24,95 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Der Machtmensch Richelieu war eine ebenso glanzvolle wie schillernde Gestalt des frühen Barock. Er hat Frankreich, das durch das Kräftespiel vieler Einzelinteressen zerrüttet war, zur Einheit gezwungen und in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges zur Vormacht der europäischen Nationen aufsteigen lassen. Seine Rivalen im Kampf um die Macht hat er aufs Schafott gebracht und seine Gegner gedemütigt. Doch seine Skrupellosigkeit, die er im Gewand des Geistlichen auslebte, und seine raffinierte Manipulation von Menschen und Medien, die unglaublich modern anmutet, diente stets seiner politischen…mehr

Produktbeschreibung
Der Machtmensch Richelieu war eine ebenso glanzvolle wie schillernde Gestalt des frühen Barock. Er hat Frankreich, das durch das Kräftespiel vieler Einzelinteressen zerrüttet war, zur Einheit gezwungen und in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges zur Vormacht der europäischen Nationen aufsteigen lassen. Seine Rivalen im Kampf um die Macht hat er aufs Schafott gebracht und seine Gegner gedemütigt. Doch seine Skrupellosigkeit, die er im Gewand des Geistlichen auslebte, und seine raffinierte Manipulation von Menschen und Medien, die unglaublich modern anmutet, diente stets seiner politischen Vision: alle Macht der Monarchie. So wurde er zum Wegbereiter des Absolutismus. Uwe Schultz zeigt in seiner spannenden Biographie Richelieus, der im Dienste Ludwigs XIII. je nach Opportunität auch frühere Gönner preisgab und mit dem Feind paktierte, die vielen Gesichter des dämonischen Kardinals.
Autorenporträt
Uwe Schultz, Dr. phil., war von 1976 bis 1994 Leiter der Hauptabteilung Kulturelles Wort beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt am Main. 1966 erhielt er den Kurt-Magnus-Preis der Deutschen Rundfunkanstalten, 1999 den Preis des deutsch-französischen Kulturrats für Essayistik. Er arbeitet heute freiberuflich in Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2009

In der Not kam der Kardinal auch durch die Seitentür

Ein europäischer Staatsmann von Format, der Frankreich einigte und die Habsburger das Fürchten lehrte: Uwe Schultz erzählt das Leben Richelieus.

Von Andreas Kilb

In seinem letzten Lebensjahr reiste er nur noch im Liegen. Musketiere säumten die Ufer der Rhone, auf der das Staatsschiff des Kardinals nach Norden glitt, gefolgt von Barkassen voller Höflinge und Kleriker und einem Gefängnisboot, auf dem ein todgeweihter, auf frischer Tat ertappter adliger Verschwörer saß. In seinem Schlafgemach diktierte Richelieu unablässig Briefe an die Kommandeure der Nord- und Südarmeen, um die Besetzung der Festung Sedan und die Einnahme Perpignans zu beschleunigen, empfing Kurierberichte aus Deutschland, wo die Schweden wieder einmal bei Breitenfeld die Kaiserlichen besiegt hatten, und bereitete die Instruktionen für die französischen Gesandten bei den Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück vor.

Zugleich entwarf er eine Art Ermächtigungsabkommen zwischen dem König und ihm selbst, in dem sich Ludwig der Dreizehnte verpflichtete, "zukünftig keinen Favoriten außer dem Gelingen der Staatsgeschäfte" zu haben, seinen Staatsrat vor Intrigen zu schützen und seinen Hof in regelmäßigen Abständen "von schlecht gesinnten Geistern zu reinigen". Zwei Monate lang zögerte der Monarch, dann gab er klein bei. Richelieu war allmächtig. Jetzt blieb ihm nur noch der Kampf um die Nachwelt. Drei Wochen später war er tot. Als sich die Nachricht in Frankreich verbreitete, wurden im ganzen Land Freudenfeuer angezündet.

