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Wer könnte authentischer, anschaulicher über Hohls Lebens- und Arbeitsweise berichten als die bekannte Malerin und femme de lettres Hanny Fries, die Hohl 1940 kennen lernte und die in der Folge seine Gefährtin wurde? Die junge Künstlerin und der eigenbrötlerische Dichter und Denker haben unter materiell dürftigen Umständen ihr jeweiliges Metier betrieben. Um so mehr gereichten sie sich - nach einem Zitat von Émile Verhaeren - zur "verlässlichsten Freude". In den Gesprächen, die Werner Morlang mit Hanny Fries führte, erweist sich der Bohémien Hohl unversehens als pflichtbewusster, mit diversen…mehr

Produktbeschreibung
Wer könnte authentischer, anschaulicher über Hohls Lebens- und Arbeitsweise berichten als die bekannte Malerin und femme de lettres Hanny Fries, die Hohl 1940 kennen lernte und die in der Folge seine Gefährtin wurde? Die junge Künstlerin und der eigenbrötlerische Dichter und Denker haben unter materiell dürftigen Umständen ihr jeweiliges Metier betrieben. Um so mehr gereichten sie sich - nach einem Zitat von Émile Verhaeren - zur "verlässlichsten Freude". In den Gesprächen, die Werner Morlang mit Hanny Fries führte, erweist sich der Bohémien Hohl unversehens als pflichtbewusster, mit diversen hausfraulichen Tugenden gesegneter, bisweilen liebenswürdiger Zeitgenosse, der seinen intellektuellen Eigensinn ebenso zweckmäßig wie originell im Alltag anwandte.
Autorenporträt
Werner Morlang, geboren 1949 in Olten, lebt als freischaffender Germanist, Literaturkritiker, Übersetzer und Buchautor in Zürich. Morlang war Leiter des Zürcher Robert-Walser-Achivs und Mitherausgeber von Walsers mikrographischem Nachlass. Sein editorisches und literarisches Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.10.2003

