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Auch wenn manche Medienberichte oder eigene Beobachtungen dies nahezulegen scheinen, unsere heimische Natur befindet sich keineswegs auf dem Rückzug. Was vielen als ein Verarmen, als ein Verschwinden der Natur erscheint, ist zu-nächst nichts anderes als der Ausdruck für den Wandel der Natur. So läßt sich z.B. festhalten: Das beklagte Artensterben findet zumindest in Deutschland nicht im befürchteten Umfang statt. Im Gegenteil, laut Angabe des Bundesamtes für Naturschutz leben in der Bundesrepublik 48000 Tierarten. In der Bilanz sind das 4000 mehr als noch vor zwanzig Jahren.
So erfreulich
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Produktbeschreibung
Auch wenn manche Medienberichte oder eigene Beobachtungen dies nahezulegen scheinen, unsere heimische Natur befindet sich keineswegs auf dem Rückzug. Was vielen als ein Verarmen, als ein Verschwinden der Natur erscheint, ist zu-nächst nichts anderes als der Ausdruck für den Wandel der Natur. So läßt sich z.B. festhalten: Das beklagte Artensterben findet zumindest in Deutschland nicht im befürchteten Umfang statt. Im Gegenteil, laut Angabe des Bundesamtes für Naturschutz leben in der Bundesrepublik 48000 Tierarten. In der Bilanz sind das 4000 mehr als noch vor zwanzig Jahren.

So erfreulich Zahlen wie diese insgesamt sein mögen, unter den vielen Tier- und Pflanzenarten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz finden sich auch solche, die es hier bislang nicht mehr oder nicht in diesem Umfang gegeben hat. Was steckt hinter dieser allgemeinen Dynamik der Natur? Hat es sie schon immer in dieser Form gegeben, und welche Rolle kommt dabei den menschlichen Eingriffen in die Natur und Umwelt zu?

Dieses Buch bietet einen Überblick über den gegenwärtigen Zustand der heimischen Natur und bezieht Stellung zu der heiß diskutierten Frage, welche Natur wir eigentlich schützen wollen.
Autorenporträt
Joseph H. Reichholf, geb. 1945 in Aigen am Inn. Der Zoologe, Evolutionsbiologe und Ökologe lehrt als Professor Naturschutz an der Technischen Universität München und leitet die Wirbeltierabteilung der Zoologischen Staatssammlung in München. Reichholf ist unter anderem Präsidiumsmitglied des deutschen WWF. 2007 wurde er mit dem Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.04.2005

Mißverstandene Natur
"Artenschwund" oft nur ein Wandel

Spätestens seit Kant wissen wir, daß nichts so uneingeschränkt gut ist wie der gute Wille. Das entbindet aber nicht von der Pflicht, in die Handlung auch Wissen und Erfahrung einfließen zu lassen. Andernfalls kann leicht das Gegenteil dessen herauskommen, was in guter Absicht angestrebt wurde. Auch im Naturschutz ist man gegen derartige Fehler nicht gefeit. Etliche Beispiele dafür listet der Ökologe Josef Reichholf in seinem kürzlich erschienenen Buch über die Zukunft der Arten auf. In dem Kapitel mit der provozierenden Überschrift "Artenschwund durch Naturschutz" beschreibt er unter anderem die nachteiligen Folgen der planmäßigen "Verschönerung" von Landschaften.

Wie der an der Zoologischen Staatssammlung in München tätige Wissenschaftler ausführt, hat die Kampagne gegen die vielen kleinen Kiesgruben, die als Wunden in der Landschaft empfunden wurden, dazu geführt, daß etwa Eidechsen, Schlangen, Frösche, Kröten, Molche und Libellen ihren Lebenraum verloren haben. Beeinträchtigt worden seien Hunderte von Tierarten sowie ähnlich viele Pflanzenarten, die auf Rohböden, Trockenstandorten, an und in gerade entstehenden Kleingewässern oder an Abbrüchen wachsen. Die systematische Bepflanzung von Straßenrändern und Dämmen sowie das Verschwinden großer Waldlichtungen habe ebenfalls dazu geführt, daß die roten Listen der gefährdeten Arten länger geworden sind. Der Natur- und Umweltschutz sei, so gesehen, nach der Landwirtschaft der größte "Verursacher" der Artenrückgänge, gefolgt von der Jagd.