In Deutschland, wo die Anbetung "großer" Politik und ihrer Erfinder im neunzehnten Jahrhundert wie eine Märzgrippe grassierte, blieb Richelieu dennoch eine Randfigur der Geschichtsschreibung. Ranke, Mommsen, später auch Spengler haben sein Verdienst um die Einigung Frankreichs gewürdigt, aber als Schöpfer des modernen Staatsgefüges trat er hinter Bismarck und Friedrich den Großen zurück. Diese Missachtung setzte sich in jüngerer Zeit fort, obwohl Carl Jacob Burckhardts dreiteilige Richelieu-Biographie, deren letzter Band 1967 erschien, zu ihrer Zeit ein populärgeschichtlicher Bestseller war. Aber die Zunftwissenschaft hat sich um den Kardinal des Königs wenig gekümmert. Die Deutungshoheit im Fall Richelieu, so scheint es, liegt jetzt bei Tanja Kinkel ("Die Schatten von La Rochelle") und den unverwüstlichen "Drei Musketieren" des Alexandre Dumas.

In Frankreich dagegen sind allein im letzten Vierteljahrhundert sechs neue Studien und Biographien erschienen. Uwe Schultz hat sie alle gelesen, und er zitiert sie ausführlich in seinem Richelieu-Buch, das außer dem politischen Testament und den Memoiren des Kardinals kaum Originalquellen einbezieht. Denn "Richelieu - Der Kardinal des Königs" gehört zu jener Sorte Historiographie, bei der das glänzende Zaumzeug die Magerkeit des Kleppers verbergen muss, auf dem wir durch die Weltgeschichte reiten. Gelegentlich schimmern auch die rhetorischen Knochen durch den Stoff, so wenn Schultz die Machtpolitik seines Helden als "herostratische Anmaßung" geißelt. Herostrat war ein antiker Brandstifter aus Ruhmsucht. Richelieu dagegen hat in Europa nur gezündelt, wenn sich daraus ein messbarer Gewinn für Frankreich ergab.

Richelieu erkannte früh den Wert des Nachrichtendienstes.

Dennoch lässt man sich gern von Uwe Schultz in den Sattel des französischen Barocks heben, schon deshalb, weil diese Zeit all das in konzentrierter, auf europäische Maßstäbe gebrachter Form enthält, was wir aus den globalen Verhältnissen der Gegenwart kennen: Stellvertreterkriege, Glaubenskämpfe, Konflikte um Handelswege und Aufmarschrouten, Hofkomplotte (man denke nur an die Clinton-Lewinsky-Affäre!), Wettrüsten und anderes mehr. Als Richelieu aus seinem Provinzbistum Luçon nach Paris kommt, steht Frankreich nach zwanzigjähriger Unabhängigkeit unter Heinrich IV. wieder im Bann der Großmacht Spanien. Die spanische Partei am Hof wird von der Königinmutter Maria von Medici angeführt, der sich zunächst auch Richelieu andient, die nationalfranzösische durch den jungen König, der ihn 1617 mit seiner Gönnerin ins Exil schickt und ihn erst sieben Jahre später in seinen Staatsrat beruft.

Inzwischen ist der Dreißigjährige Krieg ausgebrochen und das Haus Habsburg überall auf dem Vormarsch, im Norden gegen Holland, in Deutschland gegen die protestantischen Fürsten. Richelieu, der an allen großen Höfen seine Informanten hat, erfährt alle Neuigkeiten aus erster Hand; früher als seine Konkurrenten in Wien und Madrid begreift er den Wert des Nachrichtendienstes. Das politische Interesse Frankreichs ergibt sich daraus, dass es von habsburgischen Territorien umzingelt ist, an den Alpen, den Pyrenäen, an seiner Nord- und Ostgrenze.

Zuerst vernichtet Richelieu durch die Eroberung der Hugenottenfestung La Rochelle die Opposition im eigenen Land, dann schlägt er nacheinander im Piemont, in Lothringen, Brabant, im Roussillon und in Katalonien los. Als er stirbt, sind die Habsburger an allen Fronten auf dem Rückzug. 1648 tritt Ferdinand III. in Münster das Elsass mit Breisach an Frankreich ab, 1659 besiegelt der Pyrenäenfrieden die Demütigung Spaniens.

Uwe Schultz fährt die Etappen dieser politischen Erfolgsgeschichte flott und anschaulich ab. Nur fragt man sich manchmal, warum das Lektorat es versäumt hat, der Prosa des früheren Hörfunkredakteurs Schultz den letzten Schliff zu geben. So liest man bei Schultz von der "kränkelnden Gesundheit" Richelieus und davon, dass er die "tiefgreifende Machtergreifung" Ludwigs XIII. zu spät bemerkt habe. Dieser wiederum sei "nicht Herr seiner geistigen Kontrolle" gewesen, was womöglich damit zu tun hatte, dass die "Liste der Beutevögel", die seine Jagdfalken erlegten, "auch Hasen" verzeichnete.