Die Heirat als Anfang vom Ende
„Die verlässlichste meiner Freuden”: Werner Morlang hat Ludwig Hohl, dem Eigensinnigen aus der Schweiz, ein Buch gewidmet
Das Pathos der Einsamkeit und die Hinwendung zum Du – nur wenige haben die beiden Pole des Schreibens so genau und gründlich durchdacht wie der schweizer Autor Ludwig Hohl, dem der französische Ausdruck „Écrivain-Philosophe” auf den Leib geschneidert schien. Der Gedanke und die Form waren ihm am Schreiben das Wichtigste; das verbindet ihn mit seinen großen Vorbildern, mit Spinoza, Pascal, Montaigne, Lichtenberg und Valéry. Doch war er sich stets auch der Tatsache bewusst, dass alle Anstrengung sinnlos wird, wenn das geschriebene Wort keinen Widerhall im Leser findet. Immer wieder hat er jenen Punkt definitorisch umkreist, wo der Andere das eigene Denken aufnimmt, sich anverwandelt und fortschreibt. „Alles Kunstwerk ist nichts als im weiteren Sinne nur ein Brief”, heißt eine der prägnantesten Formulierungen in den „Notizen”, die er früh schon verfasst hat und die sein Hauptwerk bleiben sollten.
Das Buch Werner Morlangs, das er gemeinsam mit Hohls früherer Lebensgefährtin Hanny Fries erarbeitet hat, findet in den kommunikativen Aspekten dieses nur scheinbar solipsistischen Werks seine Berechtigung. Auf den ersten Blick wirkt das Unterfangen ziemlich absurd: da setzen sich zwei, bekennender Hohl-Fan und langjähriger Leiter des Robert-Walser-Archivs der eine, bildende Künstlerin und kurzzeitige Ehefrau die andere, zu insgesamt sechs Gesprächen zusammen und reden über Geschehnisse, die für die Auskunftgebende beinahe sechzig Jahre her sind. Hanny Fries war die zweite der fünf Ehefrauen Ludwig Hohls. Sie lernten sich im Frühjahr 1940 kennen, lebten ab Herbst 1943 zusammen und ließen sich, nach eineinhalbjähriger Ehe, im Sommer 1947 scheiden. Freunde allerdings sind die beiden geblieben, bis zu Ludwig Hohls Tod, der 1980 mit sechsundsiebzig Jahren nach längerer Krankheit in Genf gestorben ist.
Ein zum Scheitern verurteilter Liebesdienst, denkt man also zunächst, wenn die ersten Wiederholungen ihre Schleifen ziehen. Morlang hat versucht, die einzelnen Gespräche, die zwischen April 2000 und Juni 2001 geführt wurden, thematisch zu ordnen. „Die frühen Jahre”, heißt da ein Kapitel, „Die Heirat als Anfang vom Ende” ein anderes. Aber natürlich stimmt diese Einteilung so wenig wie Hohls thematische Strukturierung seiner „Notizen”, die ja auch immer von allem handeln und niemals nur von der „Kunst” oder dem „Arbeiten”. Und wenn man diese schöne Koinzidenz entdeckt, ist man auch schon eingenommen von diesem merkwürdigen Projekt, das wohl vor allem deshalb glückt, weil Hanny Fries eine außerordentliche Person ist, die offenbar ungewöhnlich gut zu Ludwig Hohl gepasst hat.
Der Band gibt auch eine Auswahl seiner Briefe wieder. Ludwig Hohl war ein reflektierter, aber kein elaborierter Briefschreiber. Er hat das Medium nie als Probebühne für eigene Gedanken oder gar für vermeintlich Allgemeingültiges missbraucht. Nur „totale Überzeugungen” oder „ganz nackte, mit keiner Überzeugung bekleidete Details” sollten nach seiner Meinung darin vorkommen. Wo es aber ernst wird, da geht Hohl aufs Ganze. Eines Tages schlägt er ihr vor, sich nicht mehr mit dem Eigennamen anzureden, sondern mit dem Personalpronomen „Du”: „Liebe Seele – der Name ,Du‘ ist sehr zutreffend; er ist tief; es gibt keinen andern, der ihm gleich käme.” Und Hanny Fries greift diese Idee begeistert auf. Dass der Tausch und Austausch sowie die Möglichkeit der Umkehrung wesentlich zu einer gelingenden Partnerschaft gehören, reflektiert Hohl beinahe en passant und doch mit einer großen Nähe zur Adressatin: „Liebe, Du! Du machst mich traurig und ich weine, wenn Du traurig bist. Und doch – hier abermals – gibt es eine große Freude dabei, in dieser Umkehrung (. . .): denn war es nicht meistens ich, der betrübt war und Du bist mir immer erschienen wie der schöne, helle Sonnenschein, all die Jahre schon? Nun ist aber nichts stark und gut an einer Verbindung, wenn man nicht einmal die Stellung wechseln, wenn man nicht tauschen kann.”
Trotz seines Arbeitsethos war Ludwig Hohl kein „produktiver” Schriftsteller. „Die Notizen” entstanden in den drei Jahren 1934 bis 1936 in Den Haag. Mit nicht einmal vierzig Jahren ist sein Werk praktisch geschrieben. Danach beginnt die Arbeit des „Auswählens, Anordnens, Eliminierens”, wie es Hohl kurz vor seinem Tod im Vorwort zur bei Suhrkamp erscheinenden Gesamtedition des Hauptwerks nennt. Der ständige Kampf mit seinen Verlegern (bis zur glücklichen Ankunft bei Siegfried Unseld), das zwanzigjährige Leben in einer Kellerwohnung, überhaupt die Spannung zwischen der Ärmlichkeit seiner Verhältnisse und der Dominanz seines Geistes, mag zur Entstehung des Hohl-Mythos beigetragen haben. Was aber tatsächlich zu bewundern ist, das wussten schon die damals jungen schweizer Kollegen wie Jürg Federspiel, Peter Bichsel, Otto F. Walter und Adolf Muschg: die Unbedingtheit dieser Existenz, die sich ganz dem Denken in Bewegung gewidmet hat. Seine Ausstrahlung ist noch heute für jeden Leser spürbar, der „Die Notizen” zur Hand nimmt. Morlangs Buch bietet sich als Begleitung an.
MEIKE FESSMANN
WERNER MORLANG: Die verlässlichste meiner Freuden. Hanny Fries und Ludwig Hohl: Gespräche, Briefe, Zeichnungen und Dokumente. Nagel & Kimche Verlag, Zürich 2003. 391 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.04.2004

