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Sie wurden ihrer Identität beraubt, gedemütigt und entwürdigt: Tausende polnische Kinder wurden aufgrund ihres "arischen" Erscheinungsbildes von Dienststellen des Deutschen Reiches als "eindeutschungsfähig" bewertet, gewaltsam aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen und in das "Altreich" und in die "Ostmark" deportiert. Im "Lebensborn"-Heim "Alpenland" nahe Gmunden wurden die Jungen und Mädchen schließlich rigoros mit diversen "Eindeutschungsmaßnahmen" konfrontiert, um als "deutsche" Pflegekinder an österreichische Familien vermittelt zu werden.
Wie Betroffene dieses Verfahren persönlich
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Produktbeschreibung
Sie wurden ihrer Identität beraubt, gedemütigt und entwürdigt: Tausende polnische Kinder wurden aufgrund ihres "arischen" Erscheinungsbildes von Dienststellen des Deutschen Reiches als "eindeutschungsfähig" bewertet, gewaltsam aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen und in das "Altreich" und in die "Ostmark" deportiert. Im "Lebensborn"-Heim "Alpenland" nahe Gmunden wurden die Jungen und Mädchen schließlich rigoros mit diversen "Eindeutschungsmaßnahmen" konfrontiert, um als "deutsche" Pflegekinder an österreichische Familien vermittelt zu werden.

Wie Betroffene dieses Verfahren persönlich erlebt haben, zählt zu den Kernfragen dieses Buches. Anhand ihrer Erinnerungen und Berichte zeichnet die Autorin erstmals ein sehr plastisches Bild der "Eindeutschungs"-Thematik, das den LeserInnen auch subjektive Einblicke ermöglicht.
Autorenporträt
Ines Hopfer, geboren 1979, Historikerin, Forschungsschwerpunkt "Eindeutschung" von Kindern und Jugendlichen in der NS-Zeit, Forschungsaufenthalte in Polen und Deutschland, Ehrenmedaille des Vereines "Zrzeszenie Dzieci Polskich Germanizowanych przez rezim hitlerowski" für Wahrung des Andenkens und wissenschaftliches Engagement.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.12.2010

Geraubte Identität
Eindeutschung polnischer Kinder während des Zweiten Weltkriegs

Die Schlüsselrolle der Rassenideologie ist in der Forschung über das "Dritte Reich" unumstritten. In der Besatzungspolitik in Polen fanden terroristische und bürokratische Orgien wie in kaum einem anderen Land statt. Die besetzten polnischen Gebiete waren eine Art Laboratorium und Exerzierfeld für das, was Heinrich Himmler in seiner berüchtigten Denkschrift vom Mai 1940 "Gedanken über die Behandlung Fremdvölkischer im Osten" schriftlich fixiert hatte. Die spezifisch nationalsozialistische Form der Germanisierung gehörte zu den Kernpunkten. Eindeutschung, Rückdeutschung oder Wiedereindeutschung hieß der anfangs begrenzte, später systematischer betriebene Raub polnischer Kinder, die den Überprüfungskriterien der Rassespezialisten für "wertvolles deutsches Blut", das gerettet werden sollte, entsprachen.

Über 20 000 polnische Kinder, so die nur grob mögliche niedrigste Schätzung, wurden ins Altreich und in die "Ostmark" (Österreich) verbracht. Das Thema ist nicht unbekannt. Aber wie im Einzelnen der Prozess der Erfassung, Prüfung, Verschickung, Unterbringung in Durchgangsheimen, "Assimilierungsheimen" und bei Pflegefamilien und wie nach dem Ende der Nazidiktatur die "Repatriierung" verlief - das alles ist noch nirgendwo so minutiös recherchiert worden. Im Mittelpunkt steht die "Ostmark". Deutlich wird dabei das undurchsichtige Gestrüpp unterschiedlicher Zuständigkeiten deutscher Ämter und Institutionen. Ein knapper Abschnitt am Schluss des Buchs informiert über gewaltsame NS-Eindeutschungsaktionen aus anderen Ländern Ost- und Südosteuropas. Eidesstattliche Erklärungen aus dem Nürnberger Nachfolgeprozess gegen das Rasse- und Siedlungshauptamt sowie Interviews mit Betroffenen bilden die wichtigste Quellengrundlage.

