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Die Geschichte des Häftlings und "Lagerfotografen" von Auschwitz, Wilhelm Brasse. Eines seiner Fotos ging um die Welt. - Aufstieg, Enteignung, Flucht und Widerstand der jüdischen Familie Klagsbrunn. - Und die Spurensuche nach der Österreicherin Gisela Tschofenig, die ihre Trauung in Dachau feiern musste. Drei Geschichten, die sich an Fotografien entzünden und diese doch übertreffen, denn sie machen das Abgebildete wieder lebendig.

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Produktbeschreibung
Die Geschichte des Häftlings und "Lagerfotografen" von Auschwitz, Wilhelm Brasse. Eines seiner Fotos ging um die Welt. - Aufstieg, Enteignung, Flucht und Widerstand der jüdischen Familie Klagsbrunn. - Und die Spurensuche nach der Österreicherin Gisela Tschofenig, die ihre Trauung in Dachau feiern musste. Drei Geschichten, die sich an Fotografien entzünden und diese doch übertreffen, denn sie machen das Abgebildete wieder lebendig.
Autorenporträt
Erich Hackl, geboren 1954 in Steyr, hat Germanistik und Hispanistik studiert und einige Jahre lang als Lehrer und Lektor gearbeitet. Seit langem lebt er als freier Schriftsteller in Wien und Madrid. Seinen Erzählungen, die in 25 Sprachen übersetzt wurden, liegen authentische Fälle zugrunde. 'Auroras Anlaß' und 'Abschied von Sidonie' sind Schullektüre. Unter anderem wurde er 2017 mit dem Menschenrechtspreis des Landes Oberösterreich ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Tief ergriffen hat Rezensent Samuel Moser Erich Hackls Erzählband "Drei tränenlose Geschichten" gelesen, in denen sich der österreichische Autor einmal mehr der Geschichte als fortlaufendem Teil des Gedächtnisses widmet. In dem vorliegenden Band folgt der Kritiker unter anderen dem Schicksal der jüdischen Fabrikantenfamilie Klagsbrunn, die während des Zweiten Weltkriegs nach Südamerika emigrierten. Moser bewundert Hackls Vermögen, die von den Hinterbliebenen und Nachkommen erzählten Erinnerungen respektvoll und sensibel niederzuschreiben, ihr Schweigen feinfühlig zu behandeln und dabei weniger auf historische Faktizität zu setzen als vielmehr auf die Gefühle der Erzählenden. Lobend erwähnt der Rezensent auch, wie es dem Autor gelingt, anhand von - hier nicht abgedruckten - Fotografien Fäden aus der Vergangenheit der Familien in die Gegenwart zu ziehen. Und so kann Moser dieses eindringliche Buch nur unbedingt empfehlen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.07.2014

Das Geld reichte gerade einmal für die Flucht nach Brasilien
Erich Hackls neuer Erzählungsband "Drei tränenlose Geschichten" beschreibt die Opfer, die der Widerstand gegen den Faschismus fordern konnte

Leopold Klagsbrunn war einer von nicht sehr vielen, die es gerade noch geschafft haben. Sein Geschäft - Holzkohle und Transport - und das Wohnhaus in Wien-Floridsdorf, nördlich der Donau, verkaufte er im März 1938, also bevor solche Übertragungen von den neuen Machthabern geregelt und meist verhindert wurden, an seine Angestellte Marie Pfeiffer. Der Kaufpreis, darauf lassen die erhaltenen Unterlagen schließen, war zum größeren Teil in monatlichen Raten zu bezahlen. Der geringere Teil reichte als Barbetrag gerade für die Reise via Portugal nach Brasilien. Marie Pfeiffer hielt sich an die Vereinbarung, solange ihr dies nicht von den Behörden unmöglich gemacht wurde, und blieb in freundschaftlichem Briefkontakt mit Familie Klagsbrunn, die auch nach Kriegsende in der neuen Heimat blieb. Leopold verstarb 1957 in Rio de Janeiro, Witwe und Kinder verspürten aber auch dann keine Lust, nach Österreich zurückzukehren.

Damit endet freilich die Geschichte der Familie noch nicht. Schon im traditionellen Arbeiterbezirk Floridsdorf waren die Klagsbrunns Sympathisanten der sozialdemokratischen Partei gewesen. Als diese nach der Ausschaltung des Parlaments durch den christlich-sozialen Kanzler Dollfuß verboten wurde, gingen einige Verwandte Leopolds in den Widerstand, schlossen sich den ebenfalls illegalen, aber weit kämpferischeren Kommunisten an, emigrierten in die Sowjetunion. Auch die nach Brasilien Entkommenen, zumindest die Kinder im Studienalter, engagierten sich weiterhin in linken Vereinen. Das wurde ihnen zum Verhängnis, als rechtsgerichtete Militärs 1965 in einem Staatsstreich die Macht übernahmen. Wieder musste man fliehen.

Die weiteren Verstrickungen und Details kann man in "Familie Klagsbrunn", der ersten Erzählung in "Drei tränenlose Geschichten", nachlesen, einem Band mit drei bereits zuvor veröffentlichten Recherchen des Autors. Die Auswahl wurde wohl aus mehreren Gründen getroffen: Inhaltlich handelt jede der Episoden von Menschen, die dem Faschismus in einer seiner Spielarten - Austrofaschismus, Nationalsozialismus, Franquismus, rechte Militärdiktatur - Widerstand leisteten. Und jede Erzählung nimmt ihren Ausgang bei Bildern - einem Familienfoto; Lichtbildern im Auftrag der Verwaltung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau; der Abbildung eines Straßenschildes.

Auch stilistisch bleibt sich Erich Hackl treu - nüchtern, lakonisch, mehr Referat als Erzählung, bestenfalls die Rahmenhandlungen liefern so etwas wie Gefühlsregungen. Die erste, jüngste Geschichte, verfasst im Vorjahr, etwa beginnt mit den Worten: "Ein Stammbaum fehlt, deshalb müssen wir uns dringend an das Foto halten, auf dem sie uns, aus der Entfernung eines Jahrhunderts, betrachten."

Das Adjektiv im Titel entstammt einerseits einem Brief einer nach London geflohenen Verwandten Klagsbrunns und beschreibt den Abschied von Wien 1938: "Sehr tränenlos" , und andererseits einer Aufforderung Hackls, die den Band beschließt: "Den Blick heben, tränenlos lesen, was auf der Tafel unter dem Straßenschild steht. Gisela Tschofenig (1917- 1945), Gegnerin des NS-Regimes."

Dass der Klappentext auch damit wirbt, Hackls erste Erzählungen "Auroras Anlaß" (1987) und "Abschied von Sidonie" (1989) seien mittlerweile zur "Schullektüre" aufgestiegen, ist da schon eher ein mit Vorsicht zu genießendes Kompliment. Das neue Buch, darauf weist der Verlag im Impressum hin, folgt auf Wunsch des Autors der alten Rechtschreibung. Damit eignet es sich vermutlich nicht mehr für die gemeinsame Lektüre im Klassenzimmer, hat aber gerade deshalb einen gewissen nostalgischen Charme. An seine besten Erzählungen, "Sidonie" oder auch "Als ob ein Engel" (2007), reichen die "Drei tränenlosen Geschichten" zwar nicht ganz heran, aber sie vermögen durchaus zu berühren und zu bewegen.

MARTIN LHOTZKY

Erich Hackl: "Drei tränenlose Geschichten". Diogenes Verlag, Zürich 2014. 154 S., geb., 19,50 [Euro].

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