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Der kleine Caspar wird in einem Gasthaus bei Exenheim in Württemberg ausgesetzt. Zunächst mag niemand das Kind bei sich aufnehmen, schließliche reicht es kaum, um die eigenen Mäuler zu stopfen.
Als sich aber herausstellt, dass der verschwundene Vater des Jungen, der Porzellanmaler Michael Schwartz, einiges Vermögen bei Amtmann hinterlegt hat, wird der Junge plötzlich zum Spielball alle möglichen Interessen.

Produktbeschreibung
Der kleine Caspar wird in einem Gasthaus bei Exenheim in Württemberg ausgesetzt. Zunächst mag niemand das Kind bei sich aufnehmen, schließliche reicht es kaum, um die eigenen Mäuler zu stopfen.

Als sich aber herausstellt, dass der verschwundene Vater des Jungen, der Porzellanmaler Michael Schwartz, einiges Vermögen bei Amtmann hinterlegt hat, wird der Junge plötzlich zum Spielball alle möglichen Interessen.
Autorenporträt
Beate Rothmaier, geboren 1962 in Ellwangen/Jagst, studierte in München und Tübingen Germanistik und Romanistik, unterrichtete Deutsch an einem Lycée in Frankreich, arbeitete für verschiedene Verlage und als Texterin in einer Werbeagentur. Heute lebt sie als Autorin in Zürich.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.09.2005

Die Höhle der Kinder
Aus der Zeit gefallen: Beate Rothmaiers Romandebüt

Im Stadtarchiv von Ellwangen finden sich einige wenige Dokumente zum Leben des 1787 in Ludwigsburg geborenen Caspar Schmid, der 1792 im Schwanenwirtshaus zu Schrezheim ausgesetzt wurde. Von dieser Begebenheit nimmt der erste Roman der 1962 in Ellwangen geborenen, in Zürich lebenden Beate Rothmaier seinen Ausgang. Der Form nach ist die Geschichte ein Bildungsroman, dessen humanistisches Ideal zugleich in Frage gestellt wird. Während Wilhelm Meister mit Shakespeare zur Persönlichkeit wuchs, Franz Sternbald in der italienischen Kunst zum Eigenen fand und Heinrich von Ofterdingen sich auf der Suche nach der blauen Blume auf ein Dichterdasein vorbereitete, wurden reale Menschenkinder noch wie das Vieh gehalten und von aller Bildung ausgeschlossen.

Im Wirtshaus wartet Caspar mit einem Zettel um den Hals vergeblich auf die Rückkehr der schönen Mutter. Die Wirtin behält ihn dann nur, weil das Gerücht geht, der Vater, ein leichtlebiger Porzellanmaler, habe beim Amtmann Geld für seine Aufzucht hinterlegt. Der aber gibt ihn, nicht ohne an den eigenen Profit zu denken, zu einem Bauern, wo der Junge geprügelt und zur Arbeit gezwungen wird und als vermeintlicher Wechselbalg die ganze Dumpfheit eines ländlichen Milieus zu spüren bekommt, an dem alle Aufklärung spurlos vorbeigegangen ist. Immer wieder scheitern seine Fluchtversuche, bis er als Halbwüchsiger in eine Manufaktur entkommt, wo er nach dem Vorbild des Vaters zum Porzellanmaler ausgebildet werden möchte. In dem Moment aber, in dem sein Dasein lebenswerte Form anzunehmen scheint, führt ihn die Begegnung mit dem Vater auf furchtbare Weise zurück in die Fremdbestimmung. Schließlich wird er an die Soldaten verkauft.

In den Figuren des Caspar und der Karolin, der koboldhaften Tochter der Schwanenwirtin, gestaltet Beate Rothmaier ein bewegendes Bild zweier Kinder, die in ihrer Verlorenheit verbissen nach dem Glück der Selbstbestimmung streben. Vom Baum der Erkenntnis hat man sie nicht essen lassen, ihre widerspenstigen Selbstfindungsversuche finden jenseits von Gut und Böse statt. Den Sinn des Wortes Erbarmen wird Caspar weder als Empfangen noch als Tun je verstehen. So erscheinen die verwilderten Kinder keineswegs im Stande naturhafter Unschuld, das unbarmherzige Soziale hat sich ihren Seelen von Anfang eingeschrieben. Wie man betrügt, stiehlt, erpreßt und Gewalt anwendet, lernen sie im Wirtshaus leichter als Schreiben und Lesen.

