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Die ZETEMATA sind eine altertumswissenschaftliche Monographienreihe. Sie wurde 1951 von Erich Burck und Hans Diller mit der Arbeit Sueton und die antike Biographie von Wolf Steidle begründet. Seit ihren Anfängen erscheint die Reihe im Verlag C.H.Beck, München. Heute wird die Reihe von Jonas Grethlein (Heidelberg), Martin Korenjak (Innsbruck) und Hans-Ulrich Wiemer (Erlangen) in Verbindung mit Thomas Baier (Würzburg) und Dieter Timpe (Würzburg) herausgeben. Das Themenspektrum der ZETEMTATA umfasst Geschichte und Literatur des griechisch-römischen Altertums. Die Publikationssprachen in den…mehr

Produktbeschreibung
Die ZETEMATA sind eine altertumswissenschaftliche Monographienreihe. Sie wurde 1951 von Erich Burck und Hans Diller mit der Arbeit Sueton und die antike Biographie von Wolf Steidle begründet. Seit ihren Anfängen erscheint die Reihe im Verlag C.H.Beck, München.
Heute wird die Reihe von Jonas Grethlein (Heidelberg), Martin Korenjak (Innsbruck) und Hans-Ulrich Wiemer (Erlangen) in Verbindung mit Thomas Baier (Würzburg) und Dieter Timpe (Würzburg) herausgeben.
Das Themenspektrum der ZETEMTATA umfasst Geschichte und Literatur des griechisch-römischen Altertums. Die Publikationssprachen in den ZETEMATA sind neben dem Deutschen auch Englisch, Französisch und Italienisch. Bislang sind 151 Bände in der Reihe erschienen, weitere sind in Vorbreitung; der größte Teil der Bände ist noch lieferbar.
Autorenporträt
Isolde Stark, geb. 1945, studierte Geschichte und Germanistik in Berlin, arbeitete als Lektorin und anschließend als Historikerin. Außerdem verfasste sie Kinderbücher, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.11.2004

Den Kult einfach weggelacht
Isolde Stark spaßt mit dem Spott in der griechischen Komödie

Nur wenige Gegenstände der Altertumswissenschaften sind so um- und umgewälzt worden in Büchern, Aufsätzen, Sammelbänden und auf Tagungen wie die Entstehung und Funktion der alten griechischen Komödie. Mit Isolde Starks Arbeit erscheint ein Buch, das beansprucht, bisher für selbstverständlich Gehaltenes oder jedenfalls allgemein Akzeptiertes als irrig nachzuweisen und gleichzeitig etwas anderes an dessen Stelle zu setzen. Das geschieht durch eine Autorin, deren wissenschaftliche Entfaltung in der DDR in vielerlei Weise behindert worden war und die nach dem verdienten Zusammenbruch dieses Staates energisch und erfolgreich am Wiederaufbau von Akademie und Universität mitgewirkt und zahlreiche zeitgeschichtliche Arbeiten veröffentlicht hat. War es unter diesen Umständen möglich, daß der hohe Anspruch, mit dem das Buch auftritt, auch nur ansatzweise erfüllt werden konnte? Ja, und zwar weit mehr als nur im Ansatz.

Die zentrale These des Buches ist, wie es sich gehört, durch den Titel wiedergegeben: Die griechische Komödie hat keinen religiösen oder kultischen Ursprung und Charakter, sondern stellt sowohl in ihrer Entstehung als auch in ihrer Funktion einen Vorgang dar, in welchem über Personen gelacht wurde, die von den Verhaltensnormen der Gesellschaft abwichen oder die jedenfalls zur Abschreckung als abweichend dargestellt wurden. Zu diesem Ergebnis kommt Isolde Stark durch etwas, das methodisches Verfahren zu nennen schon viel zu hoch gegriffen ist: Sie sieht einfach hin oder konkreter: Sie löst sich von der beträchtlichen Faszination, die von den erhaltenen Stücken des Aristophanes ausgeht, und nimmt einfach zur Kenntnis, daß es auch in den Griechenstädten Siziliens und Unteritaliens Komödien gegeben hat, und zieht Folgerungen daraus.