Ganz so schlecht wie gemeinhin angenommen steht es aber um die Natur ohnehin nicht. Wie Reichholf belegt, verbirgt sich hinter dem "Verarmen" der Natur ein fortwährender Wandel, der mit Verschiebungen im Artenspektrum einhergeht. Tiere und Pflanzen haben keinen Respekt vor politischen Grenzen. So steht beispielsweise das Birkhuhn zwar in Deutschland vor dem Aussterben, aber andererseits findet man es in einem riesigen Gebiet von Skandinavien bis Ostasien. Seit je bereichern zudem eingewanderte Arten die hiesige Flora und Fauna. Diese Fremdlinge würden aber, wie der Ökologe beklagt, häufig als Störenfriede abgewertet - bis sie selbst wieder seltener werden und auf der roten Liste als bedrohte Arten erscheinen.

R.W.

Josef H. Reichholf: "Die Zukunft der Arten. Neue ökologische Überraschungen". Verlag C. H. Beck, München 2005. 240 S., geb., 19,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.03.2005

Das Glück des Gänsesägers
Warum es nicht immer gut ist, wenn die Gewässer sauberer werden: Josef H. Reichholf über „Die Zukunft der Arten”
Vor wenigen Jahrzehnten hat es noch vielerorts zum Himmel gestunken: Oft als Kloake missbraucht, konnten Flüsse und Bäche ihre organische Schmutzfracht nicht schnell genug abbauen. Mittlerweile haben fast überall leistungsfähige Kläranlagen einen Großteil dieses Jobs übernommen. Wenn die Gewässer weniger Abwasser verdauen müssen, profitieren davon jedoch nicht alle ihre Bewohner. Spezialisten für organische Abfallstoffe haben das Nachsehen. Dazu zählen unter anderem bestimmte Zuckmücken, harmlose, wenn auch mitunter lästige Insekten, die im Frühsommer einst in Massen auftauchten. Die dichten Mückenschwärme boten dann vielen Vögeln reiche Nahrung.
Dass es damit nun vorbei ist, bleibt nicht ohne Folgen. Wie Josef Reichholf von der Zoologischen Staatssammlung in München beobachtete, hat mit der Menge der Zuckmücken auch die Zahl der Mauersegler drastisch abgenommen, die sich früher zu Tausenden an den Stauseen des Inn und am Ismaninger Speichersee tummelten. Direkte Anwohner wie der Teichrohrsänger finden ebenfalls weniger Mücken. Dass entsprechend weniger Teichrohrsänger eine Familie gründen, macht wiederum dem Kuckuck zu schaffen. Schließlich quartiert er seinen Nachwuchs mit Vorliebe im Nest von Teichrohrsängern ein.
Auch unter Wasser ist das Nahrungsangebot der Stauseen zurückgegangen. Diverse Wasservögel bekamen das ebenso zu spüren wie Fische, Libellen und Muscheln. Grund genug für den Autor, die Erfolgsgeschichte der Abwasserreinigung in Frage zu stellen: „Ist es gerechtfertigt, den Rückgang von Großmuscheln, Libellen, Fischen und anderen Tieren der Gewässer in Roten Listen zu beklagen, wenn eine der Hauptursachen, in unserer Zeit die wahrscheinlich bedeutendste überhaupt, im Natur- und Umweltschutzziel des sauberen Wassers liegt?” Die Verlierer im Blick, kritisiert Reichholf das Streben nach immer besserer Wasserqualität. Dass es durchaus auch Gewinner gibt, macht er nicht so recht deutlich.
Vom Nutzen eines Kraftwerks
Zugegeben, nur wenige Wasserbewohner stellen so hohe Ansprüche wie die vom Aussterben bedrohte Flussperlmuschel. Auf leidlich sauberes Wasser sind jedoch etliche angewiesen, darunter so auffällige wie die Prachtlibellen, die ihre blauschillernden Flügel bei kunstvollen Schauflügen zur Geltung bringen. Dass sie sich vielerorts noch immer rar machen, mag zu einen daran liegen, dass aus Wiesen und Feldern allzu viel Nährstoffe einsickern - eine Wasserverschmutzung, die auch Reichholf beklagt. Zum anderen sind zahlreiche Bachläufe zu Kanälen umgestaltet, die den Libellen nicht mehr als Lebensraum taugen.
