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Ein Mann sucht in Odessa im Auftrag eines Schweizer Nudelbarons nach einer gestohlenen Nudelfabrik. Jemand namens Minski soll ihm dabei helfen, aber Minski kommt nicht zum vereinbarten Treffpunkt. Statt dessen der Spanier Olsén, der seinerseits auf der Suche nach Minski ist. Ihm wiederum soll Minski verraten, wo er die Leiche Garcia Novarras findet, der in ein Komplott um den Tod von Marc Bolan verwickelt gewesen sein soll. Einige Monate vorher: Am Neujahrstag wird am Friedhof von Odessa eine aufgeknüpfte Leiche gefunden. Der Opium konsumierende Kommisar Tanais soll den Fall klären, wieder…mehr

Produktbeschreibung
Ein Mann sucht in Odessa im Auftrag eines Schweizer Nudelbarons nach einer gestohlenen Nudelfabrik. Jemand namens Minski soll ihm dabei helfen, aber Minski kommt nicht zum vereinbarten Treffpunkt. Statt dessen der Spanier Olsén, der seinerseits auf der Suche nach Minski ist. Ihm wiederum soll Minski verraten, wo er die Leiche Garcia Novarras findet, der in ein Komplott um den Tod von Marc Bolan verwickelt gewesen sein soll. Einige Monate vorher: Am Neujahrstag wird am Friedhof von Odessa eine aufgeknüpfte Leiche gefunden. Der Opium konsumierende Kommisar Tanais soll den Fall klären, wieder fällt der Name Minski. Er soll Türsteher in einem Club für Homosexuelle sein. Dort angekommen, verhält Tanais sich so ungeschickt, daß er sich selbst die Augen verletzt - aber keine Spur von Minski. Die melancholische Atmosphäre von Odessa ist die perfekte Kulisse für dieses Verwirrspiel um Menschen, die verlorengegangen sind.
Autorenporträt
Peter Zimmermann, geboren 1961 in Villach, Studium der Theaterwissenschaft und Germanistik in Wien. Regie- und Dramaturgieassistent am Burgtheater, am Volkstheater, am Theater in der Josefstadt und am Theater der Jugend. Seit 1988 journalistische Tätigkeit, u.a. für Die Presse, Arbeiter-Zeitung, Wiener Zeitung, Kleine Zeitung, Standard, Focus, profil und Bühne. Seit 1989 Feature- und Kulturredakteur des ORF/Hörfunk. Buchveröffentlichungen u.a.: Skandal:Kunst, Die Nacht hinter den Wäldern (Roman, Deuticke, 2000) und Last Exit Odessa (Roman, Deuticke, 2002).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.03.2003

Weißer Soul am Schwarzen Meer
Zuviel Luft im Darm: Peter Zimmermann kriegt die Krim-Krise

In den siebziger Jahren hätten solche Romane in Tanger gespielt: Versprengte Gestalten aus Westeuropa oder Amerika laufen sich in einer räudigen Hafengegend über den Weg. Im höheren Auftrag sollen sie etwas finden, das wie vom Erdboden verschluckt scheint, ob Menschen oder Dinge ist dabei unerheblich. Auf ihrer Suche begegnen sie Drogensüchtigen, Prostituierten und wilden Hunden. Sie tragen ungebügelte Anzüge, irren durch enge Gassen, sinistre Etablissements und lassen sich dabei auf krumme Geschäfte ein. Stunden- ja tagelang leiden sie unter den Strapazen von Klima, Essen und Notdurft. Sie harren im Luftzug der Ventilatoren abgetakelter Hotelfoyers auf Verbindungsmänner, die niemals kommen werden. Auch wenn der städtische Schauplatz an allen Ecken und Enden in Auflösung begriffen scheint, ist nicht zu übersehen, daß er vor langer Zeit eine abendländische Kultur gekannt hat. Die Protagonisten fühlen sich wohl zwischen den Ruinen.

Seit sich Europas Peripherie von Süden nach Osten verlagert hat, müssen solche Kriminalgeschichten nicht mehr im postkolonialen Nordafrika spielen. Daß das zeitgenössische Odessa nach dem Ende der Sowjetunion sich dafür ebenso perfekt als Kulisse eignet, fand der Österreicher Peter Zimmermann, und verlegte die Handlung seines zweiten Romans ans Schwarze Meer.

Wider Willen hat es das Erzähler-Ich, einen gürtelrosekranken Journalisten und Gelegenheitsdetektiv, nach Odessa verschlagen. An der Hafenmole soll er einen Mann namens Minski treffen und mit dessen Hilfe dem Verbleib einer gestohlenen Nudelfabrik nachspüren. Minski taucht jedoch nicht auf. Statt dessen lernt der Erzähler Olsén kennen. Der Spanier dänischer Abstammung, "ein Verlierer, wie er im Buche steht", sucht die Leiche eines Mannes, der ausgerechnet hinter dem Tod des Rockmusikers Marc Bolan stecken soll, und ist dabei ebenfalls auf Minskis Hilfe angewiesen. Der Zufall will, daß die beiden einander in "der Stadt aus Muschelkalk" am Rande eines todbringenden Gewässers voller Quallen nicht aus dem Weg gehen können. Zwischendurch läuft alles mögliche schief: Schlüssel passen nicht mehr, Hotelzimmer werden ausgeraubt, die Ungeduld steigt, man will weg, aber kommt nicht fort.

