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Ein literarisches Ereignis auf deutsch
In dichten, poetischen Bildern entrollt sich vor dem Leser das pulsierende, chaotische, bunte Leben Roms. Und ganz nebenbei legt dieses schillernde Mosaik aus der Zeit der durch die Alliierten befreiten Stadt Zeugnis ab von einem dramatischen Wendepunkt in der politischen Geschichte Italiens. Eine literarische Wiederentdeckung, vom Autor des internationalen Bestsellers "Christus kam nur bis Eboli". Im Spätsommer 1945 herrscht in ganz Italien Aufbruchstimmung. Der Krieg ist überwunden, GIs kurven in Jeeps durch die Straßen Roms, junge Frauen bekommen…mehr

Produktbeschreibung
Ein literarisches Ereignis auf deutsch

In dichten, poetischen Bildern entrollt sich vor dem Leser das pulsierende, chaotische, bunte Leben Roms. Und ganz nebenbei legt dieses schillernde Mosaik aus der Zeit der durch die Alliierten befreiten Stadt Zeugnis ab von einem dramatischen Wendepunkt in der politischen Geschichte Italiens. Eine literarische Wiederentdeckung, vom Autor des internationalen Bestsellers "Christus kam nur bis Eboli". Im Spätsommer 1945 herrscht in ganz Italien Aufbruchstimmung. Der Krieg ist überwunden, GIs kurven in Jeeps durch die Straßen Roms, junge Frauen bekommen von ihren "boyfriends" Seidenstrümpfe und träumen von "l'America". Auf dem Schwarzmarkt gibt es duftendes Weißbrot und Zigaretten. Ein lauer Abend, ein Akkordeon und die Freiheit sind Anlaß genug, um die Nacht hindurch zu tanzen. Die Angehörigen der verschiedenen Widerstandsgruppen glauben noch an einen gemeinsamen politischen Aufbruch. Doch schon in der ersten freien Wahl bröckelt das durch Krieg und Faschismus zusammengeschweißte Bündnis und ergibt sich dem korrupten Ränkespiel politischer Interessen, an dem Italien bis heute krankt.
Unmittelbar nach seinem Erscheinen 1950 aus politischen Gründen aufs heftigste kritisiert und diffamiert, geriet der Roman für Jahrzehnte in Vergessenheit. Seit seiner Wiederentdeckung gilt er als eines der bedeutendsten Werke der italienischen Nachkriegsliteratur.
Autorenporträt
Carlo Levi wurde 1902 in Turin als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie geboren. Er studierte Medizin und schloß sich schon früh der linksintellektuellen, antifaschistischen Arbeiterbewegung an. Später sollte er zu einer der führenden Persönlichkeiten des italienischen Widerstandes werden. Noch während des Studiums wendet er sich der Malerei zu und arbeitet bis zum Verbot seiner Bilder in Italien erfolgreich als Maler. Mitte der zwanziger Jahre geht er in den Untergrund, wird 1935 verhaftet und in die Verbannung nach Süditalien geschickt. Nach der Befreiung Italiens leitet er in Rom die linksliberale Tageszeitung Italia Libera. Er lebte bis zu seinem Tod 1975 als Maler und Feuilletonist.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.01.2006

