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Die Überwindung der Schwerkraft durchs Erzählen Schon als Kind will Theodor Leudoldt hoch hinaus, am liebsten ganz bis zu den Sternen. Ein ambitioniertes Projekt in Zeiten des späten Kaiserreichs, doch Visionen kennen keine Grenzen. Und seine Frau und seine Tochter Ursula stehen ihm nicht nach. Ihre Fliehkraftversuche mit Tieren im Keller der Leudoldt'schen Villa lassen auf nichts anderes schließen: Ihr Ziel ist das All. Doch erst nach Kriegsende rückt die Erfüllung des Familientraums durch die Mitarbeit am US-Raumfahrtprogramm in der Raketenstadt Twickenham ein gehöriges Stück näher. Auch…mehr

Produktbeschreibung
Die Überwindung der Schwerkraft durchs Erzählen Schon als Kind will Theodor Leudoldt hoch hinaus, am liebsten ganz bis zu den Sternen. Ein ambitioniertes Projekt in Zeiten des späten Kaiserreichs, doch Visionen kennen keine Grenzen. Und seine Frau und seine Tochter Ursula stehen ihm nicht nach. Ihre Fliehkraftversuche mit Tieren im Keller der Leudoldt'schen Villa lassen auf nichts anderes schließen: Ihr Ziel ist das All. Doch erst nach Kriegsende rückt die Erfüllung des Familientraums durch die Mitarbeit am US-Raumfahrtprogramm in der Raketenstadt Twickenham ein gehöriges Stück näher. Auch wenn Frauen für das Astronautentraining nicht zugelassen sind, das Schicksal der frühen Vögel erfüllt sich dennoch - im Space Race mit den Sowjets.

Nahezu schwerelos und freihändig die Weltgeschichte bereisend erzählt "Frühe Vögel" von einer denkwürdigen Erfinder-Dynastie und erfindet sich im Erzählen selbst immer wieder neu.

"Ein Roman? Nein, ein fliegender Teppich oder besser: ein Raumschiff inklusive Zeitmaschine, das den Leser in Welten und Epochen entführt, die man so noch nicht erlebt hat." -- Thomas von Steinaecker
Nahezu schwerelos erzählt "Frühe Vögel" von einer Erfinder-Dynastie und erfindet dabei das Erzählen auf beeindruckende Weise neu: Theodor Leudoldt will hoch hinaus, am liebsten ganz bis zu den Sternen. Ein ambitionier-tes Projekt in Zeiten des späten Kaiserreichs, doch Visionen kennen keine Grenzen. Seine Tochter Ursula steht ihm in nichts nach. Ihre geheimen Fliehkraftversuche lassen auf nichts anderes schließen: Ihr Ziel ist das All. Nach Kriegsende rückt die Erfüllung des Familientraums durch die Mitarbeit am US-Raumfahrtprogramm näher. Auch wenn Frauen für das Astronautentraining nicht zugelassen sind, das Schicksal der frühen Vögel erfüllt sich dennoch - Ursulas Tochter wird die erste Frau auf dem Mond.

"Ein Roman? Nein, ein fliegender Teppich oder besser: ein Raumschiff inklusive Zeitmaschine, das den Leser in Welten und Epochen entführt, die man so noch nicht erlebt hat."
Thomas von Steinaecker
Autorenporträt
Senkel, Matthias
Matthias Senkel, geb. 1977 in Greiz, lebt und arbeitet in Leipzig, Preisträger des 17.Open Mike sowie Gewinner des Preises der taz-Publikumsjury. Er schreibt Lyrik und Prosa und veröffentlichte seine Texte bislang in Zeitschriften und Anthologien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.05.2012

Von Lastaufzügen zur Luftfahrt

So war das damals: In seinem Debütroman "Frühe Vögel" erzählt Matthias Senkel von technischen Experimenten und ästhetischen Visionen - und liefert eine eigenwillige Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts.

Vom unbändigen Willen, die Schwerkraft zu überwinden, erzählt dieser Roman, und auf den ersten Blick hat es den Anschein, als sei es vor allem das Material, das hier die Schwerkraft überwunden hat, als hätte Matthias Senkel für seinen Debütroman "Frühe Vögel" einen Zettelkasten, gut gefüllt mit Notizen zum vergangenen Jahrhundert, schwungvoll ausgeleert, um anschließend die Karteikarten neu zu ordnen. Mit dem Ergebnis, dass das letzte Drittel des Romans, gut hundert Seiten, allein aus einem Personenregister besteht. "Exit Personnage" hat der 1977 im thüringischen Greiz geborene Senkel, der im Jahr 2009 den Open Mike gewonnen hat, diesen Teil seines Romans genannt. Dreihundert Figuren, fiktive wie historische, werden darin jeweils mit einer kleinen Geschichte versehen. In der Mehrzahl sind es Episoden über ihr meist skurriles Ableben: starrsinnige Kosmonauten, die beim Reparieren ihres Fernsehers sterben, CIA-Beamte, die von Baugerüsten stürzen, und Ärzte, die in kambodschanischen Güllegruben ertrinken.

Nicht nur eine Ansammlung konträrer Biographien des zwanzigsten Jahrhunderts ist allerdings dieser letzte und umfangreichste Abschnitt von Senkels Roman - den man getrost vor den anderen acht Teilen lesen mag, denn die Auflösung von Kontinuität ist das ästhetische Pendant zur Überwindung der Erdanziehung, die Senkel seinem Roman zugrunde legt. Im letzten Teil zeigt sich mit dem emphatischen Bekenntnis zur kleinen Form ein weiteres Prinzip dieses Erzählens. Ein Bekenntnis zum Fragmentarischen und zu der Überzeugung, dass sich aus dem Zusammenspiel der ungeordneten Teile ein Ganzes ergibt.