Überliefert sind diese Komödien zum einen nur in Fragmenten und auf Vasendarstellungen, zum anderen dadurch, daß die erste Bekanntschaft der Römer mit der griechischen Komödie im Zuge ihrer Expansion in Italien stattfand. Vielleicht war das ein Grund, daß man - mit Ausnahme der grandiosen Sammlung der griechischen Komikerfragmente durch Rudolf Kassel und Colin Austin - sie bisher zuwenig in Rechnung gestellt hat.

Ein Ansatz sowohl für die Forschung als auch für Starks neue und richtige Erklärung sind die Darstellungen sogenannter Dickbauchtänzer, also von grotesken nackten Figuren, deren Männlichkeit oft überdimensional - ingente pene - in Erscheinung tritt. Im neunzehnten Jahrhundert - nichts gegen das neunzehnte Jahrhundert im übrigen! - konnte man dieses irritierenden Gegenstandes offenbar nur dadurch Herr werden, daß man ihn als kultisches Phänomen erklärte, getreu der auch sonst gelegentlich geltenden, aber unausgesprochenen Maxime, alles für kultisch zu halten, was man sonst nicht unterbringen kann. Demgegenüber stellt Isolde Stark richtigerweise fest, daß es sich einfach um Spottfiguren handelte, über die man sich - in gewiß sehr wenig geschmackvoller Weise - lustig machte, also um soziale Außenseiter.

Damit folgt sie nicht der augenblicklichen Mode, überall Außenseiter zu sehen, neuerdings sogar positiv konnotiert, sondern sie schließt sich den kürzlich auch in dieser Zeitung vorgestellten Forschungen von Winfried Schmitz über die weitverbreitete Präsenz von Rügebräuchen und Schandliedern im weitgehend bäuerlich geprägten archaischen Griechenland an. Dadurch machte man sich über außerhalb der Gesellschaft Stehende lustig oder, in einer Art pädagogischen Bemühens, über solche, die Gefahr liefen, sich aus der Gesellschaft zu entfernen.

Dazu kommen die Bräuche beim zunächst adligen Symposion, das regelmäßig mit einem fröhlich-berauschten Umzug endete, einem Komos. Komodia, Komödie, hieß eben nicht, wie bisher angenommen, Gesang des Komos, also der Teilnehmer, sondern beim Komos, also durch außen stehende Begleiter, Possenreißer und Bettler, die hofften, durch ihre Späße etwas von der Herren Tischen zu bekommen. Diese verachtenswerten, aber anscheinend Heiterkeit erregenden Menschen zogen sich durch die gesamte griechische Geschichte hindurch und treten als Trittbrettfahrer bis in die Literatur der römischen Kaiserzeit durch die Parasitenbriefe des Alkiphron in Erscheinung, also als Leute, die sich das Mitspeisen und Mittrinken dadurch erkauften, daß sie selber Späße machten oder demütigende Späße mit sich machen ließen. Dazu kam dann im klassischen und hellenistischen Griechenland die Erweiterung auf andere Außenseiter der Gesellschaft in dieser "sozialen Typenkomödie": den Tölpel vom Lande, den Intellektuellen, den Söldner, den Sklaven, die Hetäre.

