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Alle reden vom Wetter. So auch die Dichter. Von heiter bis wolkig: Erzählungen und Gedichte aus 300 Jahren für den Urlaubskoffer.

Produktbeschreibung
Alle reden vom Wetter. So auch die Dichter. Von heiter bis wolkig:
Erzählungen und Gedichte aus 300 Jahren für den Urlaubskoffer.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.04.2000

Lesetipp zum Wochenende
Durchgezogen
Literarisches für alle Wetterlagen
Alle reden vom Wetter oder – um es mit Goethe zu sagen statt mit der Bundesbahn – „das Thermometer beschäftigt jedermann”. Natürlich sind auch Schriftsteller abhängig davon, und das Wetter ist, schreibt der Herausgeber Horst Kutzer, „aus Romanen, Erzählungen, Märchen, Satiren, Essays, Gedichten, Tagebüchern, Briefen und Aphorismen nicht wegzudenken”. Auf Sturm und Gewitter reagieren literarische Figuren anders als auf Sonne und blauen Himmel, ganz abgesehen vom Metaphernreichtum, den die Wetterlage bereit hält. Und dann die Auswirkungen des Klimas auf das Empfinden der Autoren: „Die Sonne ist eine Art von Inspiration, man soll sie darum nicht immer haben. ” (Elias Canetti) Andererseits konnte Flaubert gerade bei 30 Grad im Schatten am allerbesten arbeiten, und Nietzsche floh vor dem trüben Naumburger Himmel nach Nizza, um am „Zarathustra” weiterzuschreiben.
Für alle Wetterfühligen und solche, die sich dafür halten, gibt es jetzt das passende Lesebuch. 300 Jahre Literaturgeschichte unter besonderer Berücksichtigung des Klimas – je nach meteorologischer Lage sucht und findet man hier den entsprechenden Text. Bei starker Bewölkung sollte man mit Kleists „Anekdote” beginnen. Da begleitet ein Kapuziner „einen Schwaben bei sehr regnerischem Wetter zum Galgen. Der Verurteilte klagt unterwegs mehrmals zu Gott, daß er, bei so schlechtem und unfreundlichem Wetter, einen so sauren Gang tun müsse. Der Kapuziner wollte ihn christlich trösten und sagte: du Lump, was klagst du viel, du brauchst doch bloß hinzugehen, ich aber muß, bei diesem Wetter, wieder zurück denselben Weg. ”
Keine weiteren Klagen also über anhaltende Regengüsse. Außerdem: „Gott schickt nur deshalb keine zweite Sintflut, weil die erste nichts geholfen hat. ” (Nicolas de Chamfort) Vor dem Kapitel, das dem „Durchzug einer Gewitterfront von Südwest nach Nordost” gewidmet ist, steht deswegen sonniges, warmes Sommerwetter. Den Einstieg ins Himmelblau bietet Erich Kästners Gedicht „Prima Wetter”, bei dem sich sofort die schönsten Sommergefühle einstellen: „Man könnte sich mit Blumen unterhalten/ und Wiesen streicheln wie sein Fräulein Braut,” Eine kalte Dusche verpasst uns wenige Seiten später jedoch Birgit Vanderbeke, die über einen väterlich verordneten Sonnenbrand schreibt, ganz zu schweigen von der wahrhaft wundersamen Geschichte des englischen Autors William Fryer Harvey, in der gleich zwei Männer durch die „Augusthitze” dem Wahnsinn nahe kommen. Die ersehnte reinigende Gewitterfront findet man dann bei Max Frisch, der nicht nur „mindestens neun Arten von Donner” beschreibt, sondern sich auch erinnert, wie nervös Bertolt Brecht wurde, wenn ein Gewitter aufzog. Er war von der Furcht besessen, es könnte ihn ein Blitz treffen.
Ernst Jandl, Marie Luise Kaschnitz, Heimito von Doderer, Rainer Maria Rilke, Ricarda Huch, Mme de Staël, Friedrich Schiller – die Liste der versammelten Dichterinnen und Dichter ist lang . . . „Im Sommer ist man menschlicher, im Winter bürgerlicher”, hat Jean Paul geschrieben, bei dem man darüber hinaus eine durchaus aktuelle meteorologische Voraussage findet: „Der April wird ganz schön, nicht eigentlich kalt, nur in der Nacht etwas frisch bis zu Nachtfrösten. Der Mai fängt warm und schön an, aber sogleich geht er in Regen über. Der Juni thut ihm letztes nach. Der Juli bessert sich. Der August noch mehr. ”
Der berechtigten Frage, wo denn eigentlich das Wetter sitzt, geht Kurt Schwitters nach, die schönste Regengeschichte stammt von Franz Hessel, das bösartigste Wettergebet von Karl Valentin und das meistversprechende Lebensrezept von Rahel Varnhagen: „Was machen Sie? Nichts. Ich lasse das Leben auf mich regnen. ”
MANUELA REICHART
HORST KUTZER (Hrsg. ): Wildes Wetter! Ein literarischer Begleiter durch Heiteres und Wolkiges. Reclam Verlag, Leipzig 2000. 251 Seiten, 16,90 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Autorenliste dieser literarischen Anthologie ist lang, und weil alles so schön ist, führt Manuela Reichart dem Publikum gleich einiges vor. Zum Beispiel Kleists Anekdote, die einen Kapuziner zum Todgeweihten, den er bei Regen zum Galgen begleitet, sagen lässt, er solle sich übers Wetter nicht beklagen, denn er, der Verurteilte, müsse nur hin, er selber durch den Regen aber auch wieder zurückgehen. Wer sonnigere Beispiele will, für den zitiert sie aus einem Kästnergedicht - `Man könnte sich mit Blumen unterhalten/ und Wiesen streicheln wie sein Fräulein Braut` - und amüsiert sich über Brechts Gewitterfurcht, von der Max Frisch hier berichtet. Das Beste scheint ihr Rahel Varnhagens Lebensregel zu versprechen: `Was machen Sie? Nichts, ich lasse das Leben auf mich regnen.`

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