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In der Auswahl der Gedichte verbindet sich der Kontext ihrer historischen Entstehung mit dem Anspruch künstlerischer Brillanz. Robert Walser, Ernst Burren, Silja Walter und das Cabaret Cornichon sind nur einige der Namen, die diese Sammlung zu einem unverzichtbaren Kompendium der modernen Lyrik machen. Bekannte Verszeilen, wie etwa das Einst dem Grau der Nacht enttaucht von Paul Klee, treffen hier auf halb oder ganz vergessene Perlen der Schweizer Dichtkunst: das anrührende Ich geh unter lauter Schatten von Franz Xaver Gwerder oder Die Irre von Silja Walter. 'Die schönsten Gedichte der…mehr

Produktbeschreibung
In der Auswahl der Gedichte verbindet sich der Kontext ihrer historischen Entstehung mit dem Anspruch künstlerischer Brillanz. Robert Walser, Ernst Burren, Silja Walter und das Cabaret Cornichon sind nur einige der Namen, die diese Sammlung zu einem unverzichtbaren Kompendium der modernen Lyrik machen. Bekannte Verszeilen, wie etwa das Einst dem Grau der Nacht enttaucht von Paul Klee, treffen hier auf halb oder ganz vergessene Perlen der Schweizer Dichtkunst: das anrührende Ich geh unter lauter Schatten von Franz Xaver Gwerder oder Die Irre von Silja Walter.
'Die schönsten Gedichte der Schweiz' bieten in loser chronologischer Abfolge, mit Kurzviten der Autoren und einem Nachwort der Herausgeber versehen, einen facettenreichen Spiegel des 20. Jahrhunderts, von Realismus und Dada über die konkrete Poesie bis zur individuellen Lyrik der neuesten Zeit.
Autorenporträt
Dirk Vaihinger, geboren 1966, promoviert an der Freien Universität Berlin, arbeitete als Lektor im Rowohlt Verlag, Reinbek, und leitet seit 2000 den Verlag Nagel & Kimche in Zürich.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.06.2003

Eh là hopp, Poet, eh là hopp!
Der Berg vor dem Kopf ist auch ein Brett: Schweizer Gedichte

Der Titel dieser Sammlung ist eine Provokation. Das wissen auch die Herausgeber, die in ihrem Nachwort fröhlich in die Offensive gehen: Wer immer "schönste" Gedichte zusammenstellt, lautet die ganz unwissenschaftliche Argumentation, beruft sich zwangsläufig auf seine eigenen Vorlieben und Lesefreuden. Wenn aber Subjektivität so offenkundig ist, dürfe man sie getrost zum Programm erheben. So nonchalant läßt sich das Problem des Kanons also umgehen.

Mit dem reißerischen Superlativ sind die Provokationen des Titels aber noch nicht erschöpft. Denn der spricht ohne Einschränkung von der gesamten Schweiz, die Auswahl bietet jedoch allein deutschsprachige Lyrik. So ergreifend schön die Gedichte aus der französischen, italienischen und rätoromanischen Schweiz auch sein mögen - Peter von Matt und Dirk Vaihinger machen keine Anstalten, über die kulturelle Grenze des berüchtigten Röstigrabens hinauszublicken. Großzügig verfahren sie hingegen mit der Eingemeindung ausländischer Lyriker: Der Elsässer Hans Arp wird hier ebenso den dichtenden Schweizern zugerechnet wie der aus Polen stammende Lajser Ajchenrand, der seine Lieder in jiddischer Sprache verfaßt hat.

Diese Unbekümmertheiten grenzen fast schon an Etikettenschwindel. Doch sollte man den rund dreihundertfünfzig Gedichten nicht den Titel zum Vorwurf machen, unter dem sie zusammengestellt wurden. Dafür nämlich gibt es in dieser Sammlung zuviel zu entdecken, und gern stimmt man den Herausgebern zu, daß hier eine Reihe "schöner", also anrührender, nachdenklicher, spaßiger, engagierter, sprachspielerischer und feierlich ernster Gedichte versammelt sind.

