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Emma Blum ist auf den ersten Blick das, was man sich unter einer erfolgreichen jungen Frau vorstellt. Als Lektorin in einem Verlag für erotische Literatur verdient sie ihren eigenen Lebensunterhalt und verweigert sich damit der von ihrer Mutter geforderten traditionellen Rolle als Ehefrau und Mutter. An Emmas 30. Geburtstag gerät diese Welt aus den Fugen: Ist sie mit ihrem Liebhaber Jules (Banker, verheiratet, zwei Kinder) und in ihrem Single-Appartement wirklich glücklicher als ihre Mutter, eine unablässige Predigerin in Sachen Kinderkriegen und jüdischem Familiensinn? Wieder und wieder…mehr

Produktbeschreibung
Emma Blum ist auf den ersten Blick das, was man sich unter einer erfolgreichen jungen Frau vorstellt. Als Lektorin in einem Verlag für erotische Literatur verdient sie ihren eigenen Lebensunterhalt und verweigert sich damit der von ihrer Mutter geforderten traditionellen Rolle als Ehefrau und Mutter. An Emmas 30. Geburtstag gerät diese Welt aus den Fugen: Ist sie mit ihrem Liebhaber Jules (Banker, verheiratet, zwei Kinder) und in ihrem Single-Appartement wirklich glücklicher als ihre Mutter, eine unablässige Predigerin in Sachen Kinderkriegen und jüdischem Familiensinn? Wieder und wieder geraten Mutter und Tochter aneinander; kein Handgriff im Haushalt, der nicht Stoff für den nächsten bitterbösen Streit abgäbe. Der Konflikt eskaliert, als Emmas Bruder Paul, der Vorzeigesprößling aus Amerika, nicht nur seine bevorstehende Scheidung, sondern auch eine Liaison mit einer Deutschen ("Du, ein Jude, und sie, eine Deutsche!") beichtet. Als die Mutter plötzlich spurlos verschwindet, muß Emma ihren Lebensentwurf überdenken und neu zusammenfügen. Ein aberwitziger, frecher und doppelbödiger Frauenroman mit einem überraschenden Ende, das keine Tochter kalt lassen wird.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.01.2004