Wie der Autor erläutert, hat die Zähmung von Fließgewässern aber auch ihr Gutes. So konnte der Gänsesäger - ein rarer Entenvogel, der wie ein Kormoran nach Fischen taucht - an der Isar erst heimisch werden, als der Sylvenstein-Stausee gebaut war. Dort setzt sich nun das feine Gesteinsmehl ab, das den Fluss einst trübe machte, wenn Schmelzwasser aus den Alpen talwärts strömte. Im Trüben können die Gänsesäger nicht fischen. Um ihre Beute zielsicher mit den Sägezähnchen ihres Schnabels packen zu können, brauchen sie klare Sicht. Darüber hinaus kommt ihnen zugute, dass südlich von München ein Teil der Isar abgezweigt wird, um ein Wasserkraftwerk zu speisen. Wo das Wasser flach ist und die Strömung gering, können die kleinen Gänsesägerküken munter herumpaddeln und nach Futter suchen.
Über seine Forschungsarbeiten in Südbayern weiß Reichholf viel zu erzählen. Anderes wird mitunter nicht gar so tiefschürfend erörtert. Vielleicht sollte man nicht bloß „Menschen mit empfindlicher Haut” vor dem Riesen-Bärenklau warnen, der ursprünglich nur im Kaukasus heimisch war, sich zunehmend aber auch hierzulande breit macht. Der Saft dieses Doldenblütlers, der mit seinen großen weißen Blütentellern so dekorativ daherkommt, lässt auch robuste Zeitgenossen nicht ungeschoren: Wenn ultraviolettes Licht die darin enthaltenen Furanocumarine entsichert, attackieren sie das molekulare Inventar lebender Zellen. So kann die Haut nachhaltig geschädigt werden, wie bei mehr oder minder schweren Verbrennungen.
Selbst in Bayern sind es übrigens nicht nur überdüngte Böden, auf denen sich Pflanzen aus fernen Ländern zuweilen unliebsam ausbreiten. Die Robinie aus Nordamerika etwa gedeiht auch da, wo die Hungerkünstler der hiesigen Flora wachsen. Und die sind ohnehin auf dem Rückzug. Ob Tier oder Pflanze, Spezialisten für karges Terrain finden in deutschen Landen kaum noch passende Biotope. Die tiefgreifenden Veränderungen in Land- und Forstwirtschaft haben ihnen den Boden unter den Füßen weggezogen.
Zahlreiche heimische Arten sind rar geworden, etliche drohen - zumindest regional - ganz zu verschwinden. Darüber, wie man wirksam gegensteuern kann und welche Prioritäten es zu setzen gilt, lässt sich trefflich streiten. Der Autor zeigt davor wahrlich keine Scheu. Am amtlichen Naturschutz hat er so manches auszusetzen, eigene Ideen - sie sind nicht alle gar so neu - weiß er offensiv zu vertreten. Für Naturfreunde dürfte die Lektüre allemal anregend sein, gerade weil sie bisweilen zum Widerspruch herausfordert.
DIEMUT KLÄRNER
JOSEF H. REICHHOLF: Die Zukunft der Arten. Neue ökologische Überraschungen. C. H. Beck Verlag, München 2005. 240 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Anregend" fand Rezensentin Diemut Klärner die Lektüre dieses Buchs über die Zukunft der Arten, auch wenn sie einige Einwände hat. So informiere Josef Reichholf ausführlich über die nachteiligen Folgen einer immer besseren Wasserqualität von Seen und Flüssen. Der Verlust an organischen Abfallstoffen führt laut Reichholf dazu, dass die Zahl der Zuckmücken abnimmt, was sich wiederum nachteilig auf Vögel wie Mauersegler oder Teichrohrsänger auswirkt, die sich von den Mücken ernähren. "Nicht so recht deutlich" macht Reichholf aber, dass es in diesem Spiel auch Gewinner gibt, kritisiert die Rezensentin. Flussperlmuscheln oder die Prachtlibellen zum Beispiel können nur in leidlich sauberem Wasser überleben, hält sie dagegen. Insgesamt scheint die Rezensentin das Buch mit Interesse gelesen zu haben. Auch sie sorgt sich über den Rückgang zahlreicher Arten, die den Veränderungen in der Landwirtschaft zum Opfer fallen. Reichholf wisse "viel zu erzählen" über seine Forschungsarbeiten in Südbayern, habe eigene Ideen zum Naturschutz und wisse diese auch "offensiv zu vertreten". Auch wenn die Rezensentin nicht mit allem einverstanden ist, Stoff zum Nachdenken wurde ihr offensichtlich geboten. 

© Perlentaucher Medien GmbH