Der verwehte Nordwind
Die Untoten des Krieges und die Strategie der Spinne: Carlo Levis bildkräftiger Wendezeit-Roman „Die Uhr” erzählt von Rom im Jahre 1945
Man sprach vom Nordwind im Italien des Jahres 1945. Der Krieg war zu Ende, kurzlebige Regierungen folgten einander, Kommunisten und Christdemokraten belauerten sich. „Il Vento del Nord”, das war die Metapher für die politischen Energien der Resistanza, die in der Toscana und Norditalien gegen die Deutschen gekämpft hatte und nun, voller Misstrauen gegen den alten Staatsapparat, Ansprüche auf das politische Zentrum, auf Rom erhob. Der Nordwind schien Auftrieb zu erhalten, als im Juni 1945 Ferruccio Parri Ministerpräsident wurde, ein Mitglied des aus der Resistenza hervorgegangen Partito d‘Azione. Aber die Regierung Parri scheiterte schon Ende November 1945. Parris Nachfolger wurde Alcide de Gasperi, die Zentralfigur der Konsolidierung Nachkriegsitaliens unter der Führung der Christdemokraten.
Carlo Levi (1902-1975) war ein gebürtiger Turiner, der Medizin studiert, sich dann aber der Malerei zugewandt hatte, immer wieder nach Paris fuhr, an Ausstellungen teilnahm, zugleich aber in der antifaschistischen Bewegung „Giustizia e Libertá” aktiv war. 1934 zum ersten Mal verhaftet, wurde er 1935 für mehrere Jahre nach Süditalien verbannt und setzte nach der vorzeitigen Entlassung seine politische Tätigkeit fort. Im Winter und Frühjahr 1943/44 schrieb er, in Fiesole und Florenz versteckt, sein Buch über die Verbannung in Lukanien.
Die verschlossene Stadt
„Christus kam nur bis Eboli” erschien 1945 im Turiner Verlag Giulio Einaudi, wurde einer der großen internationalen Bucherfolge der Nachkriegszeit und machte seinen Autor schlagartig berühmt. Hingebungsvoller hatte sich noch kein norditalienischer Autor in die Welt des italienischen Südens versenkt, eindringlicher noch keiner die Herausforderung beschrieben, die von den „contadini” und ihrer Welt „vor der Geschichte” für den modernen italienischen Nationalstaat ausging.
Von Florenz aus, wo er für den „Partito d‘Azione” Mitglied im toskanischen Befreiungskomitee gewesen war, ging Carlo Levi im Sommer 1945 nach Rom, um dort die Redaktion der überregionalen Zeitung seiner Partei, „L‘Italia libera”, zu übernehmen. Er war ein Mann des Nordwinds, aber dann schrieb er von 1947 bis 1949 in Rom seinen Roman über die Tage und Nächte, in denen im November 1945 die Regierung Parri abtrat: es wurde ein Roman der Windstille. Die politisch-historische Zäsur war darin in ein großes Stillleben gebannt, dem alle Nachkriegseuphorie und aller Aktivismus abhanden gekommen waren. Rom war hier keine offene, sondern eine verschlossene Stadt, heimgesucht von den Dämonen der Klaustrophobie und den Untoten des Krieges.
„L‘Orologio” („Die Uhr”) kam 1950 auf den Markt. Der Erfolg von „Christus kam nur bis Eboli” sicherte dem Roman anfangs einen guten Verkauf, aber bald häuften sich die konsternierten und abfälligen Rezensionen. Nicht nur die kommunistische Presse mokierte sich über dieses Buch der Tatenlosigkeit, auch politische Weggefährten schüttelten vorwurfsvoll den Kopf. Statt, wie von Levi erhofft, den „Premio Viareggio” zu erhalten, geriet der Roman bald in Vergessenheit. Erst 1989, am Vorabend des Zerfalls der Nachkriegsordnung und der „Democrazia Christiana”, wurde er in Italien neu aufgelegt, jetzt ist er auch bei uns in einer guten Übersetzung zu lesen.
Wer von einem Roman, und zumal vom Roman einer Wendezeit, eine spannende Handlung erwartet, wird das Buch noch heute rasch beiseite legen. Und auch dem Liebhaber historischer Symbolik reicht es nur zum Schein die Hand. Gewiss, dem Ich-Erzähler zerbricht zu Beginn die Uhr, die dem Roman den Titel gibt, und statt der eigenen, die er zur Reparatur gebracht hat, hat er am Ende die Uhr eines Toten in der Hand. Aber er geht mit dem Symbolischen der Uhr so achtlos um wie mit dem Reparaturzettel.
In dunklen Treppenhäusern
Der Erzähler ist ein Augenmensch, Bedeutung gewinnen Dinge und Menschen für ihn nur, wenn sie ihm zum Bild werden. Und er hat empfindliche Ohren: die Geräusche des nächtlichen Rom gehen darin ein, bellende Hunde und stotternde Motoren, die Rufe von Polizeikontrollen wie die des Schwarzmarktes, der Anbieterinnen amerikanischer Zigaretten zweifelhafter Herkunft. Er ist, wie sein Autor, nach Rom gekommen, um hier eine Parteizeitung zu leiten. Aber in Rhythmus und Tonart ist dieser Erzähler kein Journalist oder gar rasender Reporter. Eher gleicht eher einem Schlafwandler, der am Morgen langsam erwacht und das selber Erlebte nicht ohne Verwunderung betrachtet.
In Episoden rückt dieser somnambule Roman voran, wie Laub, das der Nordwind übrig gelassen hat, kehrt er seine Bilder zusammen. Da sind die Mietwohnungen, Interieurs und ihre Bewohner, da sind die dunklen Treppenhäuser, denen der Geiz der Hausbesitzer das Licht verwehrt. Da ist, als Erinnerung aus Florenz, der Tote vor dem Palazzo Pitti, ein Denunziant, der eben noch Passant war, erschossen von einem anderen Passanten. Da sind die ewigen Beamten des ewigen Rom, die nur selten ihr Büro betreten, da sind seine Sänger und Schwadroneure in den Bars und Trattorien. Da ist die junge Mutter, die tot auf der römischen Straße liegt, nachdem ein amerikanischer Jeep vorbeigeprescht ist. Da sind die Redakteure, die politisieren und darüber debattieren, ob sich nach Auschwitz noch Romane schreiben lassen.
Da sind die Elenden und Ratten der römischen Vorstädte und der tote Trinker im riesigen Treppenaufgang des alten Palazzo mit den ramponierten Statuen, da sind die vielen Rückkehrer aus deutschen Lagern mit ihrem Katarrh in den Lungenspitzen und da ist schließlich die Pressekonferenz, in der der Ministerpräsident seinen Rücktritt bekannt gibt und, zischelnd eine Schlange triumphiert, die de Gasperi hieße, wäre sie nicht namenlos.
Lange lässt Levi, ein Leitmotiv aus „Christus kam nur bis Eboli” fortschreibend, seine Figuren über den Gegensatz der staatsfernen, störrischen „contadini” und der staatsfrommen, wendigen „luigini” aller sozialen Klassen und politischen Parteien Italiens debattieren. Am Ende reist der Erzähler, an Wegelagerern und Polizeiposten vorbei, von wundergläubigen Analphabeten begleitet, von Rom nach Neapel, wo sein Lieblingsonkel im Sterben liegt. Mit der Uhr des toten Professors kehrt er nach Rom zurück, das in kaum einem anderen Roman so sehr organisches, atmendes Lebewesen zu sein scheint wie hier. Das Rauschen der Stadt klingt wie das Brüllen von Löwen, die Nacht ist nahezu windstill. LOTHAR MÜLLER
CARLO LEVI: Die Uhr. Roman. Aus dem Italienischen von Vera von Ksokull. Aufbau Verlag, Berlin 2005. 488 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.12.2005