Willst du einen Witwer oder einen alten Junggesellen?
Traum vom Ausbruch, verplaudert: Karin Tuils Roman „Schattenhochzeit” über eine Frau von dreißig Jahren
„Komm, mein Geliebter, und koste vom Wasser meines Mundes ...”. Es muss ein wunderbares Gefühl sein, Théodore Gerszterkorn aus der Ferne zu betrachten. Dunkle Augen, wohlgeformte Wangenknochen und dazwischen ein Lächeln, dass man am liebsten ein Liebeslied anstimmen möchte. Wehe aber, der junge Mann rückt näher an die Adoranten heran ... . Dann werden seine schwieliegen Hände erkennbar, die von einem körnigen Film überzogen scheinen, die angenagten Fingernägel mit den getrockneten Bluttröpfchen und der scharfe Geruch seines Oberkörpers. Und während Gerszterkorn noch an seinem Hosenstall nestelt, verwandelt sich das Liebeslied langsam in einen Grabgesang.
Wer den Roman „Schaumhochzeit” der jungen französischen Autorin Karine Tuil liest, mag sich bisweilen ähnlich fühlen wie die Protagonistin Emma, als sie die Bekanntschaft des nägelkauenden Théodore Gerszterkorn macht. In diesem Buch klingt anfangs alles nach einem ironisch erzählten Streifzug durch die altbekannte Problemgeschichte von Mutter und Tochter. Aus der genau kalkulierten Beschreibung körperlicher Konturen und matriarchalischer Kleinigkeiten, eines geblümten Kleides etwa oder fettglänzender Küchenmesser, gewinnt Tuil ein deutliches Bild der mütterlichen Welt, einer Welt, in der das oberste Gesetz lautet: „Heiraten sollst Du und Kinder empfangen!”. Trotzdem sind unter der rauen Oberfläche des penibel vermessenen Hausfrauenreservates die zarten Schwingungen der Liebe zu spüren.
Für Emma Blum, die Tochter, eine Frau von 30 Jahren, die keineswegs an die Ehe denkt, sondern sich einen verheirateten Mann als Geliebten hält, ist das Leben ein fortwährender, doch aussichtsloser Kampf gegen das mütterliche System. Denn die junge Frau lässt sich von der Mutter wie ein kleines Mädchen behandeln und teilt so manches Mal ihre rustikale Weltsicht: „In ein paar Jahren werden nur noch drei Kategorien von Männern für dich übrigbleiben: Geschiedene, Witwer und schizophrene alte Junggesellen.” Erst als Emma und ihr Bruder Paul sich gemeinsam gegen die Mutter auflehnen, erhält deren religiös eingefärbtes Denkgebäude starke Risse. Zugleich beginnt die „Harpyie” mit der rot geäderten Nasenspitze des nachts heimlich in jenen freizügigen Manuskripten zu blättern, die Emma von ihrer Arbeitsstätte in einem Verlag für erotische Bücher mit nach Hause nimmt.
So wie die Mutter nach und nach gegen die selbst auferlegten Gesetze verstößt, bindet sich Emma immer fester an das Korsett der Vorschriften – schließlich heiratet sie sogar den unappetitlichen Théodore Gerszterkorn. Das hätte ein hübscher Konflikt werden können, mit denselben Träumen und Ausbruchsversuchen wie bei jener anderen Emma B., die zwischen den Sätzen ihre Spuren hinterlassen hat. Doch Karine Tuil vertraut weniger Flaubert als den beschaulichen Kalendersprüchen der mütterlichen Küche. Ein klein wenig von jener „zotigen Sprache”, die Emmas Mutter nach der Lektüre der pornografischen Romane an den Tag legt, hätte man sich als Leser auch für dieses Buch gewünscht.
Seite um Seite plätschert Tuils allzu gefälliges Plauderbächlein vor sich hin, verwirbelt sich hier zu einem kleinen Gedanken oder wartet dort mit einer überraschenden Einsicht auf: „Ich war perplex: konnte es sein, dass Paul und ich unsere Mutter nicht auf dieselbe Weise wahrnahmen?” Wenn sie nicht gerade die Wunder der Wahrnehmung entdeckt, kommentiert Tuil das zuvor Erzählte oder greift an den Kapitelenden spannungstötend voraus.„Ich bin den weißen Seiten in die Falle geraten. Gefangen in einem Buch”, philosophiert Emma am Schluss ihrer Lebenserzählung. Doch leider ist es kein Brevier der Liebeslieder geworden, nur eine Sammlung öder Epitaphe.
NICO BLEUTGE
KARINE TUIL: Schaumhochzeit. Roman. Aus dem Französischen von Ralf Pannowitsch. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig 2003. 196 Seiten, 16,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.03.2003

Diskrete Scham der Bourgeoisie
Emanzipation als Zitat: Karine Tuil sät Zwietracht und erntet Haß

Karine Tuils Roman "Schaumhochzeit" führt geradewegs in die bürgerliche Familienhölle: Gluckenhaft wacht eine als geradezu grotesk häßlich beschriebene Mutter über das Leben ihrer Kinder, die sie nach allen Regeln der Manipulation vollkommen beherrscht. Mit dem Argument, nur das Beste zu wollen, rechtfertigt sie jeden weit ausholenden Übergriff ins Privatleben ihrer Kinder, die unterdessen zu Häufchen seelischen Elends geschrumpft sind. Die mütterliche Allmacht wird durch das Fehlen des verstorbenen Vaters potenziert. Der Sohn, ein erfolgreicher Anwalt, hat zwar die Flucht nach New York angetreten, der Kontrolle der Mutter aber ist er damit nicht entzogen. Mutter und Tochter leben, in unheilvoller Symbiose aufeinander konzentriert, in Paris.