Das Telefon, das schreiende Tier
Werner Morlang spürt Ludwig Hohl und Hanny Fries nach

Das Leben des Schweizer Schriftstellers Ludwig Hohl gehört ganz dem vergangenen Jahrhundert an - er wurde morgen vor hundert Jahren, am 9. April 1904, geboren, und er starb 1980 im Alter von 76 Jahren. Manche Legenden hinsichtlich seiner Skurrilitäten haben sich stets um ihn gerankt. Seine strikte Weigerung, den schweizerdeutschen Dialekt seiner Kindheit zu sprechen, und seine jahrelange Existenz in einer Genfer Kellerwohnung, wo er seine Manuskripte auf einer Wäscheleine drapierte, haben das Bild dieses harschen Außenseiters des helvetischen Literaturbetriebs lange bestimmt. Aber im Grunde war er ein unerbittlicher Moralist, der mit seiner Umwelt hart ins Gericht ging.

Freilich steckt hinter dieser Erscheinung des unbestechlichen Richters eine gehörige Portion Selbstinszenierung. Erst allmählich wird es möglich, hinter der jahrzehntelang aufrechterhaltenen schroffen Fassade persönlichere Züge wahrzunehmen und in unterschiedlichen Dokumenten den privaten Ludwig Hohl zu entdecken, der manch anrührende menschliche Züge erhält. Das vor wenigen Jahren veröffentlichte Jugendtagebuch Hohls spiegelt die inneren Kämpfe des jungen Mannes, der die Welt des elterlichen Pfarrhauses verachtete und in gefährlichen Bergtouren Selbstbestätigung suchte. Auf andere Art suchend blieb Hohl in seinem Verhältnis zu Frauen, er hat sich fünfmal verheiratet.

Nun hat sich der in Zürich lebende Germanist Werner Morlang darangemacht, in einer umfangreichen Dokumentation die Verbindung zwischen Ludwig Hohl und seiner zweiten Frau, der dreizehn Jahre jüngeren Malerin Hanny Fries, vorzustellen, die dem Schriftsteller 1940 in Genf begegnete und ihn sechs Jahre später heiratete. Die Ehe wurde zwar bereits im nächsten Jahr geschieden, an dem guten Einvernehmen zwischen den beiden Künstlern, die beide schnell neue Partner fanden, hat das aber wenig geändert.

Das Kernstück des Buches bilden die umfangreichen Gespräche, die der Herausgeber in den Jahren 2000 und 2001 mit Hanny Fries führte, die als Malerin, Illustratorin und Zeichnerin seit vielen Jahren einen bedeutenden Platz im kulturellen Leben der Schweiz einnimmt. Ihre Selbständigkeit zeigte sich schon früh, als die Tochter einer Zürcher Künstlerfamilie - Vater und Großvater waren ebenfalls Maler, die Mutter schrieb literarische Texte - 1938 ein Studium an der Genfer Kunsthochschule begann, das sie zwei Jahre später erfolgreich abschloß.

Die sich allmählich entwickelnde Verbindung zu Hohl beruhte von Beginn an auf der wechselseitigen Anerkennung zweier selbständiger Künstler, die im Alltag Freiheit für ihre jeweiligen Arbeiten suchten und doch zugleich die gegenseitige Nähe als berauschendes Glück erlebten. In Fries' Berichten entsteht das geradezu idyllische Bild einer Genfer Boheme, die von andauernder Geldnot, von ausgiebigen Cafébesuchen, endlosen Gesprächen über Literatur und Kunst und vielen freundschaftlichen Begegnungen geprägt wurde. Die politische Wirklichkeit jener Jahre wird von der Chronistin nur vage gestreift; die Not der Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland erreichte offenbar kaum die Westschweizer Künstlerkneipen.