Die Bilderstimme der Nacht
Resistenza mit literarischen Mitteln: Carlo Levis Roman "Die Uhr"

"Nachts in Rom scheint es, als hörte man Löwen brüllen, vage und wild zugleich, grausam und doch sonderbar sanft in der nächtlichen Wüste der Häuser." Da ist einer, der in die "Muschel" seiner Zeit hineinhört und aus ihrem Rauschen, einer japanischen Papierblume gleich, all die Hör-, Seh- und Denkbilder hervorgehen läßt, die darin beschlossen sind - ehe sie am Ende wieder in den Elementarlaut des Anfangs zurückkehren.

Vordergründig öffnet sich dieser so poetische Rahmen jedoch auf eine Szenerie, die sich kaum prosaischer dagegen abheben könnte: Rom 1945, kurz nach der Befreiung. Das normale Leben war einem brodelnden Chaos gewichen, der Traum von einem neuen Italien schien plötzlich möglich - aber zugleich die Gefahr, daß alles umsonst gewesen sein könnte. Das Leben klaffte extremistisch auseinander. Szenen spontaner Solidarität wechselten mit rücksichtslosem Verrat und Überfällen. Man lebte elend und empfand doch zugleich Glück darüber, überhaupt wieder leben zu können. Man erinnert sich an Bilder von Frauen mit grell geschminkten Lippen, Honig für die Befreier aus Amerika, dem gelobten Land für alle, die zu Hause nicht weiterwußten - an den zeitgenössischen Lebensstoff, wie ihn das schwarzweiß malende Kino von Rosselini, Fellini oder De Sica bietet.

