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Italienischer, Französischer oder Englischer Garten, erhabene Wildnis oder geschützte Natur, Heide, Wald oder Gebirge: alles ist Landschaft. Es gibt sogar Mondlandschaft, Stadtlandschaft oder Wohnlandschaft. Anders als zu Natur, die besteht und vergeht, ob wir sie wahrnehmen oder nicht, gehört zu Landschaft stets auch Reflexion. Wenn wir Landschaft sehen, interpretieren wir sie. Wichtig sind die Metaphern, Stimmungen und gedanklichen Zusammenhänge, die wir mit dem Eindruck einer Gegend verbinden. Dennoch gibt es keine Landschaft, in der ausschließlich Elemente der Kultur vorkommen. Selbst in…mehr

Produktbeschreibung
Italienischer, Französischer oder Englischer Garten, erhabene Wildnis oder geschützte Natur, Heide, Wald oder Gebirge: alles ist Landschaft. Es gibt sogar Mondlandschaft, Stadtlandschaft oder Wohnlandschaft.
Anders als zu Natur, die besteht und vergeht, ob wir sie wahrnehmen oder nicht, gehört zu Landschaft stets auch Reflexion. Wenn wir Landschaft sehen, interpretieren wir sie. Wichtig sind die Metaphern, Stimmungen und gedanklichen Zusammenhänge, die wir mit dem Eindruck einer Gegend verbinden. Dennoch gibt es keine Landschaft, in der ausschließlich Elemente der Kultur vorkommen. Selbst in der durch und durch gestalteten Landschaft einer Stadt oder eines Parks sind noch natürliche Einflüsse wirksam. Und doch ist Landschaft niemals das gleiche wie Natur. Für den Pflanzenökologen Hansjörg Küster ist sie ein in Jahrtausenden gewachsenes und weiter wachsendes Geschichtsbuch, das man lesen kann und an dem man weiter schreiben wird - als Landwirt, als Planer oder als einer, der Landschaft "nur" beobachtet und liebt.
Autorenporträt
Prof. Dr. rer. nat. Dr. rer. silv. habil. Hansjörg Küster, Jg. 1956, hat Biologie studiert. Nach langjähriger Tätigkeit an der Universität München ist er seit 1998 Professor für Pflanzenökologie am Institut für Geobotanik der Leibniz Universität Hannover. Seine Arbeitsgebiete sind vor allem Grundlagen von Ökologie und Landschaft sowie Landschaftsgeschichte; zu diesen Themen hat er mehrere Bücher geschrieben. Seit 2004 ist er ehrenamtlicher Präsident des Niedersächsischen Heimatbundes.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.02.2009

