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Der Musiker und Schriftsteller Johann Friedrich Reichhardt (1752 - 1814) erzählt in seinen Jugenderinnerungen - die hier zum ersten Mal zusammenhängend veröffentlicht werden - seinen Weg vom Wunderkind zum Hofkapellmeister Friedrichs des Großen. Seine lebendigen, oft humoristischen Schilderungen halten den unmittelbaren Moment der Begegnung fest und bieten authentische Eindrücke von Menschen, Orten und Ereignissen.

Produktbeschreibung
Der Musiker und Schriftsteller Johann Friedrich Reichhardt (1752 - 1814) erzählt in seinen Jugenderinnerungen - die hier zum ersten Mal zusammenhängend veröffentlicht werden - seinen Weg vom Wunderkind zum Hofkapellmeister Friedrichs des Großen. Seine lebendigen, oft humoristischen Schilderungen halten den unmittelbaren Moment der Begegnung fest und bieten authentische Eindrücke von Menschen, Orten und Ereignissen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2002

Kniffe für das Orchester
Musikplaudertasche: Johann Friedrich Reichardts Autobiographie

Kant: "liebte sehr eine Tafel in fröhlicher Umgebung". Lessing: "fand sich zuweilen zu lustigen Abendmahlzeiten ein, die oft bis tief in die Nacht hinein bei gutem Wein und heiteren Gesprächen verlängert wurden". Klopstock: "liebte die alten, kräftigen Burschen-Melodien, und hatte selbst zu dem herrlichen Liede: Gaudeamus igitur - einige lustige Strophen in Mönchlatein hinzugefügt". Gluck: "mußte, nach der strengen Aufsicht seiner sorgfältigen Gemahlin, mässiger seyn, als es ihm lieb schien".

Johann Friedrich Reichardt hatte klare Maßstäbe bei der Beurteilung seiner berühmteren Zeitgenossen: Unterhaltsam und trinkfest mußten sie sein. Er selbst hatte beizeiten geübt und sah sich dadurch gut aufs Leben vorbereitet: "Vielleicht verdankt er aber diesen frühen unwillkürlichen Exzessen die Kraft, in späteren Jahren auch im wüsten Kreise der ausschweifendsten Trinker unberauscht geblieben zu sein".

Reichardts Memoiren, die ursprünglich sukzessive 1813 und 1814 in der "Allgemeinen musikalischen Zeitung" veröffentlicht worden waren, sind nun erstmals zusammenhängend von Walter Salmen im Aufbau-Verlag herausgebracht worden. Zugleich ist Salmens rund vierzig Jahre alte Biographie über Reichardt mit neuer Bibliographie im Nachdruck bei Olms erschienen. Während Salmens Werk, in altertümelnder Diktion verfaßt, unter einem Mangel an handfester Information bei gleichzeitig überbordender Meinungsfreude leidet, ist die Reichardtsche Selbstbeschreibung eine Fundgrube für Kenner und Liebhaber der Epoche.

Ihre Lektüre läßt erahnen, was Johann Friedrich Reichardt zu einer Schlüsselfigur des deutschen Musik- und Geisteslebens an der Wende vom achtzehnten zum neunzehnten Jahrhundert gemacht hat: eine Lebensführung, bei der der Hang zum Reisen und zur geistvollen Geselligkeit allemal die Leidenschaft für den musikalischen Beruf überwog. Dabei schien eine Laufbahn als gefeierter Tonkünstler von Anfang an vorgezeichnet: Der 1752 in Königsberg Geborene zeigte als Geiger und Pianist früh auffallendes Talent, das er auf Reisen zur Schau stellte, und entwickelte sich zum umtriebigen Lieder-, Opern-, Singspiel- und Bühnenmusik-Komponisten. Eine Oper, die ganz im Stile des Berliner Hausgottes Graun abgefaßt war, brachte ihm 1775 den Posten des dortigen Hofkapellmeisters ein. Der Opportunismus hatte seinen Preis: Erst nach dem Tode Friedrichs des Großen durfte Reichardt auch eigene, stilistisch unabhängigere Werke in Berlin zur Aufführung bringen. Friedrich Wilhelm II. war seinem Kapellmeister wohlgesinnt und gestattete ihm ausgedehnte Reisen. Als Reichardt 1791 erkrankte, gewährte man ihm einen dreijährigen Urlaub bei vollen Bezügen. Der Freigestellte erwarb ein Gut bei der Burg Giebichenstein nahe Halle. Erst als Reichardt sich während seines Urlaubs für die Französische Revolution zu begeistern begann und unter Pseudonym "Vertraute Briefe über Frankreich" in republikanischer Gesinnung verfaßte, riß des Monarchen Geduld. Reichardt wurde 1794 entlassen - ohne Pension. Zwei Jahre später ergatterte er den Posten des Hallischen Salinendirektors; der fachfremde Broterwerb gestattete ihm immerhin die Unterhaltung eines gastlichen Hauses, in dem Arnim, die Grimms, Jean Paul, Schleiermacher, Novalis, Schlegel und Johann Heinrich Voss aus- und eingingen. Mit der Besetzung von Teilen Preußens 1806 durch Napoleon endeten Reichardts gute Jahre jedoch; er floh zunächst nach Norddeutschland, bei seiner Rückkehr im Jahr darauf fand er Giebichenstein zerstört. Für kurze Zeit erhielt er Unterschlupf als Theaterdirektor in Kassel und nahm seine Reisetätigkeit wieder auf. An seine früheren gesellschaftlichen Erfolge konnte er bis zu seinem Tod im Juni 1814 aber nicht mehr anknüpfen.