Um so ausführlicher ist von dem immer komplizierter werdenden Alltag in der gemeinsamen Wohnung die Rede, von Hohls reichlichem Alkohol- und Tablettenkonsum, seiner Niedergeschlagenheit im Kampf gegen die Verlage und von seiner Gewissenhaftigkeit, wenn Schulden in den Läden der Nachbarschaft beglichen werden mußten. So entsteht aus vielen Facetten das Werktagsgesicht eines Autors, den wir in der Reinlichkeit seiner Haushaltsführung, der Liebe zu seiner Katze und der Qual eines Krankenhausaufenthaltes beobachten können. Diese Banalität des Alltäglichen bildet ein nüchternes Gegengewicht zu dem Pathos, mit dem sich Hohl zeit seines Lebens zu inszenieren versuchte.

Besondere Bedeutung hatte für Hohl das schwarze Telefon, das mitten über dem gemeinsamen Bett an der Wand hing und das er gern als "schreiendes Tier" bezeichnete. Es war zugleich das wichtigste Instrument, mit dem er seine Partnerin energisch nach Genf zurückrufen konnte, wenn sie sich länger, als es ihm lieb war, bei ihren Eltern in Zürich aufhielt. Für Fries waren es vor allem diese Eingriffe in ihre Bewegungsfreiheit und Reiselust, die sie auf ein schnelles Ende ihrer Ehe drängen ließen.

Aus Hohls Briefen an Hanny Fries spricht immer wieder der heftige Wunsch, sie in seiner unmittelbaren Nähe zu haben. Werner Morlang hat eine Auswahl dieser Briefe abgedruckt und kommentiert, die vor allem Hohls Lust am Sprachspiel verdeutlichen. Gern wechselte er abrupt zwischen dem Deutschen und dem Französischen und schrieb einzelne Passagen seiner Briefe in griechischen Lettern. Für Hanny Fries fand er zärtliche Kosenamen und bezeichnete sie oft als seine "Furry Bee", seine Pelzbiene - eine Formulierung, die er bei der bewunderten Katherine Mansfield gefunden hatte.

Als Künstlerin hatte die selbstbewußte Hanny Fries freilich nie etwas bienenhaft Sammelndes. Die rund 25 Zeichnungen, die sie im Lauf der Jahrzehnte von Ludwig Hohl angefertigt hat - sie finden sich im Mittelteil des Buches -, sind beeindruckende Alltagsstudien. Sie zeigen den Schriftsteller am Schreibtisch mit der unvermeidlichen Zigarette im Mundwinkel, porträtieren ihn bei der morgendlichen Rasur oder beim Hanteltraining. Die Skizzen, die den alten Mann auf seinem Krankenlager und schließlich auf dem Totenbett zeigen, spiegeln die Achtung, die Hanny Fries Ludwig Hohl trotz aller persönlichen Differenzen stets entgegengebracht hat.

SABINE DOERING

Werner Morlang: "Die verläßlichste meiner Freuden". Hanny Fries und Ludwig Hohl. Gespräche, Briefe, Zeichnungen und Dokumente. Verlag Nagel & Kimche, München und Wien 2003. 391 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Für Rezensentin Sabine Doering bietet diese Dokumentation der Verbindung von Ludwig Hohl zu seiner zweiten Frau Hanny Fries aus Briefen, Gesprächen, Zeichnungen und Herausgeberkommentaren eine weitere Möglichkeit, hinter der jahrzehntelang aufrechterhaltenen schroffen Fassade "dieses harschen Außenseiters des helvetischen Literaturbetriebs" den privaten Ludwig Hohl zu entdecken. Das Kernstück des Buches bilden den Informationen der Rezensentin zufolge die umfangreichen Gespräche, die der Herausgeber in den Jahren 2000 und 2001 mit der Künstlerin Hanny Fries führte. Aus vielen Facetten sieht Sabine Doering darin das Werktagsgesicht eines Autors hervortreten, das für sie ein nüchternes Gegengewicht zu dem Pathos bildet, mit dem sich Hohl zeit seines Lebens zu inszenieren versucht habe. Zu diesem Bild tragen auch die im Band versammelten Fries-Zeichnungen von Ludwig Hohl bei, die Doering als "beeindruckende Alltagsstudien" beschreibt. Auch entsteht in Fries' Berichten für sie das geradezu idyllische Bild einer Genfer Boheme in den Vierziger Jahren. Hohls Briefen an Hanny Fries können der Rezensentin vor allem Hohls Lust am Sprachspiel verdeutlichen.

© Perlentaucher Medien GmbH"