Tut man nichts, so ändert sich alles
Hansjörg Küster schreibt eine „Kleine Geschichte der Landschaft” und fühlt dem modernen Naturschutzgedanken gehörig auf den Zahn
Wer Hansjörg Küster liest oder hört, dem wächst eine ganz neue Dimension der Wahrnehmung zu. Wo er bisher nur Raum erblickte, da erschließt sich ihm auf einmal die Tiefe der Zeit. Schon in seinen umfangreicheren Werken „Geschichte des Waldes. Von der Urzeit bis zur Gegenwart” (2. Auflage 2008) und „Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa” (1995) hat der Pflanzenökologe aus Hannover die Augen dafür geöffnet, dass, was man für schlechterdings vorhanden hält oder der so schlichten wie sentimentalen Dichotomie jetzt / früher unterwirft, einen vielfach geschichteten historischen Blätterteig darstellt. Nun legt er einen schmaleren Band vor, dem er den leicht ironischen Titel gibt: „Schöne Aussichten. Kleine Geschichte der Landschaft.”
Landschaft, darum geht es, lässt sich keinesfalls gleichsetzen mit Natur. Der Unterschied beruht zunächst einmal auf einer ästhetischen Bewusstwerdung; und darum beginnt Küster seine Überlegungen mit dem berühmten Aufstieg Petrarcas auf den Mont Ventoux, bei dem der Humanist Landschaft erstmals erschuf, indem er anders blickte als bisher, nämlich nicht mehr unter dem Gesichtspunkt des Nützlichen oder Hinderlichen, und auf alles auf einmal. Aber es gibt noch einen anderen wichtigen Punkt. Natur ändert sich unablässig, Landschaft aber ist, was um seiner Schönheit willen stillgestellt werden soll. Hieraus folgt ein Paradox, das vor allem den Naturschutz betrifft: Tut man nichts, so ändert sich alles; will man das Vorhandene bewahren wie es ist, muss massiv eingegriffen werden.
Dieser Sachverhalt entspricht keineswegs dem Selbstverständnis der Naturschützer. (Die heutige Terminologie, die das Naturschutzgebiet und das Landschaftsschutzgebiet nach Intensität des Schutzgrades sondert, hält Küster für komplett irreführend.) Der Autor erläutert, was er meint, am Beispiel der Lüneburger Heide. Bis zum 18. Jahrhundert nahm man sie als eine Art Wüste wahr, wo die Reisekutschen im Sand steckenblieben und umfielen.
Dann begann man das Reizvolle ihrer Kargheit zu würdigen, welche man keineswegs als einen Endzustand der Übernutzung erkennen wollte, nachdem die Wälder in den Öfen der Lüneburger Salzsieder verschwunden waren und nichts mehr hochkam, außer was selbst für die Heidschnucken zu zäh war, Erika und Wacholder.
Schöne Armut
Man gedachte vielmehr etwas Ursprüngliches gegen die um sich greifende Hässlichkeit zu verteidigen. Als hässlich erschien, dass der Boden dank des nunmehr verfügbaren Kunstdüngers wieder ertragreicher wurde und Äcker angelegt werden konnten; damit verschwand auch die erbärmliche Armut der Heidebewohner. Wer zieht hier die Bilanz von Gewinn und Verlust?
Küster fühlt dem modernen Naturschutzgedanken, der nun sogar Miene macht, Verfassungsrang zu erlangen, nachdrücklich auf den Zahn. Er hält es für keinen Zufall, dass es gerade die Nazis waren, die gleich nach 1933 ein im Wesentlichen bis heute bestehendes „Reichsnaturschutzgesetz” verabschiedeten; die totalitäre Deutungshoheit des Staates, was man sich unter einer deutschen Landschaft vorzustellen habe, sieht er in der Nähe der Rassengesetzgebung.
Ganz prinzipiell konstatiert er einen Mangel an Reflexion bei der oft sehr emotionalen und unduldsamen Behandlung des Themas. Wäre sonst, fragt er, so etwas möglich wie das Konzept der „Ausgleichsflächen”? „Da wird ein Flussarm zugeschüttet, um einen Industriebetrieb zu errichten. Damit dies aber ,erlaubt‘ sein kann, reißt man woanders einen Flussdeich nieder, um das Wasser in eine bisher eingedeichte Landschaft eindringen zu lassen. So zerstört man nicht nur eine, sondern gleich zwei Landschaften, um eine am einen Ort ,zerstörte Natur‘ andernorts vermeintlich ,wiederherzustellen‘”.
Küster will nicht sagen, man dürfe keine Deiche einreißen; nur dass man sich überlegen sollte, was man da eigentlich tut. Es gibt in Europa keinen unbezweifelbar hochwertigen Urzustand, alles Gelände ist seit Jahrtausenden unter dem Einfluss von Mensch und Klimawandel in beständigem Umbruch. Es gab, wie Küster auf einer Tagung einmal sehr eindrücklich dargelegt hat, an jedem Ort schon vieles – möglich ist dort aber zu jedem Zeitpunkt immer nur eins. Man muss sich also entscheiden, was man jetzt haben will. Küster schafft Platz für Fragen, wo es vorher bloß ein Gedrängel überstürzter Antworten gab. BURKHARD MÜLLER
HANSJÖRG KÜSTER: Schöne Aussichten. Kleine Geschichte der Landschaft. Verlag C.H. Beck, München 2009, 127 Seiten, 12 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.06.2009

Gespenster im deutschen Wald

Zum Thema Naturschutz gibt es, was die Details angeht, viele Meinungen, seine Notwendigkeit dürfte aber niemand abstreiten. Dabei liegt in den Begriffen Natur und Schutz ein unüberwindlicher Antagonismus. In der Natur gibt es keine Konstanten, vielmehr ist der Wandel ihre wesentliche Eigenschaft. Das Nachhaltigkeitsprinzip als Schlagwort der Naturschutzdebatten geht am Kern der Problematik vorbei, meint der Pflanzenökologe und Geobotaniker Hansjörg Küster: Es gebe keine "Normalzustände" des Klimas oder des Waldes, folglich werden Versuche, Stabilitäten herzustellen, zu einem Kampf gegen Windmühlen. Naturschutz leidet nach Ansicht Küsters zum einen an seiner Bezeichnung: Der Begriff Naturschutz führe zu grundlegenden Missverständnissen - als müsse da etwas in ewig unveränderter Form erhalten werden. Der andere große Mangel liege in einer fehlenden gemeinsamen Wissensbasis; man wisse im Grunde zu wenig über die Situation, von der alle reden.