Bei Senkel ist diese große Geschichte, die er in vielen kleinen Teilen erzählt, eine Geschichte der Aeronautik im zwanzigsten Jahrhundert. Eine vollends fiktive allerdings, die nur durch ein paar historische Anker in der Wirklichkeit verhakt ist. Theodor Leudoldt heißt die Figur, mit der Senkels Geschichte über die Faszination des Fliegens seinen Ausgang nimmt. Spross einer Eisenbahnerfamilie und seines Zeichens Versicherungsangestellter, der in seinem Unternehmen dem Fachbereich "L" zugeordnet ist und sich nicht nur mit Lastaufzügen, sondern auch mit der Luftfahrt zu beschäftigen hat. Für Letztere begeistert sich Theodor sofort. Mit einem Ton, der eine Spur süffisant und altmodisch, dem bürgerlichen Roman entlehnt scheint, erzählt Senkel in kurzen, der Chronologie beraubten Textblöcken über Theodors Geschicke, sein oftmals etwas kurioses Liebesleben, vor allem aber über seine Faszination für das Fliegen, diesen Urtraum der Menschheit.

In diesem vermeintlichen Gegensatz von Ton und Form funktioniert Senkels Roman erstaunlich gut. Das mag daran liegen, dass die Formen selbst, die Möglichkeiten des Erzählens, bei Matthias Senkel mit großer Intensität ausgelotet und in alle Richtungen gebogen werden. Nebenbei ist sein Theodor ein leidenschaftlicher, wenn auch nur leidlich begabter Dichter. Seine Poetologie steht in einem eigenartigen Widerspruch zu der seines Erfinders. Im Kreise des "Fortschrittlichen Literarischen Zirkels" erklärt Theodor etwa: "Er glaube nicht, dass sich die heutige Welt noch im Roman fassen lasse - weder durch die Artistik der Form noch durch Umfang. Folglich werde er die Welt im Reagenzglas der Lyrik eindampfen, bis sie in die sprichwörtliche Nussschale passe."

Jene Artistik der Form ist es aber eben, die Senkel - der neben Prosa auch Lyrik schreibt - in seinem Roman ausprobiert. In einem retrospektiven Sinne allerdings. So wie er Figuren und Ereignisse aus dem zwanzigsten Jahrhundert gesammelt und neu zusammengefügt hat, hat er auch die Sprengsel dessen zusammengetragen, was einmal experimentelles Erzählen war. Die Reise zum Mond, die zwar nicht Theodor, wohl aber seiner Enkeltochter zu gelingen scheint, wird unter der Überschrift "Worin dreidimensionale Angaben letzten Endes keinen Sinn mehr ergeben wollen" als Interview rekonstruiert - wie Joyce es in einer Passage seines "Ulysses" macht. Unvermittelt taucht an anderer Stelle ein sprechender Hund auf - den man als Eigenart aus Pynchon-Romanen kennt. Der vierte Teil des Buches, der den Versuch der Nationalsozialisten behandelt, Theodors Flugforschungen zu okkupieren, kommt als Comic daher, gezeichnet von der Illustratorin Maryna Zhdanko. Unverkennbar sind auch die Anleihen, die Senkel beim lexikalischen Erzählen von Milorad Pavic und dessen "Chasarischem Wörterbuch" nimmt.

Und so erzählt Senkel die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts als Geschichte ihrer Entwürfe, Experimente und Visionen, der technischen wie der ästhetischen. Auf diese Weise entsteht, gerade durch Senkels Sympathie für Abseitiges und schräge Figuren, ein phantastischer kleiner - und eigentlich unendlich großer - Kosmos. Dadurch allerdings, dass Senkel das, was einstmals visionär war, nur rekonstruieren kann, wird bisweilen auch die Diskrepanz deutlich zwischen der Inbrunst, mit der die Figuren sich ihren Experimenten verschrieben haben, und der Abgeklärtheit des Textes, der in der Offenlegung seiner Mittel Gefahr läuft, zum bloßen Formspiel zu werden.

WIEBKE POROMBKA

Matthias Senkel: "Frühe Vögel". Roman.

Mit einem Comic von Maryna Zhdanko. Aufbau Verlag, Berlin 2012. 298 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensent Daniel Jurjew stellt Matthias Senkel für seinen Debütroman ein gutes Zeugnis aus. Wie wir erfahren handelt es sich bei "Frühe Vögel" um die fiktive Geschichte der Raumfahrt, die uns unter anderem mit Pionieren wie dem Osmanen Lagari Hasan Celebi bekannt macht. Ziemlich turbulent geht es in dieser Geschichte zu, als roter Faden ziehen sich die seltsamen Todesumstände der Helden durch das Buch, wie wir Jurjews Darstellung entnehmen. Denn so viel macht Jurjew deutlich: Wenn mal will, kann man diesem Roman eine chronologische Handlung entnehmen, man kann aber auch an der randomisierten Form der Informationsvermittlung seine Freude haben.

© Perlentaucher Medien GmbH
" Satirisch schreibt sich Senkel durch zahlreiche Varianten von Todesarten. (...) Erfrischend und erkenntnisreich. " Susanne Schulz Nordkurier 20130911