Reichardts Ruhm vor der Nachwelt ist teilweise abgeleitet: Als derjenige, der mit Goethe theatralisch-musikalisch kooperierte, ist er vor allem bekannt. Der Liedkomponist konnte so wunderbar geistvoll und schlicht Melodien zu Goethe-Texten erfinden, daß viele Lieder, etwa "Der König in Thule", volkstümlich wurden. Die Singspiele "Jery und Bätely" und "Erwin und Elmire" entstanden in Kooperation; eine Bühnenmusik zu "Egmont" hat Reichardt ebenfalls verfaßt. Die Beziehung war nicht ohne Spannung, Goethe empfand Reichardt als ebenso geistvoll wie aufdringlich.

In der Tat hat Reichardt den Umgang mit den Großen seiner Zeit nachdrücklich gesucht. Diesem intellektuellen und gesellschaftlichen Ehrgeiz verdankt die deutsche Literatur Charakterskizzen von seltener Prägnanz und Spontaneität. Reichardt war eine Plaudertasche: In seinen Reisebriefen und seiner Autobiographie hielt er fest, was ihm an seinen Gastgebern an Marotten auffiel; Gerüchte zu kolportieren machte ihm größtes Vergnügen. Am Gespräch interessierte weniger sein Gehalt als die Weise, wie es geführt wurde. Friedrich der Große räkelte sich in seiner einschlägigen Uniform auf dem Sofa, als er Reichardt empfing. Carl Philipp Emanuel Bach hing beim Fantasieren am Klavier weltabgewandt die Unterlippe über das Kinn herab. Joseph II. in Wien schätzte die theoretische Erörterung musikalischer Fragen nicht: "Ey was! Wer's fühlt, schreibt's, und thut's", pflegte er in solchen Fällen zu entgegnen. Gluck wiederum kroch gelegentlich bei Aufführungen unter den Pulten hindurch, um Musikern, die seinem Dirigat nicht folgten, in die Wade zu zwicken. Dies alles und vieles mehr hat Johann Friedrich Reichardt ausgeplaudert, uns zum Vergnügen. Heute feiert die respektvoll erheiterte Musikwelt seinen zweihundertfünfzigsten Geburtstag.

MICHAEL GASSMANN.

Johann Friedrich Reichardt: "Der lustige Passagier". Erinnerungen eines Musikers und Literaten. Hrsg. von Walter Salmen. Aufbau-Verlag, Berlin 2002. 237 S., 11 Abb., geb., 18,- [Euro].

Walter Salmen: "Johann Friedrich Reichardt". Komponist, Schriftsteller, Kapellmeister und Verwaltungsbeamter der Goethezeit. Georg Olms Verlag, Hildesheim 2002. 372 S., 9 Abb., br., 37,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Johann Friedrich Reichardt ist nicht seiner Kompositionen wegen auch heute noch ein bekannter Name, 250 Jahre nach seiner Geburt. Vielmehr taucht er als umtriebiger Zeitgenosse und guter Bekannter bedeutenderer Geister - von Goethe bis Gluck, von Friedrich II. bis Schleiermacher - an den verschiedensten Ecken der Zeit um 1800 auf. Kein Wunder ist es darum, dass sich seine Autobiografie - 1813/14 in Fortsetzungen erschienen, nun erstmals in einem Band - überaus interessant liest. Der Rezensent Michael Gassmann jedenfalls hat darin "Charakterskizzen von seltener Prägnanz und Spontaneität" entdeckt und mit viel Vergnügen durchs Schlüsselloch in die Zeit der deutschen Klassik und Romantik geblickt. Gerade die "Gerüchte", die die "Plaudertasche" Reichardt ungeniert kolportiert, seine Lust an der Alltagsbeobachtung, verleihen dem Band, so Gassmann, seinen großen Reiz.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Er, dem Goethe trotz mancher Konflikte stets eine 'große Anteilnahme' bewahrte, der den Zorn Napoleons auf sich zog und die Verehrung vieler Musiker und Musikliebehaber gewann, gewährt uns Einblick in prägende Ereignisse der ersten drei Jahrzehnte seines Lebens. Und er tut es auf eine lebendige, literarisch versierte Weise." (Walter Salmen)