelwerk ein einzelner Band von zehn Auskunft geben über die Alte Welt. Und doch ist es der Band, der bisher am ehesten einen Eindruck von Europa und uns selbst verschafft. STEPHAN SPEICHER
HARTMUT LEPPIN: Das Erbe der Antike. Verlag C. H. Beck, München 2010. 288 Seiten, 14,95 Euro.
ANDREAS FAHRMEIR: Revolutionen und Reformen. Europa 1789-1850. Verlag C. H. Beck, München 2010. 304 Seiten, 14,95 Euro.
LUISE SCHORN-SCHÜTTE: Konfessionskriege und europäische Expansion. Europa 1500-1648. Verlag C. H. Beck, München 2010. 276 Seiten, 14,95 Euro.
Revolutionen und Reformen:
Das Europa-Geschichtswerk
ist auf zehn Bände angelegt
Protodemokratie? Man will
keine Noten mehr für Fort- und
Rückschrittlichkeit verteilen
Historiker neigen zur Vielwisserei
– aber hier werden die Fragen
unserer Gegenwart verhandelt
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Zurückhaltung, die sich die neue Beck-Reihe zur europäischen Geschichte bei geistes- und ideengeschichtlichen Überlegungen offenbar auferlegt hat, stößt bei Stephan Speicher auf Enttäuschung. Von den drei Auftaktbänden der auf zehn Bände angelegten Reihe hat ihm Luise Schorn-Schüttes Buch "Konfessionskriege und europäische Expansion" am wenigsten zugesagt. Dass die Autorin sich an die Frage, ob die Reformation als "genuin" europäisch gelten muss und wenn ja warum, gar nicht erst herantraut und die Neuzeit lieber isoliert denn als etwas in sich Abgeschlossenes betrachtet, scheint dem Rezensenten "mutlos". Zudem beschwert er sich über mangelndes Interesse an religiösen und konfessionellen Zusammenhängen. Genauso hätte er sich auch bei der Behandlung der Seefahrt und den Kolonien Gedanken zum für europäische Mächte auffälligen Ausgriff auf weit entfernte Gebiete gewünscht, die bei anderen Hochkulturen in dieser Form immerhin nicht vorkamen, wie Speicher zu bedenken gibt.

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