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Produktdetails
  • Verlag: Styria
  • Seitenzahl: 342
  • Abmessung: 240mm
  • Gewicht: 798g
  • ISBN-13: 9783222124464
  • ISBN-10: 3222124469
  • Artikelnr.: 24177595
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.07.2000

Ach, warum muss ich immer so viel ausgeben?
Auch ein Habsburger findet keine grundgütigen Gläubiger: Das Leben des Kaisers Matthias

Wer nach der Lektüre des großen Dramas von Grillparzer "Bruderzwist im Hause Habsburg" den Kaiser Matthias für eine literarische Erfindung gehalten hat, wird hier eines Besseren belehrt: Es hat diesen Mann mit dem so unkaiserlichen Namen wirklich gegeben. Bernd Rill, wissenschaftlicher Referent der Hanns-Seidel-Stiftung, widmet ihm in der Reihe des Styria Verlages eine Biographie. Rill hat seine Fähigkeit, über eine schwierige Persönlichkeit zu schreiben, mit einer Biographie Kaiser Karls VI. bewiesen. Diesmal hat er sich einer besonders komplizierten Aufgabe unterzogen. Kaiser Matthias war ein entschlussloser, schwieriger Mann, der nur sieben Jahre regierte und so gut wie keine Spuren in der Geschichte hinterließ.

Als jüngerer Sohn Kaiser Maximilians II. und Bruder des versponnenen Kaisers Rudolf II. teilte er zunächst das Schicksal nachgeborener Prinzen. Er hatte keine Aufgaben, und auch seine Hofhaltung blieb auf das Allernötigste beschränkt, da die österreichischen Linien des Hauses Habsburg nur über geringe Mittel verfügten. Ein Versuch, dieser Enge dadurch zu entfliehen, dass er sich als Zwanzigjähriger, gegen den Willen des Kaisers und des spanischen Vetters Philipp III., in einem Husarenritt in die spanischen Niederlande begab, um dort den Statthalter zu spielen, endete kläglich. Von Gläubigern gejagt, floh er nach Linz, wo er in ärmlichen Verhältnissen lebte. Als der kaiserliche Bruder ihm im Türkenkrieg 1598 ein Kommando übergab, versagte er auch da. Sein Stunde kam, als es immer deutlicher wurde, dass der in der Prager Burg in Depressionen dahindämmernde Rudolf regierungsunfähig war. Um als nächster Agnat eine Chance in der Auseinandersetzung um die Nachfolge zu haben, musste der land- und mittellose Erzherzog den überwiegend protestantischen Ständen in Ober- und Niederösterreich, in Böhmen und Mähren Zugeständnisse machen, die wiederum bei dem reichen spanischen Vetter auf Unwillen stießen.

Dass in die Politik von Matthias überhaupt eine gewisse Linie hineinkam, verdankte er, der zum Zaudern neigte, seinem politischen Berater, dem aus kleinen Verhältnissen stammenden Bischof von Wien und Wiener Neustadt, Kardinal Melchior Klesl. Der strebte einen Ausgleich zwischen den inzwischen militärisch organisierten Religionsparteien an. Klesl war es auch, der den Sturz Kaiser Rudolfs II. und 1612 die Wahl von Matthias zum Kaiser zustande brachte. Auch als Kaiser konnte Matthias, der sich ständig in Geldverlegenheiten befand, nicht in die Geschichte gestaltend eingreifen. Als der nach der Krone greifende steiermärkische Erzherzog Ferdinand, der spätere Kaiser Ferdinand II., Klesl wegen dessen auf Ausgleich mit den Protestanten ausgerichteter Politik ohne Wissen des Kaisers gefangen nahm, verfiel Matthias in tiefe Depressionen. Am 20. März 1619 starb der unglückliche Mann, ähnlich wie sein Bruder, aller Macht entkleidet.

Wie schreibt man über diesen unbedeutenden, mehr getriebenen als selbst handelnden Mann eine umfangreiche Biographie? Rill macht aus der Not eine Tugend. Er beschreibt ausführlich das Umfeld und gibt einen Abriss der Zeit. Dabei geht ihm häufig in Assoziationen und Vergleichen der rote Faden verloren. Dazu verführt ihn ein staunenswertes historisches Wissen. Man erfährt unendlich viele Einzelheiten, und für den historisch interessierten Laien, für den der Verlag diese Reihe historischer Biographien einst gründete, ist dieses Buch eine Fundgrube. Man muss sich für die Lektüre allerdings Zeit nehmen. Nach vielen Abschweifungen kommt der Autor immer wieder auf sein Thema zurück. Die Lektüre ist nicht ganz einfach. Aber man erfährt eine Menge über die komplizierte Vorgeschichte des Dreißigjährigen Krieges.

Für Rills historisches Verständnis spricht, dass er in seinem klugen Nachwort nicht den Versuch unternimmt, das Vorgehen des Kaisers Matthias und seines Ministers Klesl als Politik der Toleranz zu deuten, die verhindern wollte, dass sich die konfessionellen Spannungen in einem kriegerischen Konflikt entluden. Dazu waren beide zu schwach, und Rill hat Recht, wenn er schreibt, dass ihre Schwäche gerade in der Unterstützung der Landstände auch zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges beitrug. Es waren die böhmischen Stände, die mit dem Prager Fenstersturz und der Wahl des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz zum König von Böhmen den entscheidenden Anlass zum Beginn des Krieges gaben. Viele Spuren hat dieser glücklose, immerhin sieben Jahre regierende Kaiser nicht hinterlassen, wenn man von der Kapuzinergruft in Wien absieht, die seine Gemahlin, die Kaiserin Anna, gründete und in der Matthias und seine Frau als Erste bestattet wurden.

KARL OTMAR FRHR. VON ARETIN

Bernd Rill: "Kaiser Matthias." Bruderzwist und Glaubenskampf. Styria Verlag, Graz 1999. 342 S., 16 S/W-Abb., geb., 54,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Am Anfang seiner Besprechung gibt Karl Otmar Freiherr von Aretin einen kurzen Überblick über den historischen Kontext, in dem der jüngere Sohn Maximilians II für sieben Jahre Kaiser wurde: nach dem Tod seines Bruders Rudolfs II nämlich kam er mit Hilfe des Wiener Bischofs Kardinal Melchior Klesl 1612 an die Macht. In der komplexen Welt der sich militarisierenden religiösen Auseinandersetzung zwischen Protestanten und Katholiken in Europa geriet er jedoch schnell unter die Räder und verfiel, wie zuvor sein Bruder, in Depressionen; er starb "aller Macht entkleidet" 1619. Zeit muss man sich nehmen für die Lektüre dieses Buches, meint von Aretin, denn der Autor breite über die nur siebenjährige Kaiserzeit des habsburgischen Matthias eine sehr dichte Decke von Einzelheiten und Exkursen, durch die man sich mühsam hindurchliese. Immerhin kommt er nach vielen Abschweifungen immer wieder auf das Thema zurück, schreibt von Aretin, aber man merkt der Besprechung an, dass die Biografie dieses "entschlusslosen" und ewig von Gläubigern gejagten Bruders Rudolf II dem Rezensenten Mühe gemacht hat. Immerhin lobt von Aretin den Autor, der als wissenschaftlicher Referent der Hanns-Seidel-Stiftung fungiert, dafür, dass er an Hand einer eher glanzlosen Figur viel Wissenswertes von der Vorgeschichte des Dreißigjährigen Krieges aufgearbeitet hat.

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