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In der bislang ersten Untersuchung zur Zwillingsforschung in den Altertumswissenschaften widmet sich der Autor den folgenden Themenbereichen: religiös-archaische Vorstellungen und Verhaltensweisen gegenüber Zwillingen; historische Zwillingspersönlichkeiten in der antiken Überlieferung; medizinisch-naturwissenschaftliche Theorien zu Zwillingen; antike Überlieferungen und moderne Zwillingspsychologie; gesellschaftliche Phänomene (Primogenitur, Heirat von Zwillingen, Erziehung, Namensgebung, Verwechslung von Zwillingen); Astrologie und Zwillinge.

Produktbeschreibung
In der bislang ersten Untersuchung zur Zwillingsforschung in den Altertumswissenschaften widmet sich der Autor den folgenden Themenbereichen: religiös-archaische Vorstellungen und Verhaltensweisen gegenüber Zwillingen; historische Zwillingspersönlichkeiten in der antiken Überlieferung; medizinisch-naturwissenschaftliche Theorien zu Zwillingen; antike Überlieferungen und moderne Zwillingspsychologie; gesellschaftliche Phänomene (Primogenitur, Heirat von Zwillingen, Erziehung, Namensgebung, Verwechslung von Zwillingen); Astrologie und Zwillinge.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.05.2001

Nun saugt ihr Brüder allzugleich
Reinhard Rathmayr kennt die Nöte antiker Zwillinge

Der Zwilling hat es nicht leicht. Der andere auch nicht. Solange die Eltern die Hoheit über die Kleidung besitzen, wird der eine rot, der andere blau gewandet; oder es wird - schlimmer noch - beiden zum Entzücken der Verwandten das gleiche angezogen. Auf der Schule sind sie Vergleichen ausgesetzt: Mitschüler, Lehrer, Eltern und sie selbst stellen sie an; dabei kann es nur Verlierer geben. Immerhin bleiben die Zwillinge heute in der Regel am Leben. Das war nicht immer so. Reinhard Rathmayr führt uns diese bestürzende Erkenntnis vor Augen. In seiner akribischen Studie über "Zwillinge in der griechisch-römischen Antike" entfaltet er die ganze Problematik der antiken Zwillingsexistenz. Viel Blut ist seinerzeit auf Erden und im Götterhimmel geflossen; wir Heutigen sind da noch einmal davongekommen.

Das Zwillingsdilemma beginnt mit einem Problem, das hier verdoppelt erscheint und von den Engländern bündig so umschrieben wird: "Mother's baby, father's may be." Wer ist der Vater des zweiten Zwillings? Fast alle Antworten auf diese Frage suggerieren eine gewisse Leichtlebigkeit der Mutter; denn die Vorstellung, daß Zwillinge zwei Väter haben, ist in der Antike die vorherrschende. Entweder die Frau vergnügte sich kurz hintereinander mit Ehemann und Liebhaber oder erst mit einem Menschen und dann mit einem Gott. In einem solchen Fall war der Zweitgeborene von göttlicher Abkunft. Immerhin wurde gelegentlich auch ein besonders tüchtiger Gott für die Produktion beider Zwillinge verantwortlich gemacht.

Angesichts solch anrüchiger Herkunft verwundert es nicht, daß in den Sagen des klassischen Altertums Zwillinge und ihre Mutter häufig ein grausames Schicksal ereilte. Folgende Varianten waren denkbar: Die Zwillinge werden zusammen mit ihren Eltern getötet; die Zwillinge werden ausgesetzt, die Mutter wird gefangengehalten; ein Kind wird getötet, das andere am Leben gelassen; Mutter und Zwillinge werden verbannt.

Ein ganz anderes moralisches Problem stellte sich im Falle von Zwillingsgeschwistern. Haben sie bereits im Mutterleib oder haben sie nicht? Die Schande pränatalen Inzests konnte nur durch Tötung eines Zwillings oder durch Verheiratung der beiden getilgt werden.

Plutarch immerhin plädiert für die Natürlichkeit des Zwillingsphänomens: Schließlich habe die Natur die Frauen mit zwei Brüsten ausgestattet, um zwei Kinder gleichzeitig stillen zu können. Und Plinius ergänzt in medizinischer Hinsicht, die Geburt männlicher Zwillinge sei zu begrüßen, da in diesem Falle die Heilkraft der Muttermilch, wenn man sie als Arznei verwendet, besonders groß sei. Auch als Sklaven besaßen Zwillinge Wert: Für sie konnte man überdurchschnittlich hohe Preise erzielen.

Sehr lehrreich hinsichtlich des Verhaltens von Zwillingen zueinander und ihrer Stellung in der Gesellschaft ist die von zahlreichen Autoren beschriebene Geschichte der Stadtgründer Romulus und Remus. Sie bezeugt, daß Zwillinge wohl häufig gleich aufgezogen und ausgebildet wurden, sie thematisiert mit Hinweis auf den fehlenden Altersunterschied das Problem der Primogenitur und ist zugleich das bekannteste Dokument über einen (tödlich endenden) Streit zwischen Zwillingen.

Reinhard Rathmayr schildert all das und vieles mehr (auch siamesische Zwillinge und Verbrecherduos fehlen nicht) aus gründlichster Quellenkenntnis heraus. Die Vergleiche mit heutigen medizinischen, psychologischen und soziologischen Theorien geraten freilich reichlich knapp: Der Autor konsultiert lediglich eine einzige moderne Publikation zum Thema. Aber man könnte, um dieses Defizit auszugleichen, dem verdienstvollen Buch ja demnächst eine Zwillingsarbeit zur Seite stellen.

MICHAEL GASSMANN

Reinhard Rathmayr: "Zwillinge in der griechisch-römischen Antike". Alltag und Kultur im Altertum, Band 4. Böhlau Verlag, Wien 2000. 148 S., geb., 69,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die verschiedenen denkbaren Schicksale von Zwillingen in der griechisch-römischen Antike, wie sie diese laut Michael Gassmann "akribische" Studie schildert, reichen von Verbannung bis Tötung. Wie derart barbarische Behandlungen begründet waren, lässt der von Gassmann angesprochene Fokus des Buches auf "moralische Probleme" wie die Vorstellung von einem "pränatalen Inzest" von Zwillingsgeschwistern erahnen. Lehrreich findet Gassmann das Buch nicht zuletzt wegen seiner "gründlichen Quellenkenntnis". Die gebotenen Vergleiche zum "Zwillingsphänomen" mit heutigen medizinischen, psychologischen und soziologischen Theorien dagegen, fallen ihm dagegen zu knapp aus.

© Perlentaucher Medien GmbH