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Produktdetails
  • Verlag: Das Neue Berlin
  • Seitenzahl: 454
  • Abmessung: 215mm
  • Gewicht: 690g
  • ISBN-13: 9783360008480
  • ISBN-10: 3360008480
  • Artikelnr.: 25553060
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.1999

Der Mond ist doch oben
Sigmund Jähn erlebte auch am Boden einiges / Von Günter Paul

Es ist der 3. September 1978. Soeben sind Waleri Bykowski und Sigmund Jähn aus der Steppe kommend, wo die beiden nach einer Woche Raumflug gelandet waren, in Dsheskasgan eingetroffen. Jähns Arzt Hans Haase erinnert sich: "Als die Kosmonauten aus dem Hubschrauber ausstiegen und auf uns Wartende zukamen, bildete sich ein Spalier. Plötzlich bückte sich Sigmund - nach einem Blumenstrauß. Der war einem Mädchen aus der Hand gefallen." Eine Geste, die diesen ersten deutschen Raumfahrer trefflich charakterisiert. Allen, die Jähn einmal begegnen, fallen seine Ruhe, seine Freundlichkeit und seine Bescheidenheit auf. Über diesen in der DDR häufig zu Propagandazwecken missbrauchten Menschen hat Horst Hoffmann jetzt eine autorisierte Biografie unter dem Titel "Der fliegende Vogtländer" verfasst.

Eine wesentliche Grundlage für das Buch bildete das 1983 im Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik erschienene Buch "Erlebnis Weltraum", in dem Jähn über die Zeit von seiner Ernennung zum Kosmonautenkandidaten bis zum Ende seines Aufenthalts an Bord der sowjetischen Raumstation Salut 6 schrieb: ein sympathischer Bericht über eine kurze, aber wichtige Epoche im Leben eines besonderen Generals der Nationalen Volksarmee. In der neuen Biografie sind nun Jugend und Ausbildung mit einbezogen und die Zeit nach seinem Raumflug. Freilich erfährt der Leser nicht besonders viel.

Hoffmann schildert, wie Jähn in der vogtländischen Gemeinde Morgenröthe-Rautenkranz aufwuchs, wie er junger Pionier wurde und sich entschloss, nicht zur Oberschule zu gehen, weil er sonst als Einziger aus seiner Klasse in eine andere Stadt hätte wechseln müssen. Stattdessen ließ er sich zum Buchdrucker ausbilden. In all diesen Jahren wuchsen seine Heimatliebe und Naturverbundenheit. Gleichwohl meldete er sich als Freiwilliger zur Kasernierten Volkspolizei, die dann in die Nationale Volksarmee überging, und wurde Jagdflieger.

Über Jähns Leben als Jagdflieger würde der Leser gerne mehr hören. Wenigstens erfährt er, dass Jähn von 1966 bis 1970 an der Militärakademie der Sowjetischen Luftstreitkräfte "Juri Gagarin" in Monino bei Moskau ausgebildet wurde. Diese vier Jahre gehören für Jähn zur entscheidenden Zeit seines Lebens: "Bei den ,Gagarins' lernte ich die Menschen dieses Vielvölkerstaates zu verstehen - ihr Fühlen und ihr Denken, ihren Stolz und ihren Kummer." Im Sommer 1976 entschloss man sich in Moskau, Jagdfliegern aus den sozialistischen Staaten, die am "Interkosmos"-Forschungsprogramm des Ostblocks beteiligt waren, die Möglichkeit zu gemeinsamen Raumflügen mit russischen Kosmonauten zu gewähren. Damit wollte die Sowjetunion unter anderem, wie Hoffmann schreibt, die Lage in diesen Ländern stabilisieren.

In Ost Berlin war man freilich beleidigt, weil 1978 erst ein Kosmonaut aus der Tschechoslowakei, dann ein Pole und erst an dritter Stelle ein Deutscher zur Raumstation fliegen sollten. Der Grund lag darin, dass sich 1978 der Prager Frühling zum zehnten Mal jährte und die Situation in Polen kritische Formen annahm. Von den politischen Verwicklungen und Zwängen hat Jähn 1983 in seinem Buch nur weniges andeuten können. Dass sich sein Raumschiff, das ihn schließlich als ersten Deutschen ins All gebracht hatte, bei der Landung überschlug, ist bei ihm sogar schon formuliert.

Interessant ist, wie sich Hoffmann zur geografischen Lage des Weltraumbahnhofs "Baikonur" äußert. Er schildert nämlich, was sich im Laufe der Geschichte in der Nachbarschaft von Baikonur zutrug, ohne zu erwähnen, dass der Weltraumbahnhof gar nicht in der Nähe dieser gleichnamigen Stadt liegt. Der Name sollte im Kalten Krieg die wahre Position verschleiern. Fühlt sich der Autor dieser Strategie noch verpflichtet? Für Hoffmann ist es offenbar wichtiger, darzustellen, dass Jähns von der DDR erhaltene Auszeichnungen von der Bundesrepublik nicht anerkannt werden - was bedauerlich ist - und dass seine als General erworbene Zusatzpension gestrichen wurde, als seinen Weg zum General hin klar aufzuzeichnen.