Erzählt wird aus der Perspektive der Tochter, die pornographische Literatur lektoriert, allein lebt und mit einem verheirateten Mann liiert ist, über den man vor allem eines erfährt: daß er unter allen Umständen verheiratet bleiben will. Die Mutter aber ist besessen von dem Gedanken, ihre Tochter unter die Haube zu bringen. Die wehrt sich nach - allerdings schwach bemessenen - Kräften: "... ich führte einen Krieg gegen meine Mutter, gegen ihre Erziehung, die aus mir eine unbrauchbare Frau gemacht hatte, bar jeden Unternehmungsgeistes, unfähig, die kleinste Verantwortung zu schultern. Warum hatte sie aus mir dieses weiche und kraftlose Ding gemacht, das sie mit so viel Gewalt bearbeitete?"

Auch der vergötterte Sohn hat die mütterliche Liebesgewalt mit einem Leben auf der Psychiatercouch bezahlen müssen: "Mein Bruder war der große Spezialist für psychische Störungen. Seit er achtzehn war, hatte er eine Psychoanalyse nach der anderen durchlaufen." Naturgemäß scheitern alle Auflehnungsversuche der Kinder. Der Sohn will seine amerikanische Ehefrau verlassen, weil er sich in eine Deutsche verliebt hat. Diese in den Augen der jüdischen Mutter undenkbare Situation wird von ihr sogleich erfolgreich torpediert. Ebensowenig kann die Tochter ihren Junggesellinnenstatus beibehalten. Aus Willensschwäche heiratet sie einen Arzt: einen kompletten Kretin, wie sich schließlich herausstellt. Der wiederum wurde nicht nur von seiner Familie, sondern auch von seinem Beruf seelisch ruiniert. Er ist nicht mehr dazu in der Lage, eigene Sätze zu formulieren, sondern bedient sich ausschließlich wie eine Aufsagemaschine aus dem Zitatenschatz der - vor allem französischen - Literatur. Anders, so gibt er zu Protokoll, sei er nicht in der Lage, sein Leben zu ertragen.

Karine Tuil stellt jede ihrer Figuren mit demselben gnadenlosen Blick bloß. Ekelhaft, schwach, absurd und lächerlich sind sie alle, die Ich-Erzählerin Emma Blum eingeschlossen. Ihre Selbstbeschreibungen haben geradezu masochistische Züge. Überhaupt ist "Schaumhochzeit" ein kleines Buch des Hasses: wobei die hysterisch zugespitzten Tiraden oft komisch sind und in jedem Fall voller Gift. Sich selbst exponiert die Erzählerin etwa in einem Kapitel mit der Überschrift "Eine alte Jungfer". Den Heimat-Besuch ihres von der Mutter bevorzugten Bruders übertitelt sie "Die Rückkehr des verlorenen Sohnes ins Heilige Land", und von der Koexistenz mit ihrer Mutter in einer gemeinsamen Wohnung erzählt sie unter dem Titel "Vom Zusammenleben außerhalb des Mutterleibes".

Zu den Themen des Buches gehört nicht nur das hämische Schwelgen in der Darstellung desaströser Familienstrukturen, die unter dem Deckmäntelchen der Liebe hochgehalten und gefeiert werden. Karine Tuil liegt, so scheint es, das Offenlegen von Lügen und Prätentionen aller Art am Herzen. So gibt sich die Mutter in ihrem Status als ehemalige Näherin bei Chanel, als sei sie Coco Chanel selbst. Ihre Kleider kopiert sie ausschließlich nach den Kreationen der Mademoiselle. Mutter, Tochter und Sohn tragen nur Parfums der gleichen Marke, womit scheinbar eine gewisse Klassen- und Familienzusammengehörigkeit olfaktorisch bekräftigt wird - in Wirklichkeit aber nur die Abhängigkeit von der besessenen Mutter. Emmas Schwiegermutter wiederum - die Mutter des Zitatfabrikanten - gibt als Berufsbezeichnung "Sanitärverantwortliche" an, womit gemeint ist, daß sie als Toilettenfrau im Ritz arbeitet.