Es ist zwar kein blutiges, aber dennoch besonders grausames Kapitel deutscher Besatzungspolitik im Osten, das Ines Hopfer hier mit großer Genauigkeit bei der sehr mühsamen Quellenrecherche und mit viel Einfühlungsvermögen für die Kinder als Opfer vorstellt. Generalisierende Aussagen dazu sind kaum möglich. Die Verhaltensweisen der Kinder konnten je nach Alter, Unterbringung, regionalem Umfeld, psychischer Disposition und vor allem Einstellung der Pflegefamilien und des Heimpersonals erhebliche Unterschiede aufweisen. Die Wiedergabe der Stationen der Eindeutschung aus der Sicht der Kinder gehört zu den besonders eindrucksvollen Passagen. Sie sind zwangsläufig bruchstückhaft, und es gibt keine einheitliche Geschichte dieser Eindeutschung, weil Kinder sie sehr unterschiedlich erlebten. Aber die Verlusterfahrungen, Ängste und Erinnerungen an Drill und drakonische Strafen, wenn die deutschen Anweisungen nicht genau befolgt wurden, waren meistens gleich.

Zum großen Problem wurde die Rückkehr nach Kriegsende. Selbst wo polnisches Bewusstsein und polnische Sprachkenntnisse nicht völlig verschwunden waren, hatten zurückgekehrte polnische Kinder nun oft mit dem Makel zu kämpfen, deutsch zu sein. "Wir kamen wieder zu unseren Tanten", erzählte 2004 eine Betroffene aus Lodz, "konnten natürlich kein Polnisch und galten hier als Deutsche. In Österreich waren wir die ,polnischen Schweine' und hier waren wir die ,deutschen Hitler Jungen' oder ,Hitler Mädel.' Man hat sich gefreut, nach Hause zu kommen und dann war die Freude weg." Insgesamt kehrten nach vage möglichen polnischen Schätzungen nur 15 bis 20 Prozent der ins "Altreich" verbrachten Kinder nach Polen zurück. Bei den einige Tausend umfassenden polnischen Kindern in der "Ostmark", die meist schon im Schulalter waren, lag der Prozentsatz vermutlich höher. Aber auch wer in Deutschland bleiben wollte und blieb, konnte das Kapitel Eindeutschung nur selten "abhaken". Die meisten der Opfer leiden bis heute unter den Folgen der "geraubten Identität".

CHRISTOPH KLESSMANN

Ines Hopfer: Geraubte Identität. Die gewaltsame "Eindeutschung" von polnischen Kindern in der NS-Zeit. Böhlau Verlag, Wien 2010. 304 S., 35,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gelungen findet Christoph Klessmann dieses Buch über die Eindeutschung polnischer Kinder in der NS-Zeit von Ines Hopfer. Dass im Zuge von nationalsozialistischen Germanisierungsbemühungen - Polen war in dieser Hinsicht für die Nazis eine Art Experimentierfeld - über 20 000 polnische Kinder ins deutsche Reich verschleppt wurden, war seines Erachtens "nicht unbekannt". Wie dieser Prozess - Erfassung, Prüfung, Verschickung, Unterbringung der Kinder in Heimen und Pflegefamilien - aber im Einzelnen ablief, darüber war laut Klessmann kaum etwas bekannt. Bei Hopfer findet er diesbezüglich genaue Auskünfte. Er attestiert der Autorin nicht nur akribische Quellenrecherche und wertvolle Interviews mit Betroffenen, sondern auch große Empathie für die Kinder als Opfer. Dargestellt werden auch die Schwierigkeiten der Rückkehr nach Kriegsende.

© Perlentaucher Medien GmbH