Als Fluchtraum und Bild einer anderen Welt aber leuchtet ihnen die Natur. Im ekstatischen Naturerlebnis erfährt Caspar die Verheißung der Freiheit, immer wieder aber auch seine Orientierungslosigkeit und Abhängigkeit. "Lange lag er da, sah den Wolken zu, wußte nicht mehr weiter, wünschte sich fort aus dieser Welt, schlief ein, erwachte wieder. Als er die Augen öffnete, fiel kein Sonnenstrahl mehr in die Lichtung, und ihm war kalt. Über ihm rauschten die Wipfel. Sonst war alles still. Er kroch aus dem Haufen, klopfte sich die Kleider ab und schlich geduckt zur Straße zurück, die verlassen im Nachmittagslicht lag." Denn die Natur erscheint in Beate Rothmaiers Roman nicht als die beseelte Landschaft Goethes, die dem Menschen zeigt, daß diese Welt für ihn gemacht ist. Die Gegend, in der Karolin und Caspar umherstreifen, ist gleichsam selbst noch unaufgeklärt, sie steckt voller Dämonen und beängstigender Geheimnisse.

Etwas Dämonisches hat die Erzählerin auch der Figur des Mädchens beigegeben. Die kindliche Lust am Verkleiden und Verstecken schlägt in den bedrängten Seelen immer wieder um in archaischen Schrecken. Der Schutzraum der Höhle im Wald verwandelt sich dann unversehens in einen Ort des Grauens und des Ekels. "Über ihm stand das Wesen, hatte sein Fellgewand gehoben und ließ sein Wasser auf ihn laufen. Er stieß es von sich, zog sich an die Höhlenwand zurück und belauerte es. Das Pelztierchen war auf den Rücken gefallen, sprang nun wieder auf, lachte wild und hüpfte auf allen vieren vor ihm auf und ab." Für Augenblicke nur keimt in Caspar die Hoffnung, Allerleirauh könnte sich in eine Prinzessin verwandeln, die man heiraten könnte, und daß man dann zu zweit vielleicht geschützt wäre gegen die Zudringlichkeit der Welt. Aber diese Geschichte ist kein Märchen, diese Kinder erfahren nicht, wohin sie gehören. Kurz nur im Stande der Ohnmacht blitzt die Idee einer Liebe in Freiheit auf. "Nun, da sie still dalag und zu nichts nütze war, gehörte sie niemandem mehr. Auch ihm nicht. Sie gehörte nur noch sich selbst. Er schlang die Arme um sie."

Von wenigen stilistischen und perspektivischen Brüchen abgesehen, zeigt sich in Beate Rothmaiers Roman ein so eigenwilliges wie souveränes erzählerisches Ingenium. Ihr poetischer Realismus nach der Art Conrad Ferdinand Meyers bedient sich eines kunstvoll archaisierenden Idioms und geht doch wundersam zu Herzen. Die sorgfältig recherchierten Schilderungen der Arbeits- und Lebenswelt des achtzehnten Jahrhunderts erhöhen die Wirkung eines sinnlichen Erzählens, das die Seelengeschichte der beiden Kinder im Dinglichen vergegenwärtigt, statt sie historistisch oder romantisierend im Vergangenen verschweben zu lassen. Ein solches Erzählen mag unzeitgemäß sein, um so mehr bringt es glückhaft zu Bewußtsein, daß die tieferen Schichten der Leserseele vom Gebot der Modernität nicht erreicht werden.

Beate Rothmaier: "Caspar". Roman. Verlag Nagel & Kimche, Zürich 2005. 192 S., geb., 17,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Angetan berichtet Rezensentin Verena Mayer von diesem Ende des 18. Jahrhunderts in einem süddeutschen Dorf angesiedelten illusionslosen Roman über den steinigen Weg des ungeliebten Bastards Caspar, den Beate Rothmaier vorgelegt hat. Anfängliche Befürchtungen, hier bekomme man staubtrockene historische Kost oder, noch schlimmer, Kitsch nach Art von "Schlafes Bruder" geboten, zerstreuen sich zur Freude Mayers augenblicklich. Sie würdigt nicht nur Rothmaiers stilistische Eigenständigkeit, sondern auch ihre gelungene Verarbeitung von klassischen Motiven der romantischen Literatur, die etwa bei Gotthelf oder Eichendorff anzutreffen sind. In diesem Zusammenhang bescheinigt sie der Autorin auch, Motive wie das des Findelkinds, der Wanderschaft, der Natur als Rückzugsraum und ähnliches weiter zu entwickeln. Die Natur erscheine bei Rothmaier etwa nicht als Quelle der Regeneration sondern als ebenso feindlich wie die Menschen. Eindrucksvoll findet Mayer insbesondere die anschauliche Sprache der Autorin, die das "Archaische" des "ländlich grausamen Universums" des Romans adäquat abbilde.

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