Solche sprachlichen Schnitzer trüben das Vergnügen an einem Buch, das ansonsten eine wichtige Lücke in der deutschen Biographistik füllt. Sichtlich in seinem Element ist Schultz dagegen, wenn er die historischen Szenen mit breitem Pinsel ausmalen kann, so bei der Schilderung der "journée des dupes", des "Tages der Getäuschten", der in Wahrheit eine Folge von drei aufeinanderfolgenden Tagen im November 1630 ist.

Prominente Gegner wurden aufs Schafott geschickt.

Das Geschehen kulminiert am Vormittag des 11. November. Maria de Medici hat ihren Sohn, den König, ins Palais de Luxembourg bestellt, um von ihm die Entlassung Richelieus zu erwirken. Der Kardinal ist ausgesperrt, gelangt aber über eine geheime Wendeltreppe durch eine Seitentür ins Appartement der Königinmutter. Als er sich ihr weinend zu Füßen wirft, überschüttet sie ihn mit Flüchen, während Ludwig XIII. ihn kühl auffordert, für einige Tage aus Paris zu verschwinden. Richelieu sieht sein letztes Stündlein als Premierminister gekommen. Aber noch am gleichen Abend wird er nach Versailles bestellt und in seinem Amt bestätigt. Die Demütigung vergisst er dennoch nicht: Von nun an schickt er die meisten seiner prominenten Gegner aufs Schafott. Nur Maria de Medici, von ihrem Sohn nach Compiègne verbannt, entzieht sich dem Griff des Kardinals durch die Flucht ins Land des spanischen Erbfeinds, nach Brüssel.

Der Scharfblick, mit dem Schultz die Familienverhältnisse der französischen Monarchie betrachtet, fehlt ihm bei den historischen Zusammenhängen. Richelieus Krieg gegen Habsburg wird bei Schultz zu einer Kette verwirrender Namen und Ereignisse, seine europäischen Kontrahenten Gustav Adolf von Schweden und Olivares in Madrid kommen nur am Rande vor. Lieber verbreitet sich Schultz über das von Richelieu gewaltig ausgebaute Familienschloss, dessen Portal "die Bronzestatue der allegorischen Göttin der Berühmtheit" zierte. Hielt sie die Insignien des Königs und seines Kardinals in der Hand? Nein, sie "blies den Ruhm beider in zwei Trompeten in den Himmel". Manchmal wünschte man sich auch einen Biographen, der auf zwei Trompeten blasen kann, der historischen und der literarischen. Aber solche Könner sind eben genau so selten wie die großen Männer der Politik.

Uwe Schultz: "Richelieu". Der Kardinal des Königs. Eine Biographie. Verlag C. H. Beck, München 2009. 350 S., 22 Abb., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Freudig hat Rezensent Andreas Kilb zu dieser Biografie Richelieus gegriffen, der seiner Ansicht nach von der deutschen Biografie bei all ihrer Vorliebe für die großen Männer der Geschichte recht stiefkindlich behandelt wurde. Ganz erfüllt hat Uwe Schultz die Erwartungen des Rezensenten allerdings nicht. Ein wenig mager findet er den Klepper, auf dem Schultz hier durch die Weltgeschichte reite. Abgesehen von den Memoiren und dem politischen Testament des machtvollen Kardinals habe er keine Originalquellen herangezogen, dafür aber viel von der neueren französischen Sekundärliteratur einbezogen. Neben sprachlichen Schnitzern kreidet er ihm auch einen fehlenden Überblick auf die historischen Zusammenhänge an. Auf der Habenseite verbucht Kilb allerdings eine anschauliche Schreibe, eine flotte Dramaturgie und den Scharfblick, mit dem Schultz die vertrackten Familienverhältnisse am Hofe Ludwigs XIII. zu durchleuchten versteht. Außerdem möchte Kilb unbedingt klargestellt sehen, dass Richelieu niemals aus Ruhmsucht oder Unvernunft in Europa zündelte, sondern nur, wenn dabei ein klarer Vorteil für Frankreich heraussprang!

© Perlentaucher Medien GmbH