Die Textauswahl setzt im späten neunzehnten Jahrhundert ein. Den Anfang machen Gottfried Keller und Conrad Ferdinand Meyer, die mit einigen ihrer bekanntesten Gedichten vertreten sind. Daneben steht der unbekanntere Heinrich Leuthold, der in klassizistischen Versen mit unfreiwilliger Komik den helvetischen Fortschritt preist: "mitten im Schoß der Alpen / Wiehert das Dampfroß." Solche Zeilen mögen noch heute Anhänger der Gotthardbahn erfreuen; skeptischere Leser halten sich wohl eher an den Journalisten Niklas Meienberg, der sich eingeengt fühlt "in diesem Rentnernationalpark / Im Binnenland das an seiner Vergangenheit lutscht". Ein altes Thema wird hier wortreich variiert, denn das Leiden der Schweizer an der Schweiz - "wo Berge sich erheben / Wie Bretter vor dem Kopf" - hat eine lange Tradition.

Die skeptische Heimatliebe bekam in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine scharfe politische Note. Walter Lesch entlarvte in seinem "Cabaret Cornichon", das er 1933 in Zürich gegründet hatte, pointiert den Mythos der Schweizer Neutralität: "Mir lached oder schwiged halt / und glaubed s'göng verbii." Dabei läßt der Chansonnier keinen Zweifel daran, daß auch seine Landsleute für die Verführung durch nationalsozialistische Ideen empfänglich sind: "Sött's Schwyzerchrüz / en Haagge ha - / doch dänn wird's schwarz wie d'Nacht." Das kühne Gedankenspiel, mit dem das helvetische Staatssymbol kurzerhand in ein Hakenkreuz verwandelt wird, verliert durch die Verwendung des Schweizerdeutschen nichts von seinem mahnenden Ernst.

Freilich kann die vertraute Mundart auch einfach der Lust am klanglichen Spiel dienen. Von der ausgelassenen Beschreibung eines Tanzvergnügens am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts bei Berti Jütz - "Und jüppidibüi und Zottäli dra, / nur immer scheen dä Wända nah!" - ist es da nicht weit zu den Dialektgedichten Kurt Martis und Mani Matters in den sechziger Jahren: "us emene lääre gygechaschte / ziet er sys inschtrumänt."

Nicht nur Liebhaber des Schweizerdeutschen werden in dieser Sammlung Entdeckungen machen. Breiten Raum haben die Herausgeber der modernen Naturlyrik eingeräumt, die durch Autoren repräsentiert wird, die auch außerhalb der Schweiz seit langem aufmerksame Leser gefunden haben. Kuno Raeber gehört zu ihnen, auch Alexander Xaver Gwerder oder die mittlerweile achtzigjährige Erika Burkart: "Die Milchstraße ist eine Naht / im Mantel des Fremden / er wickelt noch einmal mich ein." Feierliches steht in dieser Anthologie neben frechen Respektlosigkeiten; die komplizierten Satzbögen antikisierender Oden werden von den sprachlich unbeholfenen, nicht minder ernsten Worten der kroatischen Emigrantin Dragica Rajcic abgelöst: "Wir / angezogen in Billigware / packen koffer in den Kopfen / versprechen Uns / Leben zu Verkraften / bis Abreise."

Es fällt schwer, hinter dem steten Wechsel der Töne ein formales oder inhaltliches Ordnungsprinzip auszumachen. Die einzelnen Gedichte folgen einander wie in einer bunten Nummernrevue, was an die turbulente Ästhetik einer Zirkusaufführung erinnert. Der Zirkus spielt hier ohnehin eine bedeutende Rolle, führt doch eines der Gedichte unmittelbar in die Manege. Der Name des Autors, Paul Burkhard, mag vielen unbekannt sein, seine Verse sind es sicher nicht: "O mein Papa war eine wunderbare Clown! / O mein Papa war eine grosse Kinstler!" Auch das ist Schweizer Lyrik, erklungen ist sie zum ersten Mal 1948 in der musikalischen Komödie "Der schwarze Hecht". Überraschungen ohne Ende, eh là hopp.

