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Die schonungslose Bilanz eines Dichterlebens: Es begann in der literarischen Dissidentenszene im Moskau der siebziger Jahre mit großen Illusionen. Sie alle waren jung, verliebt und voller Hoffnung. Was ist aus ihnen geworden und was von ihren Träumen nach dreißig Jahren übriggeblieben?
Ein großer Dichter wollte Lew werden, das wollten sie damals alle, die in den siebziger Jahren in den Poetenkeller kamen und sich gegenseitig ihre Gedichte vortrugen. Heute, fast fünfzigjährig, blickt er zurück. Sein Leben hat immer zwei Planeten umkreist. Der eine war seine große Liebe Anja, die jedoch einen…mehr

Produktbeschreibung
Die schonungslose Bilanz eines Dichterlebens: Es begann in der literarischen Dissidentenszene im Moskau der siebziger Jahre mit großen Illusionen. Sie alle waren jung, verliebt und voller Hoffnung. Was ist aus ihnen geworden und was von ihren Träumen nach dreißig Jahren übriggeblieben?

Ein großer Dichter wollte Lew werden, das wollten sie damals alle, die in den siebziger Jahren in den Poetenkeller kamen und sich gegenseitig ihre Gedichte vortrugen. Heute, fast fünfzigjährig, blickt er zurück. Sein Leben hat immer zwei Planeten umkreist. Der eine war seine große Liebe Anja, die jedoch einen seiner Freunde geheiratet hat. Der andere war sein großes Vorbild, der Dichter und Dissident Tschigraschow. Heute gilt Lew als dessen Biograph. Was er selbst als Dichter veröffentlicht hat, ist eher bescheiden.
In sein Leben tritt plötzlich Nikita, der genau Bescheid weiß über all die Ereignisse in ihrer Jugend und der sich mehr und mehr einmischt. Mit
radikaler Ehrlichkeit ermittelt Lew gegen sein früheres Ich, entblößt seine Seele, deckt die Wahrheit auf - mit allen dunklen Flecken, die man sich
niemals eingestehen will. "Man liest das Buch mit nicht nachlassendem Interesse. Auf begeisternde Weise fügen sich Sujet und Komposition mit fast Nabokovschem Geschick; alle'an die Wand gehängten Gewehre'gehen - nach Tschechow - auch tatsächlich los. So muß ein Roman geschrieben werden!"Jeshe Prawda
Autorenporträt
Andreas Tretner, geb. 1959 in Gera ist Übersetzer u.a. von Boris Akunin und Vladimir Sorokin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.08.2006

Rußland im Konsumfreßrausch

Es spricht wohl für die Kraft einer Kultur, wenn ein Roman, der die literarische Epoche verabschiedet, nationaler Bestseller wird. Das traurig-stolze Ziel erreichte vor vier Jahren der russische Poet und Prosaautor Sergej Gandlewski, dessen Heimat den Übergang von entbehrungsfreudiger Dichterverehrung zum Konsumfreßrausch besonders radikal vollzogen hat. Unter dem literaturarchäologischen Titel "Nrzb", einer Philologen-Abkürzung für "unentzifferbar", erzählt Gandlewski von einer Schriftstellerkarriere, die nicht abhebt und gerade dadurch Epochensymbol wird. Kulturexistentialistisch als "Warten auf Puschkin" überschrieben, erschien die deutsche Übersetzung jetzt im Aufbau-Verlag.

Den zeitgeschichtlichen Abgrund überbrückt eine Chronistenfigur aus der Dissidentenszene der siebziger Jahre. In der Untergrundaristokratie der Literatenzirkel findet der angehende Poet seine Laura, die seinen Pegasus beflügelt, und schmiedet eifrig Gefühle zu Versen. Doch die geniale Liebeslyrik auf ein Schmetterlingsmädchen verfaßt nicht er, sondern ein Kultdichter, den zu kommentieren sein Hauptlebensinhalt wird. Auch die Liebeserfüllung gewährt seine Muse einem anderen.

Wie ein Weberschiffchen springt Gandlewskis gepflegte Bildungsprosa zwischen dem Einst und Jetzt hin und her. Im inspirierten Damals, da der Mann etwas galt, wenn ihm eine Gedichtzeile glückte, erklomm der liebes- und wodkatrunkene Held die Hochhauszelle seiner Angebeteten. Den heutigen Merkantilismus genießen nur seine ungeliebte, pauschalurlaubende Gattin und jene Moskauer Nachtschwärmer, von denen eine den "traurigen Papi" an seinen Schmetterling erinnert. Für ein paar Dollar gibt sie dem überflüssigen Intellektuellen zwanzig Minuten lang das, was die andere zwanzig Jahre verweigerte. Eine Kommunion mit der entgötterten Bedürfniserfüllungswelt, deren Schilderung durch ihren beinahe rücksichtsvollen Ton die Verluste doppelt spürbar macht.

KERSTIN HOLM

Sergej Gandlewski: "Warten auf Puschkin". Roman. Aus dem Russischen übersetzt von Andreas Tretner. Aufbau-Verlag, Berlin 2006. 215 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der Rezensent Ulrich M. Schmid zeigt sich angetan von Sergej Gandlewskis fein ironischem Roman über die Szene der russischen Dichter-Dissidenten und deren Neigung, ihren gemeinsamen literarischen Lektürehintergrund für realer zu halten als die Drangsalierung durch den sowjetischen Machtapparat. Amüsiert hat den Rezensenten dabei, dass bei den literarischen Präferenzen der Dissidenten keineswegs bunte Anarchie herrscht, sondern ganz im Gegenteil ein "fester Kanon" gilt. Mit seiner Aufdeckung der "geheimen Hierarchie des Untergrund-Literaturbetriebs", so das Fazit des Rezensenten, gelinge Gandlewski eine "witzige Allegorie auf die Mythen, Stilisierungen und Selbstbespiegelungen der russischen Autoren".

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