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Endlich - nach fünf Jahren der neue Campus-Roman des großen englischen Erzählers! Ralph Messenger ist ein Mann, der weiß, was er will, und das in der Regel auch bekommt. Er steht kurz vor seinem fünfzigsten Geburtstag, ist, wie man so sagt, glücklich verheiratet mit Carrie, einer Amerikanerin, und hat den lukrativen Direktorenposten am renommierten Institut für Kognitionswissenschaft an der Uni Gloucester inne. Hier widmet er sich der Erforschung des menschlichen Bewußtseins mit dem Ziel, in absehbarer Zeit den denkenden Computer zu entwickeln. Im übrigen führt Messenger ein flottes Leben und…mehr

Produktbeschreibung
Endlich - nach fünf Jahren der neue Campus-Roman des großen englischen Erzählers!
Ralph Messenger ist ein Mann, der weiß, was er will, und das in der Regel auch bekommt. Er steht kurz vor seinem fünfzigsten Geburtstag, ist, wie man so sagt, glücklich verheiratet mit Carrie, einer Amerikanerin, und hat den lukrativen Direktorenposten am renommierten Institut für Kognitionswissenschaft an der Uni Gloucester inne. Hier widmet er sich der Erforschung des menschlichen Bewußtseins mit dem Ziel, in absehbarer Zeit den denkenden Computer zu entwickeln. Im übrigen führt Messenger ein flottes Leben und stellt jeder gutaussehenden Frau nach, die seinen Weg kreuzt...
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.05.2001

Sieg auf heimischem Platz
David Lodges Roman der "Dritten Kultur" · Von Stephan Wackwitz

In seiner Antwort auf eine Rundfrage der "Frankfurter Zeitung" hat der Soziologe Georg Simmel im Jahr 1909 das Dilemma benannt, das fast hundert Jahre später in den Stimmungen, Visionen, Debatten und Apokalypsen der "Dritten Kultur" wiederaufgetaucht ist: den "Abgrund zwischen der Kultur der Dinge und der Menschen". Simmel schreibt: "Was uns als Geräte und Techniken dient, was sich an Kenntnissen und Künsten, an möglichen Lebensstilen und Interessiertheiten bietet, hat durch die Arbeitsteilung der letzten Jahrhunderte eine unerhörte Vielfältigkeit gewonnen. Allein die Fähigkeit des Individuums, dies Material zu persönlicher Kultivierung zu verwenden, kommt diesem Wachstum nur sehr langsam, und immer weiter hinter ihm zurückbleibend, nach." Fast jeder kann einen Computer bedienen. Aber dieses Verständnis reicht über die Benutzeroberfläche nicht hinaus. Die Kultur der Dinge ist schneller, komplexer, schwieriger geworden als sie die Kulturfähigkeit der Menschen bewältigt: angesichts dessen, was die Dinge heute können, eine gefährliche Lage. Daß wir sie erst jetzt, mit beinahe einem Jahrhundert Verspätung erkennen, sagt etwas über die Langsamkeit jener "Kultur der Menschen". David Lodges neues und sehr merkwürdiges Buch "Denkt" ist ein Beispiel für die literarischen Möglichkeiten der "Dritten Kultur".

Seine gesamte literarische Karriere hindurch ist der Literaturwissenschaftler und Romancier Lodge ein geradezu beunruhigend altmodischer Schriftsteller geblieben. Die Perfektion, mit der er bürgerlich-realistische Formen, Spannungsbögen, Personenkonstellationen, Identifikationsangebote und Stimmungen in die turbulenten Verhältnisse der Postmoderne versetzt hat, war ein Grund für seinen Publikumserfolg einerseits und die amüsiert-herablassende Distanz zumindest der deutschen Kritik andererseits. Altmodisch, geradezu klassizistisch ist außerdem die Überzeugung dieses Schriftstellers, daß Literatur nicht nur spannend, sondern auch lehrreich zu sein habe. Man konnte sich bei der Lektüre seiner Romane deshalb nicht nur unterhalten, sondern auch belehren lassen, über bildungssoziologische oder theologische Fragen ebenso wie über Methoden des modernen Managements oder der dekonstruktivistischen Literaturinterpretation.