SABINE DOERING

"Die schönsten Gedichte der Schweiz". Hrsg. von Peter von Matt und Dirk Vaihinger. Verlag Nagel & Kimche, München und Wien 2002. 260 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2002

Und anderswo
Auch in der Schweiz
wird gedichtet
Es sind oft die kleinen Länder, die große Literatur hervorbringen. Litauen hat uns kürzlich daran erinnert. Auch die Schweiz versteht diese Einsicht regelmäßig zu bestätigen. Ignoranten und Zweifler, aber besser noch Neugierige und Liebhaber können sich davon jetzt neu überzeugen: „Die schönsten Gedichte der Schweiz” kündigt der Titel einer kürzlich erschienenen Sammlung augenzwinkernd an. Nüchtern betrachtet ist es die vollständigste und verlässlichste Anthologie deutschsprachiger Schweizer Lyrik des 20. Jahrhunderts, zusammengestellt vom renommierten Literaturwissenschaftler Peter von Matt und Nagel&Kimche-Verlagsleiter Dirk Vaihinger.
Einundneunzig Autorinnen und Autoren kommen darin zu Wort. Darunter bekannte Namen von Robert Walser und Hugo Ball, über Eugen Gomringer und Friedrich Dürrenmatt bis Thomas Hürlimann und Raphael Urweider.
Doch entdeckt werden wollen (und sollen) vor allem die hierzulande weniger Präsenten: etwa Erika Burkarts „Familienballade”, die einem Zustand zustrebt, „in dem sich das Schweigen / ein neues Gehör schafft”, oder Lajser Ajchenrands Trauer- und Gedächtnistexte über den Holocaust in jiddischer Sprache, diverse Mundart- und Dialektdichtungen (u.a. von Manni Matter, Franz Hohler, Berti Jütz), Silja Walters Verse, schön und zerbrechlich wie ein Tanz aus Glas, Armin Sensers rauschhaftes poetologisches Langgedicht „Großes Erwachen” oder auch Jürg Federspiels Humoreske „Hinterlass ein Zeichen”: „Mal einen Strich. Und schreib: Wer so hoch / pinkeln kann, melde sich bei der Feuerwehr”.
Die wunderbarste Leistung dieser „schönsten Gedichte der Schweiz” wirkt paradox: Rasch vergisst man nationale Zugehörigkeiten und versinkt statt dessen in die grenzenlose Schönheit der Poesie. Oft sind es die kleinen Verlage, die großartige Bücher hervorbringen.
THOMAS WILD
PETER VON MATT und DIRK VAIHINGER (Hrsg.): Die schönsten Gedichte der Schweiz. Verlag Nagel & Kimche, München / Wien 2002. 260 Seiten, 16,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Für die Sammlung deutschsprachiger Schweizer Lyrik des 20. Jahrhunderts hat Thomas Wild nur lobende Worte. Er schwelgt bei der Lektüre geradezu in der "grenzenlosen Schönheit der Poesie", die er in dem Buch findet. Dem Rezenten bleibt in seiner kurzen Besprechung dann auch nicht viel mehr übrig, als zum einen die bekannten Autoren des Bandes - von Robert Walser bis Friedrich Dürrenmatt - zu nennen, und zum anderen auf die in Deutschland weniger präsenten Autorinnen und Autoren wie Erika Burkarts oder Armin Senser hinzuweisen, die bei ihm tiefen Eindruck hinterlassen haben. Der renommierte Literaturwissenschaftler Peter von Matt und der Verlagsleiter Dirk Vaihinger haben "die vollständigste und verlässlichste Anthologie" Schweizer Lyrik vorgelegt, so Wild, der zudem noch auf die kleinen Verlage hinweist, die oft die "großartigsten Bücher" hervorbringen.

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