Die Bewahrung liegt dem Menschen indes im Blut. Die erste Bevölkerungsexplosion der Menschheit verdankt sich dem Anbau von Kulturpflanzen und den Anfängen der Agrarlandschaft. Was den Menschen auszeichnet, ist die Überwindung der Wachstumsgrenzen, er schlägt Perioden der Stabilität in den unaufhaltsamen Wandel der Natur. Die Zivilisation wird das Erfolgsmodell, und sie ist, wie Hansjörg Küster so bestechend kurz wie konzise ausführt, eine Geschichte der Landschaft (Hansjörg Küster: "Schöne Aussichten". Kleine Geschichte der Landschaft. Verlag C.H. Beck, München 2009. 127 S., br., 7 Abb., 12,- [Euro]). Die Landschaft beschreibt Küster als ein in Jahrtausenden gewachsenes und weiter wachsendes Geschichtsbuch. In ihr verbinden sich historische, kulturelle und naturwissenschaftliche Perspektiven, kommen auch individuelle und kollektive Erinnerungsbilder ins Spiel.

In der Landschaft zu lesen schult eine Erkenntnisfähigkeit, die Zusammenhänge von einem erhöhten Blick aus gewinnt, der Distanz und Empfindung miteinander verbindet. Mit Petrarcas berühmter Besteigung des Mont Ventoux lässt Küster das Nachdenken über die Landschaft beginnen. Alles, was der Mensch in seiner Umgebung wahrnimmt und in einen Zusammenhang stellt, ist Landschaft. Diese Einsicht spiegelt sich im Kleinen auch in der Konzeption von Gärten wider, wo Terrassen, Torbögen und Hügel für veränderte Aussichten sorgen.

Hier werden Elemente der Natur und Elemente der Kultur in einer Zusammenschau sichtbar. Küsters Landschaftsgeschichte enthält so ganz nebenbei auch eine Wissenschaftskritik. Heute läge der Schwerpunkt zu Unrecht auf naturwissenschaftlichen Methoden. Eine adäquate Betrachtung des Phänomens Landschaft verlangt aber auch nach geisteswissenschaftlich geprägter Analyse, denn es ist maßgeblich von kulturellen Faktoren bestimmt.

Küster nimmt dabei vor allem Metaphern in den Blick, wie die der "guten alten Zeit", die es zu bewahren gilt. Das nostalgische Urbild des wilden deutschen Waldes wird zum Paradebeispiel für eine fehlgeleitete Überlieferung. Die vorgebliche Wildnis des Waldes war mitnichten der Urzustand der Landschaft. Seine Ausbreitung wurde vielmehr erst mit der Industrialisierung und den technischen Mitteln zur Aufforstung möglich. Nun will man den wilden Wald vor eben jener Industrie bewahren, die ihm erst das Wachsen ermöglicht hatte. Der Ökologe führt vor, wie leicht aus solch einer Fehlinterpretation der Zusammenhänge eine ideologische Figur werden kann. Die Erhabenheit der Wildnis wurde den Nationalsozialisten zum schützenswerten Gut, genauso wie die "deutsche Landschaft".

Wenn persönliche und subjektive Landschaftserlebnisse als Naturschutz dargestellt werden, ist dies eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Genau das macht ihn nach Küster interessant für totalitäres Denken. Der Naturschutz in seiner heutigen Form als Paradigma der Nachhaltigkeit habe seine Prägung nicht zuletzt im Dritten Reich erhalten. Bereits um 1900 wurde er als Ziel formuliert, bei dem es nicht um die Bewahrung dessen ging, was Natur eigentlich auszeichnet, nämlich Dynamik, sondern um die Schönheit von Landschaft, die sich nicht wandeln sollte.

Der Naturschutz war in seinen Ursprüngen ein rein kulturelles Anliegen, ohne jeglichen wissenschaftlichen Anspruch. Heute ist der einzige Konsens unter Naturschützern die Opposition gegen kommerzielle Ausbeutung. Die Zusammenhänge - zum Beispiel von Industrie und Natur - werden immer noch nicht hinreichend berücksichtigt. Küsters "Kleine Geschichte der Landschaft" ist eine lesenswerte Streitschrift für eine dringend notwendige Reformierung des Ökologieverständnisses, nicht nur für Experten, sondern für jeden, der um sich herum in die Landschaft schaut.

GESINE HINDEMITH

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit Gewinn hat Gesine Hindemith diese "kleine Geschichte der Landschaft" des Pflanzenökologen und Geobotanikers Hansjörg Küster gelesen. Erhellend findet sie Küsters Deutung der Zivilisation als eine Geschichte der Landschaft, in der sich historische, kulturelle und naturwissenschaftliche Perspektiven, Kultur und Natur, individuelle und kollektive Erinnerungsbilder verbinden. Auch die kritischen Überlegungen des Autors zum Umweltschutz und zur Dynamik der Natur scheinen ihr sehr instruktiv, gerade wenn es etwa um die bisher wenig erforschten Zusammenhänge von Industrie und Natur geht. Ihr Fazit: eine "lesenswerte Streitschrift für eine dringend notwendige Reformierung des Ökologieverständnisses".

© Perlentaucher Medien GmbH