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Eine literarische Entdeckung: Der abgründigste Roman des Frühjahrs entführt Sie in eine Zauberwelt.
"Ich wollte etwas ganz Einfaches. Ich wollte Hunger und Durst haben. Blau sollte Blau sein, Brot nach Brot schmecken und Wasser nach Wasser, aber nicht nur danach, und dieses den Durst, jenes den Hunger stillen, das Nicht-Nur die Sehnsucht beleben. Wein sollte nach Vergißmeinnicht schmecken und ein Kissen nach Vogelfedern riechen. Dies sollte sein, weil das ist, ich sollte damit einverstanden sein, und wenn ich mir einen Rosenstachel aus dem Daumen zöge, sollte dort ein schwarzroter…mehr

Produktbeschreibung
Eine literarische Entdeckung: Der abgründigste Roman des Frühjahrs entführt Sie in eine Zauberwelt.

"Ich wollte etwas ganz Einfaches. Ich wollte Hunger und Durst haben. Blau sollte Blau sein, Brot nach Brot schmecken und Wasser nach Wasser, aber nicht nur danach, und dieses den Durst, jenes den Hunger stillen, das Nicht-Nur die Sehnsucht beleben. Wein sollte nach Vergißmeinnicht schmecken und ein Kissen nach Vogelfedern riechen. Dies sollte sein, weil das ist, ich sollte damit einverstanden sein, und wenn ich mir einen Rosenstachel aus dem Daumen zöge, sollte dort ein schwarzroter Blutstropfen erscheinen. Ich hätte gern gewußt, was mein Kopf denkt, wenn er ohne mich träumt."

Rainer Braunes erstaunliches Erzähltalent erschafft phantastische Tableaus, in denen die Romantik aufersteht: versponnen und grausam, ironisch und skurril. Obwohl ganz in der Gegenwart angesiedelt, scheint alles Geschehen zugleich tatsächliches Märchen und verwunschene Realität zu sein.

In der Tulpischen Wildnis steht ein verwahrlostes Haus, in dem es nicht immer irdisch zugeht. Im Frühling trifft der Zeichner Gilles dort ein, um zwei Räume für den greisen Cembalisten Quitzow herzurichten, der hier - inmitten seiner Vögel und Azaleen - den Lebensabend verbringen möchte. Gilles' Aufenthalt soll also nicht von Dauer sein, und das nicht nur, weil ihn sein Auftrag nicht lange beschäftigen wird.

Denn in diesem Garten scheint die Zeit stillzustehen wie im Paradies. Dazu tragen ebenso reiz- wie geheimnisvolle Nachbarinnen bei, ganz besonders Adolphine. Statt die Stuben auszumalen, zeichnet Gilles lieber auf alten Papieren, während er mit ihr plaudert. Eines Nachts jedoch ereignet sich in dieser Idylle eine unerhörte Tat, die die Vögel und Adolphine zum Verstummen bringt. Aus seiner beschaulichen Existenz gerissen, fädelt Gilles einen kunstvollen Racheakt ein.

Rainer Braune 1953 in Kirchmöser/Havel geboren, war u.a. Direktor des Circus Barelli und ist Theaterregisseur, Autor, Komponist, Zeichner. Bisher schrieb er Theaterstücke und Puppenspiele. Er lebt in Neusäß am Bodensee. "Die Krokodilfärberei" ist sein erster Roman.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.06.2004

Ein Pfiff zuviel
Geisterbahn: Rainer Braune zieht Adjektive einer Handlung vor

Zur Zeit gibt es viele junge Autoren, die so beschäftigt damit waren, an verschiedenen Instituten die Kunst des Schreibens zu erlernen, daß sie gar nicht dazu kamen, etwas zu erleben, von dem sie nun erzählen könnten. So halten sie erzähltechnisch den Ball flach, machen keine Fehler und berichten mit gekonnter Nüchternheit aus der Ereignislosigkeit, was man ihnen dann zum Vorwurf macht.

Eigentlich eine gute Ausgangsposition also für einen wie Rainer Braune, knapp über fünfzig Jahre alt und von Lebenserfahrung gesättigt. Er war bereits Theaterregisseur, Komponist und Zeichner sowie Direktor des Circus Barelli. Mit dem Erscheinen von "Die Krokodilfärberei" darf er sich nun auch Romanschriftsteller nennen, und anders als die Institutsschreiber schöpft er aus dem vollen, läßt statt gerader Linien und schnörkelloser Prosa die Arabeske herrschen. Seine Sprache erinnert an einen ständigen artistischen Kraftakt; sein Zeichenstrich ist zwar zart, aber unendlich verspielt. Er scheut sich keinen Augenblick, Märchen und Realität miteinander zu vermengen, wie ihn überhaupt die Mischung aus Gegensätzlichem fasziniert.