Schließlich machen der Journalist und Olsén die Bekanntschaft des koksenden Polizeiinspektors Tanaïs. Der "Schwarzmeercolumbo" soll den Tod des am Baum erhängten Garcia Novarra aufklären, des Mannes also, dessen Leiche Olsén sucht. Bei viel Cognac und Zigaretten versuchen die drei detektivisch zu kombinieren, blicken abwechselnd auf ihr Leben zurück, versinken immer tiefer in den muffigen Sitzmöbeln der Lobby und zugleich im Sumpf der fremden Stadt, wobei Sumpf noch gelinde ausgedrückt ist für das, was Zimmermanns Journalist in Odessa empfindet.

Angetrieben wohl von seinen eigenen Verdauungsschwierigkeiten, ergeht er sich seitenlang in Betrachtungen über die verstopften, dreckigen und kaputten Toiletten im Ostblock. Odessa - das ist für ihn der Anus Europae. Er redet über Luft im Darm und entfaltet dabei seine hanebüchene Kulturtheorie der Defäkation und ihrer nationalen Eigenheiten. Eine deutliche Anspielung auf Erica Jongs einstiges Kultbuch "Angst vorm Fliegen", wie sie nicht deutlicher sein könnte.

Auch steckt Zimmermanns Buch voller Versatzstücke aus der Popkultur der siebziger Jahre. So enthält es eine indirekte Hommage an Mark Feld, der seine Karriere zunächst als Rock 'n' Roller mit der Devise "live fast, die young" in London begann, lange bevor "The Clash" und die "Sex Pistols" auf solche Ideen kamen. Später nannte er sich dann Marc Bolan und gründete die Glam-Rockband "T.Rex". Mit Achtundzwanzig kam Bolan bei einem Autounfall ums Leben. Hinterm Steuer des Minicooper saß seine Frau, die Northern-Soul-Interpretin Gloria Jones ("Tainted Love") und überlebte. Ein "oh, those were the days", das man John Peels sonore Stimme bei so vielen Rückblicken hat sagen hören, kommt bei der Lektüre des Romans unweigerlich in den Sinn. Auch ihn, den berühmten britischen Radio-DJ und einstigen Förderer Bolans, hat Zimmermann in seine Geschichte eingestrickt. Heute, wo die deutschen Kinder Peels in den Clubs von Odessa House und Techno auflegen, verleiht das dem Buch einen Touch von Szene und Underground.

Zimmermanns Figuren schweifen ab, monologisieren in Extremzuständen, schwafeln unter Drogeneinfluß, delirieren im körperlichen Schmerz oder leben - wie Kommissar Tanaïs - im Geiste Sexualphantasien aus. Der reimt und kalauert überdies auch gern ("Der Lermontow hat's nicht verdient auf diese Art zu sterben / jetzt ist er mit dem Grab bedient und hinterläßt zwei Erben".) oder entfaltet seine philosophischen Reflexionen (Kierkegaard, Beckett, Goethe) in Gesellschaft einer Dogge.

Nach und nach treten die Protagonisten ähnlich mysteriös von der Bühne ab wie sie zuvor in Odessa erschienen sind, ohne jedoch einen Minski oder eine Nudelfabrik jemals gefunden zu haben. Am Ende kann man dabei zusehen, wie sich die Stadt einer Luftspiegelung gleich verflüchtigt, zum entfernten Punkt in der ukrainischen Steppe wird. Olsén erwacht schließlich auf einem Hotelbett in - Tanger.

Zimmermann kennt Isaak Babel und Konstantin Paustowski, die Schöpfer des alten, mythischen Odessa, sein Buch zehrt davon. Er hat mit flotter Reporterfeder recht spannende, gute Unterhaltung geschrieben.

STEFANIE PETER

Peter Zimmermann: "Last Exit Odessa". Roman. Deuticke Verlag, Wien 2002. 237 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In den siebziger Jahren hätte so ein kriminalistisch angehauchter Roman in Nordafrika, zum Beispiel in Tanger gespielt, vermutet Stefanie Peter. Heutzutage habe sich Europas Peripherie vom Süden nach Osten verlagert, und dort stünden nun die verlottertsten und exotischsten Kulissen zur Verfügung. In Odessa am Schwarzen Meer spielt Peter Zimmermanns zweiter Roman. Hierhin hat es einen an Gürtelrose erkrankten Journalisten und Gelegenheitsdetektiv verschlagen, wo er andere finstere Gestalten in finsteren Angelegenheiten trifft, die sich an dieser Stelle nicht allesamt erörtern lassen. Zwei Punkte in Peters Rezension scheinen erwähnenswert: die Protagonisten befinden sich meist in körperlichen Extremzuständen, stehen unter Drogeneinfluss, winden sich in Schmerzen, philosophieren über Verdauungsstörungen oder agieren im Geiste Sexualphantasien aus; zugleich ist der Roman mit einem Subtext popkultureller Versatzstücke unterlegt, einer indirekten Hommage an Marc Bolan, die dem Roman einer Hauch von Underground verleihen, meint Peter.

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