Die Geräte und Techniken, Kenntnisse und Künste, Lebensstile, Interessiertheiten, Vielfältigkeiten und Arbeitsteilungen der materiellen Kultur kamen dabei, all jener postmodernen Turbulenz zum Trotz, nach Art und Weise vormoderner Literaturverhältnisse, nämlich allegorisch, daher. Wie in der Barockoper die Liebe, die Weisheit oder die Tapferkeit persönlich auftreten, war Morris Zapp in "Small World" die avantgardistische Literaturtheorie, der Held von "Therapy" die moderne Theologie, das Liebespaar von "Nice Work" das zeitgenössische Management respektive die Soziologie und die beiden Zwillinge in "Small World" nichts anderes als die ewige Schönheit.

Die Helden in Lodges neuem Roman, der Professor Ralph Messenger und die Schriftstellerin Helen Reed versinnbildlichen die moderne Kognitionswissenschaft und jene Spielart kultivierter Unterhaltungsschriftstellerei wie sie im englischen Sprachraum mit den Büchern zum Beispiel eben David Lodges blüht. Männliches Wissen und weibliche Poesie begegnen sich, als Helen Reed "writer in residence" an einem britischen "red brick college" wird. Natürlich verlieben sie sich ineinander. Und wie Lodges Figuren immer haben sie sich dabei mehr zu sagen, als nur, daß sie sich wunderbar finden. "Denkt" ist ein Roman über die offenbar tatsächlich erstaunlichen Fortschritte der zeitgenössische Kognitionswissenschaft, über ihre Arbeitsmethoden, Ergebnisse, Hauptprobleme und über das Leben der Wissenschaftler, deren Forschungsgebiet das Innerste der Individuen bildet. Das ist die Region, in der die erotische Wünsche schlummern und erwachen, in der die Träume und Neurosen wachsen, von wo die Liebe, der Haß, der Ehrgeiz und die Machtgier aufbrechen, um uns zu beseligen und zu ruinieren - die Region also, in die seit Jahrhunderten nur die Literatur vordringt, oder allenfalls die mit ihr verschwisterte, zur Hälfte selber künstlerisch verfahrende Psychoanalyse.

Kann sich jemand, der weiß, was im Gehirn im Zustand der Verliebtheit chemisch vor sich geht, noch verlieben? Ralph Messenger, mächtiger Boss eines renommierten britischen Gehirnforschungsinstituts, vielbeschäftigtes Fernsehorakel, bekannter Populärwissenschaftler und Talkshowstar, verliebt sich wahrscheinlich eher zu oft als zu selten. Obwohl er nicht nur mit einem schönen Stadthaus und einem schicken Landhaus gesegnet ist, sondern auch mit einer recht gut erhaltenen amerikanischen Ehefrau, einer leidlich gelungenen Schar von Kindern, mit Freisemestern, internationalen Kongressen, one-night-stands und Autos, gelüstet es ihn nach der schönen, offenbar geradezu schilfrohrschlanken Schriftstellerin Helen Reed, deren Mann vor kurzem gestorben ist und deren katholische Erziehung zumindest im ersten Drittel des Romans den Listen und Ränken Messengers einiges an spannungserzeugendem Widerstand entgegenzusetzen weiß.

Das gibt Helen/Poesie und Ralph/Kognitionswissenschaft genügend Zeit, die alten literarischen Methoden der Seelenanalyse und die jungen der Kognitionspsychologie ausgiebig, lehrreich und vergnüglich die Klingen kreuzen zu lassen. Dabei, so scheint es, hat der Schriftsteller Lodge seiner Heldin stillschweigend eine Platzüberlegenheit eingeräumt, denn da die beiden Figuren nun schon einmal in einem Roman auftreten, sind sie gezwungen, sich in den bewußtseinsanalytischen Formen der modernen Literatur auszusprechen. Lodge läßt aufmarschieren, was seit Sterne, Jean Paul und Joyce gut und teuer ist: Bewußtseinsstrom, unzuverlässige Erzähler, ironische Brechung, Brief-, pardon: e-mail-Roman, Pastiche. Dann aber überstürzen sich die Ereignisse so sehr, daß uns die Konstruktion so egal wird wie die Kognitionswissenschaft und wir nichts mehr sind als hingerissene Leser.