Nach dem Raumflug ist Jähn zum "Chef des Zentrums Kosmische Ausbildung beim Kommando Luftstreitkräfte/Luftverteidigung der Nationalen Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik" in Eggersdorf vor den Toren Berlins ernannt worden, der er bis 1990 blieb. Die DDR hatte Interesse an einem zweiten deutschen Raumflug, aus dem aber vor allem aus finanziellen Gründen nichts wurde. Zusammen mit seinem medizinischen Berater Haase stellte Jähn 1982 Grundsätze für die Auswahl und Vorbereitung von Kosmonauten auf. Womit er sich sonst als Chef des Zentrums Kosmische Ausbildung beschäftigte - abgesehen von Vorträgen in aller Welt -, bleibt weitgehend unklar.

Im Jahr 1988 begannen in Moskau Vorgespräche zwischen Glawkosmos und westlichen Raumfahrtinstitutionen über den Flug westlicher Kosmonauten zur Raumstation Mir. In diesem Zusammenhang wurde Jähn noch vor dem Fall der Mauer von der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln-Porz gefragt, ob er die bundesdeutschen Raumfahrer bei der Ausbildung betreuen könne. Als Berater für die DLR und dann auch für die europäische Raumfahrtbehörde Esa hat Jähn alle westeuropäischen Kosmonauten betreut, die zur Raumstation Mir geflogen sind. In dieser Funktion ist er ständig im Sternenstädtchen bei Moskau, wo er selbst seine Kosmonauten-Ausbildung erhalten hat. Seine Arbeit wird allseits geschätzt, weil er es gelernt hat, mit den Russen umzugehen.

Das eher enttäuschende Buch schließt mit dem Abdruck der Aussagen von Zeitzeugen, von denen einige als Ergebenheitsadressen schlichtweg überflüssig sind. Interessanter als das gesamte restliche Buch sind dagegen die Äußerungen von Gerhard Kowalski, der seinerzeit als Korrespondent der ostdeutschen Nachrichtenagentur ADN den Auftrag bekommen hatte, die Berichterstattung zum Flug Jähns vorzubereiten. Dafür waren Richtlinien gesetzt worden. Es sollten die "ausgeprägten hohen politisch-moralischen Eigenschaften" der Kosmonauten und ihre "sozialistische Persönlichkeit" sowie ihre Vorbildwirkung für die Jugend herausgestrichen werden.

Schwierigkeiten bereitete das Interview mit den Eltern von Eberhard Köllner, der wie Jähn zum Kosmonauten ausgebildet wurde. Damit sich der eingeschüchterte Vater vor laufender Kamera positiv äußerte, wurde er zunächst mit rumänischem Weinbrand aufgelockert. Und dann sagte er vor der Kamera, er wisse genau, dass sein Eberhard nur Ersatzmann sei, was er nicht begreifen könne: "Schließlich sei sein Junge nicht schlechter als Jähn. Er verstehe deshalb auch nicht, warum man nicht beide Deutsche zusammen fliegen lasse. Die Russen könnten ja ohnehin öfter fliegen." Weil Köllner tatsächlich nur Jähns Ersatzmann wurde, konnte das Interview rasch in der Versenkung verschwinden.

Die größten Schwierigkeiten während des Starts, so schreibt Kowalski, hätten die Fotografen gehabt, die nur japanisches Filmmaterial verwenden durften, das dann von den Russen entwickelt wurde. Die Fotografen erhielten nur die genehmen Bilder zurück - bisweilen nur eins pro Film. Den geglückten Start Jähns feierten die deutschen Journalisten dann im selben Hotel wie die russischen, aber in einem anderen Raum. Ihre russischen Kollegen durften sie dazu nicht einladen - so viel zur Phrase vom "unverbrüchlichen Bruderbund".

Bei der Begrüßung der Kosmonauten in Dsheskasgan habe es dann Schwierigkeiten gegeben, weil neben der sowjetischen und der kasachischen Fahne zunächst die schwarz-rot-goldene Bundesflagge gehangen habe - ohne Hammer, Sichel und Ährenkranz. Und der Wolga schließlich, mit dem die Kosmonauten chauffiert wurden, hatte deutsche Multifunktionsstander mit den bundesdeutschen Fahnen auf der einen und den Insignien des Arbeiter- und Bauern-Staates auf der anderen Seite. Die Fotografen drehten kurzerhand die DDR-Seite in Richtung Kamera, wodurch ein Stander nach vorne und der andere nach hinten zeigte. Diese Kuriosität falle aber nur dem ganz aufmerksamen Beobachter auf. Ein wenig mehr Neugier und Genauigkeit hätten dem Biografen Hoffmann gut getan.

Horst Hoffmann: "Der fliegende Vogtländer - Sigmund Jähn". Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1999. 480 S., geb., 34,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Günter Paul äußert sich eher enttäuscht über diese Biographie des ersten Deutschen im All. Ausführlich schildere Hoffmann etwa die Umgebung der Stadt Baikonur, obwohl die Raumstation, von der Jähn die Rakete bestieg, ganz wo anders lag und nur diesen Namen trug, um westliche Geheimdienste zu verwirren. Auch über Jähns Zeit als Jagdflieger hätte Paul gern mehr erfahren. Dennoch findet er manche Anekdote im Band, die er in seiner Kritik gern nacherzählt.

© Perlentaucher Medien GmbH
-Bereits vor meinem Flug wußte ich, daß unser Planet klein und verwundbar ist. Doch erst als ich ihn in seiner unsagbaren Schönheit und Zartheit aus dem Weltraum sah, wurde mir klar, daß der Menschheit wichtigste Aufgabe ist, ihn für zukünftige Generationen zu hüten und zu bewahren.- (Sigmund Jähn)