Und dazu der Autor: Seit den zwanziger Jahren der sozialen Sache verschrieben; entschiedener Antifaschist, der Verbannung und Gefängnis in Kauf nahm; ins Exil nach Paris floh; dem die Deportation durch die Deutschen drohte; der führend in der Resistenza engagiert war und, nach dem Krieg, im politischen Wiederaufbau; seit 1945 Herausgeber von "Italia Libera", der Zeitung der Aktionspartei - Carlo Levi (1902 bis 1975). Vor allem aber verbindet sich mit seinem Namen der Dokumentarroman "Christus kam nur bis Eboli" (1945). In kürzester Zeit hatte er damals weltweit höchste Beachtung gefunden. Es gab in Italien mithin kaum eine authentischere Stimme des geschundenen kulturellen Gewissens. Alles sprach also für Levis zweiten (und zugleich letzten) Roman "Die Uhr", der nur wenig später, 1950, erschien. Und dann das: Er wurde kaum beachtet; die wenigen Kritiken waren vernichtend; nicht lange, und er verschwand in den Abstellräumen der Literaturgeschichte. Wie war das möglich?

Der Autor hatte in diesem erregenden historischen Moment etwas Unverzeihliches gewagt: Er war dem zeitgenössischen Bedürfnis nach Anklage, Abrechnung, deutlichen Worten von Schuld und Sühne auf verstörende Weise nicht nachgekommen. Vom "Corriere della Sera" mußte er sich den - eigentlich tödlichen - Vergleich gefallen lassen, er habe vor allem schön, gewählt, gebildet schreiben wollen, wie D'Annunzio, diese brisante Mischung aus Dekadenz und Machtmenschentum, exaltierter Parteigänger Mussolinis. Selbst die kommunistische "Umanità" unterstellte ihm, er würde nicht wirklich Anteil an den Menschen nehmen. Ästhetizismus und Indifferenz: An diesen Hürden ließen sie ihn scheitern. Wie hatte er sich dieses Urteil zugezogen?

Verfänglichkeiten dafür bieten sich genug. So nahe das Auge auch an die Ereignisse des Tages heranrückt: der Erzähler bildet nicht wirklich sie, sondern sich in ihnen ab. Der eigentliche Held in dieser Geschichte ohne Handlung ist sein Ich, das zwischen Autobiographie und Ausmalung changiert - ein hingebungsvoller Narziß, der sich im Spiegel Nachkriegsroms wiederzufinden sucht. Mehr noch: Sein "Roman" ist ein Erinnerungsbuch, ein Memorial, in dem sich - auf 481 Seiten - nur rund drei geschichtsträchtige Tage stauen. Dieses Erinnern, nicht das Erleben, bildet den Boden der Tatsachen. Es ist, als ob es in der Rückschau die "Uhr" (des Titels) anhalten wollte. Am 24. November 1945 stürzte mit Ferruccio Parri die Regierung des Nationalen Befreiungskomitees; die Krake der alten Verwaltung nahm das Land wieder fest in ihren Besitz.

Um so befremdlicher muß es wirken, daß Levi den Zusammenbruch aller Hoffnungen auf ein neues Italien einer Sprache anvertraut, die sich beständig über die bedrängenden Realien hinwegsetzt und ihnen mit funkelnden Bildern, Vergleichen und Korrespondenzen einen feinen Goldrand des Poetischen verleiht. Sie dringt auf die Verhältnisse ein, um ihnen aber zugleich auch wieder den Rücken zu kehren. Die animalische Verlautbarung der nächtlichen Stadt zu Beginn war mithin Programm. Sie gab zu verstehen, daß Levis Zustandsbericht zweisprachig ist: Hinter der notdürftigen, zähen, parasitären Tagesvernunft regt sich eine Bilderstimme der Nacht, die von geheimnisvollen Dingen, gar von Glück weiß. Doch bei alledem: War das die Sprache, nach der die Zeit verlangte? Da ergreift einer das Wort, der mittendrin ist, gewiß; er prüft, registriert, er handelt, und dennoch scheint er über allem zu stehen.