Unsere katholische Pamela nämlich erliegt den Verführungskünsten des robusten Messenger, entdeckt, daß der verstorben-idealisierte Ehemann ihr zu Lebzeiten seinerseits notorisch untreu gewesen ist, und freundet sich zu allem Überfluß mit der von ihr betrogenen Ehefrau des Kognitionsprofessors an. Einen Moment lang steht alles auf Messers Schneide, dann aber rettet eine seltene, gottseidank aber operable Leberkrankheit dem männlichen Helden seine Ehe, seinen Seelenfrieden, seine Karriere und seinen guten Ruf, die schöne Helen ist so untröstlich und zugleich insgeheim bittersüß erleichtert, wie es sich in solchen Fällen ziemt, tröstet sich, inzwischen zurück im heimischen London, mit einem netten Mann, der wirklich noch zu haben ist und am Schluß sind alle ins wirkliche Leben zurückgekehrt, ein bißchen geläutert, ein bißchen nostalgisch, ein bißchen enttäuscht, und es hat stattgefunden, was man gemeinhin das Leben nennt. "Wilhelm Meister", schrieb Novalis über diesen klassischen Kasus, "ist eigentlich ein Candide, gegen die Poesie gerichtet. Die Poesie ist der Harlekin in der ganzen Farce."

Oder eben ein Forschungsproblem. Was geschieht in unserem Kopf, wenn wir uns erinnern, Heimweh oder Sehnsucht haben, Schuldgefühle empfinden, enttäuscht und wütend sind, beten, uns für etwas interessieren oder uns verlieben? Daß die Wissenschaft darüber viele Aussagen treffen kann, aber nur die Literatur all dies vor den Augen eines still und unbeteiligt in seinem Sessel verharrenden Lesers auferstehen und glaubhaft werden lassen kann, darin besteht die eigentliche Pointe dieses vergnüglichen und gescheiten Buchs.

Eins zu Null für die Literatur. Und doch ist die "Dritte Kultur" noch nicht aus dem Rennen, wie die eindrucksvolle Liste weiterführender Literatur beweist, die David Lodge in seine Danksagung am Ende des Buchs eingerückt hat. Schon die hier aufgeführten Titel klingen so spannend, daß die Lektüre von "Denkt" - in diesem Buch hat die "Kulturfähigkeit der Menschen" einstweilen den Sieg davongetragen - für uns Leser vielleicht nur den Auftakt bilden wird für die Lektüre eines Buchs über die "Kultur der Dinge": Richard Dawkins' "Das egoistische Gen" zum Beispiel, Robin Dunbars "Klatsch und Tratsch. Wie der Mensch zur Sprache fand" oder Steven Pinkers "How the Mind works". Vor dem Spiel ist nach dem Spiel. Die Literatur ist nicht mehr allein mit dem Geheimnis unseres Bewußtseins.

David Lodge: "Denkt". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Martin Ruf. Haffmans Verlag, Zürich 2001. 511 Seiten, geb., 44,- DM

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Evelyn Finger ist geteilter Meinung über diesen Band. Einerseits zeigt sie sich spürbar genervt, dass ein weiterer Campus-Roman erschienen ist, der sich mit "Sexdefiziten und Machtgier" beschäftige und den Leser zur Schlüssellochperspektive nötige. Darüber hinaus bemängelt sie - zumindest in der ersten Hälfte des Romans - fehlenden Schwung und ein Übermaß an Stereotypen sowie die Vorhersehbarkeit der Liebesaffäre zwischen den beiden Protagonisten. Aber andererseits verfügt der Roman nach Finger durchaus über einige besondere Qualitäten, die für sie vor allem in der Erzähltechnik liegen. Finger erläutert, dass es dabei letztlich um die Frage geht, ob das Bewusstsein lediglich eine Folge biochemischer Reaktionen ist. Und so biete Lodge verschiedene Möglichkeiten an: das von einem "Sprachcomputer aufgezeichnete 'stream of conciousness'", ein Tagebuch und "Berichte im Stil des Nouveau Roman". Darüber hinaus beschäftige sich die Protagonistin Helen Reed ihrerseits als Dozentin mit der Adaption von Texten und Imitation von Autoren. Die Stärke des Bandes liegt nach Finger also summa summarum darin, dass sich der Autor mit "amüsanter und trotzdem prägnanter Polemik in den Wissenschaftsdiskurs" einmischt.

© Perlentaucher Medien GmbH