Mit einem Wort: Der diskrete Charme der Bourgeoisie mit ihren Lügen und Zwängen wirkt unverändert fort. Viel hat sich - nach dem Befund dieses Romans - auch nach Jahrzehnten der Frauenemanzipation nicht geändert. In wohl ironischer Resignation wird dem Roman das berühmte Verdikt Simone de Beauvoirs als Motto vorangestellt, nach dem die ledige Frau sich immer in bezug auf die Ehe definiert, "egal ob sie beim Gedanken an diese Institution frustriert ist, ob sie aufbegehrt oder sogar gleichgültig ist": Karine Tuils Protagonistin erlebt es mehr als ein halbes Jahrhundert nach Simone de Beauvoirs "Le deuxième sexe" am eigenen Leib. Auch der französische (Original-)Titel des Romans, "Du sexe féminin", spielt auf die Beauvoir an. An eine andere, wenn auch fiktionale Ikone aus den Schlachten des Geschlechterkriegs erinnert der Name ihrer Heldin, Emma, deren Nachname manchmal nur mit B. (wie Bovary) abgekürzt wird.

Die offenen literarischen Querverweise berühren allerdings ein Grundproblem des Buches: Es changiert etwas unglücklich zwischen kunstvoll-künstlicher intellektueller Spielerei und realistisch-psychologischer Darstellungsweise. Die Figuren sind halb Mensch, halb Karikatur, wobei sie in der im Roman dominierenden Betrachtung durch den Zerrspiegel des Spottes durchaus interessanter erscheinen. Manchmal ist es, als habe die Autorin sich nicht recht für eine Darstellungsweise entscheiden können oder als versuche sie, immer wieder die Ecken und Kanten ihres Sarkasmus zu glätten. Das geschieht, wenn sie ihre Figuren zunächst diffamiert und der Lächerlichkeit preisgibt, dann aber wieder um Verständnis und Sympathie für sie wirbt und an einer Stelle selbst behauptet, die monströse Mutter im Grunde zu lieben (was man der Erzählerin dann schon nicht mehr glaubt). So nimmt sie ihren eigenen Biß - vielleicht erschrocken vor der eigenen Courage - zurück und fügt sich selbst in das eigentlich attackierte Verhaltensmuster aus Höflichkeit, Fügsamkeit und zurückweichlerischer Nettigkeit.

MARION LÖHNDORF

Karine Tuil: "Schaumhochzeit". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Ralf Pannowitsch. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig 2003. 197 S., geb., 16,50 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Rezensentin Marion Löhndorf sieht diesen Roman "etwas unglücklich zwischen kunstvoll-künstlicher intellektueller Spielerei und realistisch-psychologischer Darstellung" changieren. Die Figuren, mit deren Hilfe sie die Autorin in der Darstellung desaströser Familienstrukturen schwelgen sieht, seien "halb Mensch, halb Karikatur". Im Zerrspiegel des Spotts erschienen die monströse Mutter und ihre beiden erwachsenen Kinder ihr dabei oft "durchaus interessant". Da die Autorin zwischendurch jedoch immer wieder versuche "Ecken und Kanten ihres Sarkasmus zu glätten", und um Sympathie und Verständnis für ihre Figuren zu werben, nimmt sie sich nach Ansicht der Rezensentin ihren eigenen Biss. Der Befund des Romans, hat die Rezensentin dagegen durchaus nachdenklich gemacht. In "wohl ironischer Resignation" sei ihm das berühmte Verdikt aus Simone de Beauvoirs "Le deuxieme sexe" vorangestellt, "nach dem eine ledige Frau sich immer in Bezug auf ihre Ehe definiert". Viel habe sich auch bis heute nicht geändert und der "diskrete Charme der Bourgeoisie mit ihren Lügen und Zwängen" wirke unverändert fort. An eine andere "Ikone des Geschlechterkampfes" erinnerte sie der Name der Protagonistin, Emma Blum, deren Nachnamen sie manchmal nur mit "B." abgekürzt fand.

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