Woher nimmt er diesen inneren Abstand, dieses ebenso faszinierende wie irritierende Zutrauen zum Leben? Haben ihm seine verratenen Ideale nicht gerade klargemacht, daß, mit einer Anspielung auf Tomasi di Lampedusas "Leoparden", sich alles verändert hat und deshalb alles bleiben muß, wie es ist? Carlo Levi suchte einen Ausweg aus dieser italienischen Elegie des Stillstands, der eigentlich erst mit der zweiten Auflage des Buches in Italien (1989) richtig sichtbar geworden ist. Er hat den Widerstandskämpfer nicht verraten; er geht nur anders vor: statt politischer Aktion Resistenza mit literarischen Mitteln.

Wer dem Leseweg seines Buches folgt, wird unmerklich in eine feinsinnige geistige Mobilmachung verwickelt. Der Text geht nicht eigentlich voran, er breitet sich aus, wie Kreise eines Steines, den man ins Wasser geworfen hat. Die Episoden fügen sich so, wie ein Wort das andere ergibt, und nehmen rhapsodisch ihren Lauf. Ein Blick aus dem Fenster in Rom ruft einen anderen aus dem Gefängnis auf. Die Räume füllen sich mit Details, Gedanken, Gesprächen. Damals und heute gehen ineinander auf. Und über allem ein geradezu unwiderstehlicher Sog, selbst dem Niedrigsten und Dürftigsten noch weitläufige Bilder abzugewinnen. Sie führen gleichsam über der Prosa der Verhältnisse ein poetisches Eigenleben. Es ist Levis Art, den Befreiungskampf gegen die starre, selbstsüchtige Sprache fortzusetzen, der politisch nicht zu gewinnen war.

Provozierend, mißverständlich ist sein Erinnerungsbuch, weil es nicht provoziert, obwohl es mehr als genug Anlässe dafür böte. Er war sich dessen wohl bewußt. Ausdrücklich wirft auch er die Frage Adornos auf, "was für Romane es denn geben soll nach Auschwitz und Buchenwald" - und beantwortet sie mit "Die Uhr". Für ihn weiß, trotz allem, zumindest die Sprache der Kunst noch von jener "geheimnisvollen Macht", die "keinen Unterschied zwischen Mensch und Tier und Pflanze macht", weil sie mit der unverwüstlichen Energie in Verbindung steht, die nur Zeugung und Tod kennt. Mit ihrer Hilfe macht Carlo Levi eine ebenso abgründige wie lebendig fabulierende Liebeserklärung ans Leben in all seiner Widersprüchlichkeit. Nun ist seine Flaschenpost von 1950 auch in Deutschland angekommen.

WINFRIED WEHLE

Carlo Levi: "Die Uhr". Roman. Aus dem Italienischen übersetzt von Verena von Kosküll. Aufbau-Verlag, Berlin 2005. 481 S., geb., 24,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als "bildkräftigen Wendezeit-Roman" über das Rom im Jahre 1945 würdigt Lothar Müller dieses 1950 erschienenes, nun in einer "guten Übersetzung" vorliegendes Buch von Carlo Levi. Das Buch geriet, nach Meinung des Rezensenten zu Unrecht, in Vergessenheit, der Autor konnte nicht an seinen internationalen Erfolg seines Roman "Christus kam nur bis Eboli" 1945 anschließen. Wer sich von "Die Uhr" eine spannende Handlung erwartet, wird nach Ansicht Müllers enttäuscht werden. Ihn hat das dieser "somnambule Roman" dennoch beeindruckt, vor allem wegen seiner atmosphärisch dichten Beschreibung Roms in der Nachkriegszeit: Da sind die Mietwohnungen, Interieurs und ihre Bewohner, die dunklen Treppenhäuser, die ewigen Beamten, die Sänger und Schwadroneure in den Bars und Trattorien, die junge Mutter, die tot auf der römischen Straße liegt, nachdem ein amerikanischer Jeep vorbeigeprescht ist, die Elenden und Ratten der römischen Vorstädte und der tote Trinker im riesigen Treppenaufgang eines alten Palazzo. Das Fazit des Rezensenten: In kaum einem anderen Roman scheine Rom "so sehr organisches, atmendes Lebewesen" zu sein wie hier.

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