Ein Stolperstein bei dieser Erklärung von Herkunft und Funktion der griechischen Komödie sind nun die Stücke des Aristophanes, in denen keineswegs Außenseiter, sondern im Gegenteil führende Gestalten der athenischen Politik angegriffen werden, am berühmtesten die Strategen Kleon und Lamachos, oder auch der Philosoph Sokrates. Bei Sokrates muß nicht die reale Gestalt dieses Mannes gemeint sein, sondern nur der Typ des haarspaltenden Intellektuellen, denn der Sokrates-Schüler Platon läßt in seinem "Symposion" Sokrates ausgerechnet mit Aristophanes ein freundschaftliches Gespräch führen. Kleon und Lamachos waren justament die Politiker, die nicht nur immer wieder gewählt wurden, sondern gegen die die sonst so prozeßlustigen Athener keinen politischen Strafprozeß veranstaltet hatten, und umgekehrt sind wirkliche Prozesse und Angeklagte gerade nicht auf die Bühne gekommen. Durch die "offensichtliche Inkongruenz" mit der Wirklichkeit sollte also lediglich, in Weiterentwicklung der "Rügebräuche", vor der Gefahr des Machtmißbrauchs gewarnt werden: "Der große Jux bestand augenscheinlich darin, daß untadelige Feldherren auf der Bühne als Feiglinge und potentielle Deserteure dargestellt wurden." Zukünftige Historiker sollten sich also in acht nehmen: Die Personendarstellungen des Aristophanes stellten nach Isolde Starks Ergebnissen nicht eine bloße komische Übertreibung dar, sondern sogar das genaue Gegenteil dessen, was zu sehen beziehungsweise zu lesen ist.

Stimmt das alles? Bei einem so komplexen und überforschten Gegenstand kann es nicht ausbleiben, daß manches zum Widerspruch herausfordert. Generell wird man sagen müssen, daß hoffentlich nicht jeder Zusammenhang mit Kultischem geleugnet werden soll, denn immerhin sind die athenischen Komödien später zu den Dionysien aufgeführt worden, und insofern haben sie nicht "nothing to do with Dionysos", wie der etwas anders gemeinte Titel einer bedeutenden amerikanischen Aufsatzsammlung lautet. Und wie steht es damit, daß immerhin auch Thukydides sehr abschätzig über Kleon geschrieben hat? Gewiß mag seine Darstellung von persönlicher Antipathie geprägt und in sich nicht kohärent sein, aber es fällt doch auf, daß es bei Thukydides und Aristophanes Übereinstimmungen in der Bewertung Kleons gibt, so daß von einer ins Auge springenden Verdrehung der Wirklichkeit ins Gegenteil nicht gesprochen werden kann.

Aber sonst: Wieder einmal scheint die Forschung einen Wald vor Bäumen nicht gesehen zu haben. Isolde Stark sieht sich die Bäume genau an und kann daher von einem ganz anderen Wald sprechen, als man ihn bisher vorausgesetzt hat. Die Distanz schaffenden Ausflüge in die Gegenwartsgeschichte haben sich gelohnt.

WOLFGANG SCHULLER

Isolde Stark: "Die hämische Muse". Spott als soziale und mentale Kontrolle in der griechischen Komödie. Verlag C. H. Beck, München 2004. 352 S., br., 76,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nichts weniger als eine Sensation! Isolde Stark, schreibt Wolfgang Schuller, wirft über den Haufen, was man bisher über die griechische Komödie zu glauben meinte, und sie hat, da ist er sich sicher, vollkommen recht. Ihre These: Der Ursprung des Genres liegt nicht im Kultischen, sondern im Spott - in der Komödie wurden jene verlacht, "die von den Verhaltensnormen der Gesellschaft abwichen oder die jedenfalls zur Abschreckung als abweichend dargestellt wurden." Und die "Dickbauchtänzer", die man sich bislang als "kultische Phänomene" erklärte, sind nichts als Außenseiter, die man mit ritualisierter Häme überzog. Wie kommt Isolde Stark darauf, und warum ist das bisher noch niemandem aufgefallen? Man hat bisher, meint Schuller, die Betrachtung der Komödie in ihrer Breite vernachlässigt und sich zu sehr auf die Stücke des Aristophanes konzentriert, die in der Tat nicht unbedingt den Schluss dieser Studie nahelegen - aber auch dafür habe die Autorin eine durchaus überzeugende Erklärung. Fazit: "Wieder einmal scheint die Forschung einen Wald vor Bäumen nicht gesehen zu haben" - Isolde Stark hat genauer hingeschaut.

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