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Wer sind die Leute, von denen Inge Heym erzählt? Ein Künstler ist darunter, alleinstehend und Besitzer eines gelben Trabants, also, was die Damen angeht, ist er geradezu gefährdet. Und ein Rentner, der ins Gerede kommt: "Je oller, je doller." Auch Eddi, der meint, wir haben den Sozialismus aufgebaut, nun sollen mal andere ran. Dann ist da noch der ominöse Herr Ziepke, den selbst die Gören auf der Straße Staasiziepke nennen. Inge Heyms Geschichten erzählen über eine Zeit, die vorüber ist, und auch über Probleme, die so nicht mehr existieren. Aber sie erzählen über Lebenssichten und…mehr

Produktbeschreibung
Wer sind die Leute, von denen Inge Heym erzählt? Ein Künstler ist darunter, alleinstehend und Besitzer eines gelben Trabants, also, was die Damen angeht, ist er geradezu gefährdet. Und ein Rentner, der ins Gerede kommt: "Je oller, je doller." Auch Eddi, der meint, wir haben den Sozialismus aufgebaut, nun sollen mal andere ran. Dann ist da noch der ominöse Herr Ziepke, den selbst die Gören auf der Straße Staasiziepke nennen.
Inge Heyms Geschichten erzählen über eine Zeit, die vorüber ist, und auch über Probleme, die so nicht mehr existieren. Aber sie erzählen über Lebenssichten und Empfindungen, über Bodenständiges und hilfreiche Schnoddrigkeit, über Leute mit viel Herz und Schnauze.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.07.2000

Schnauze
Berliner Geschichten

1982 erschienen in der DDR Irina Liebmanns literarische Reportagen vom Stadtbezirk Prenzlauer Berg, "Berliner Mietshaus", Prosaszenen aus den kleinbürgerlichen Reservaten der sozialistischen Gesellschaft. Im gleichen Jahr entstanden Inge Heyms Berliner Geschichten "Die Leute aus meiner Straße". Erst jetzt hat sie der Eulenspiegel Verlag gedruckt. Von der Frau des Schriftstellers Stefan Heym waren keine lammfrommen Illustrationen der Parteitagsbeschlüsse zu erwarten. Doch war es auch kein explosiver Zündstoff, der fast zwei Jahrzehnte in der Schublade lagerte. An die Wurzeln des Staats wollte die Autorin, die bis 1981 als Dramaturgin und Szenaristin im Defa-Studio für Spielfilme arbeitete, keinen Sprengsatz legen. Doch wirken die Erzählungen keineswegs wie Balsam für das gegenwartsverdrossene Heimweh nach der DDR.

Das Handwerk der Film-Szenaristin kommt der Erzählerin zustatten. Die Geschichten sind fürs innere Auge geschrieben: der genervte Mann, der seiner Frau einen Denkzettel verpassen will und einen Tod durch Erhängen vortäuscht; das Plakat mit dem Aufruf zur Verschönerung der Umwelt auf einem heruntergekommenen S-Bahnhof; die Zurückweisung im Autobahn-Intershop, der für Käufer aus dem Westen geöffnet ist und den DDR-Bewohner im eigenen Land zum Bürger zweiter Klasse degradiert: der nachts mit dem Taxi nach Hause kommende Herr im Wildledermantel, der im Hausbuch als "Anrechtswerber" eingetragen ist und den die Gören auf der Straße präziser den "Stasiziepke" nennen. Kleine Geschichten, in denen der Alltag das Gelobte Land des Sozialismus grau erscheinen lässt.

Nicht, dass der Kapitalismus gelobt würde. Doch wuchert die Autorin mit einem volkseigenen Kapital: der berlinischen Mundart, Schnauze genannt. Die Erzähler und die zu Wort kommenden Berliner - sie haben nicht immer das Herz, aber die Zunge auf dem rechten Fleck. Bei den Freundinnen des glücklosen Künstlers beginnt es mit dem "Kuschimuschi"; erst "legen se sich hin", dann "legen se sich quer". Die tüchtige Ärztin sieht leider so aus, dass man sie "am liebsten ooch gleich zum Arzt schicken möchte".

Mit ihrem späten ersten Buch schlägt Inge Heym aus der Asche der DDR nur noch Funken. Aber wer Freude an Berliner Geschichte hat, den wird die Lesekost, die nach achtzehn Jahren aus dem Tiefkühlfach kommt, erwärmen.

WALTER HINCK

Inge Heym: "Die Leute aus meiner Straße". Berliner Geschichten. Eulenspiegel Verlag (Das Neue Berlin), Berlin 2000. 96 S., geb., 22,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In seiner kurzen Besprechung äußert sich Walter Hinck freundlich über das Buch, auch wenn er keinen "explosiven Zündstoff" darin erblicken kann. Die Erzählungen, die bereits in den achtziger Jahren entstanden, doch erst jetzt erschienen sind, porträtierten den Alltag in der DDR mit feinem Gehör für die berühmte Berliner "Schnauze", so der Rezensent anerkennend. Und so schlage die Autorin zwar "aus der Asche der DDR nur noch Funken", ohne jedoch ernsthaft Kritik am Staat zu üben, doch seien ihre Schilderungen allemal für die Leser interessant, die etwas über die Berliner Geschichte erfahren möchten, meint der Rezensent.

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