Nicht nur darin ist der Roman eine tiefe Verbeugung vor E. T. A. Hoffmann und der deutschen Romantik, doch scheint sich Braune beim Bückling einen Hexenschuß geholt zu haben. Die skurril-groteske Bildlichkeit des Spätromantikers ist deutlich wiederzuerkennen, ebenso der Hang zum verspielt, fast kindisch Märchenhaften, doch wo bei Hoffmann hinter jedem Ornament der doppelte Boden des Unheimlichen lauert und sich der scheinbare Wahnsinn als geniale Methode entpuppt, da erkennt man bei Braune, daß man nur in der Geisterbahn sitzt. Der Roman findet seinen Höhepunkt auf einem Dorfrummelplatz, im Prinzip aber sind alle seine Schauplätze buntbemalte Jahrmarktskulissen und die Figuren eigentlich Pappkameraden. Sie sind Automaten, doch nicht wie bei Hoffmann, wo etwa in "Der Sandmann" eine Figur zwischen belebter und unbelebter Geliebter den Verstand verliert, sondern eben im Sinne der Geisterbahn, wo die Puppen vorgefertigte Bewegungen vollführen, die ihnen der frühere Puppenspielautor Braune vorgeschrieben hat.

Gerade weil alles so unverkennbar auf Effekt aus ist, weigert man sich, diesem zu erliegen, und darum findet man die kleine störrische Puppe Capaldi nicht so putzig, wie man sollte, obwohl sie doch immer so neunmalkluge Sachen sagt und so eigenwillig beherzt mit ihren blinden Freunden umgeht. Man findet auch die alte Puppe Böhlein nicht so nett, obwohl er doch so ein harmloser liebeskranker Säufer ist, der immer traurige Weisen auf der Mundharmonika spielt. Vor allem aber macht es sich Braune mit seinem Schurken zu leicht. Den Geigenlehrer Möbius zeichnet er so plakativ als wichtigtuerischen, humorlosen Idioten mit Hang zur Perversion, daß man ihn keinen Augenblick lang ernst nehmen kann.

Die Handlung dieses von sinnlichen Eindrücken und skurrilen Begebenheiten übervollen Buches ist vergleichsweise simpel. Der Zeichner Gilles kommt aus der Stadt aufs Land, in die "Tulpische Wildnis", ein großes, heruntergekommenes und von Pflanzen zugewuchertes Haus samt Ziervögeln, Pfauen und Kuh, in dem er zwei Zimmer für einen blinden Cembalisten renovieren soll. Statt dessen verliebt er sich in Adolphine, eine der beiden Schwestern im Nachbarhaus, vergißt mit der alten Freundin auch sein altes Leben, erwirbt im Trödelladen alte Möbel und bleibt in der von Braune adjektivreich beschriebenen Märchenszenerie hängen, in der die Dinge "winddurchblasen", "taschentuchbezipfelt" und "vogeldurchpfiffen" sind.

Damit das Ganze einen Spannungsbogen bekommt, verwandelt eine merkwürdige Vergewaltigung den Traum für einige Zeit in einen Albtraum. Das Skurrile soll nun bedrohlich wirken, doch wo kein Abgrund, da kein Schwindel. Wenn sich die Auflösung der Bedrohung dann in einem genüßlichen Akt sadistischer Selbstjustiz vollzieht, von dem Clint Eastwood in seinen besten Stunden noch etwas hätte lernen können, springt die Geisterbahn endgültig aus der Spur. An einer Stelle beschreibt der Erzähler die Trauer der Zeichner über den Moment, "in dem sie der fertigen Zeichnung unglücklicherweise noch einige Striche zufügten ... worauf der zauberhafte Zustand des nahezu Fertigen unwiederherstellbar verloren war". Rainer Braune zeichnet in seinem Roman durchaus mit Talent am Außergewöhnlichen, aber an jedem Bild ist mindestens ein Strich zuviel.

SEBASTIAN DOMSCH

Rainer Braune: "Die Krokodilfärberei". Roman. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig 2004. 272 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Die "romantischste und gelungenste Narrheit", die man derzeit bekommen kann, hat Rainer Braune mit seinem neuen Roman vorgelegt, freut sich Gustav Mechlenburg. Die Geschichte von Gilles, dem verkappten Zeichner, der in der Wildnis ein Haus renoviert und dabei über allerlei bizarre Gestalten stolpert, sei "höchst undramatisch" geschildert. Der Autor habe keinen Platz für "epische Breite" gelassen, alles sei "eng hintereinander weg" geschrieben. Braune habe "präzis choreografierte Kombinationen" entstehen lassen, mit "schlagenden Vokabeln". Auch wenn einige seiner "Kunststückchen" nach Meinung des Rezensenten eher "überflüssige Ornamente" sind, tut dies seinem Lesevergnügen keinen Abbruch. Denn Braune vereint die "schwindelige" Liebesgeschichte mit "märchenhaften" Naturbeschreibungen, sprachlichem "Aberwitz" und einer Prise "Brutalität", schwärmt Mechlenburg.

© Perlentaucher Medien GmbH