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Unsere halbe Zeit verbringen wir nachts. Das Buch versucht einen Überblick der mit der Nacht verbundenen Phänomene von der Kunst des Alten Orients über das Alte Ägypten, das antike Griechenland und Rom, das Mittelalter in Europa und Byzanz, die Renaissance und den Manierismus bis zum Ende barocker Malerei zu geben. Die dunklen Elemente der Sprache wirken aus der antiken Rhetorik über die Troubadour-Dichtung bis zu John Donne auch in die bildende Kunst. Die nächtlichen Seiten des Menschen berühren Hexenwahn, Höllenvisionen und apokalyptische Vorstellungen. Kunst und Wissenschaft haben bis heute…mehr

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Produktbeschreibung
Unsere halbe Zeit verbringen wir nachts. Das Buch versucht einen Überblick der mit der Nacht verbundenen Phänomene von der Kunst des Alten Orients über das Alte Ägypten, das antike Griechenland und Rom, das Mittelalter in Europa und Byzanz, die Renaissance und den Manierismus bis zum Ende barocker Malerei zu geben. Die dunklen Elemente der Sprache wirken aus der antiken Rhetorik über die Troubadour-Dichtung bis zu John Donne auch in die bildende Kunst. Die nächtlichen Seiten des Menschen berühren Hexenwahn, Höllenvisionen und apokalyptische Vorstellungen. Kunst und Wissenschaft haben bis heute das Interesse an der Nacht nicht verloren, was sich in zahlreichen Ausstellungen und Radiosendungen zum Thema äußert, aber auch in Musikstücken, Film, Theater und Buchtiteln. Plinius und Platon liegen mit der "Dibutadislegende" und dem "Höhlengleichnis" der Erkenntnis von Karl Philipp Moritz in seiner "Götterlehre" zu Grunde: "Die Kunst kommt aus der Nacht". Vom Ursprungsmythos, dessen feministischen Aspekten, über den nächtlich schöpferischen männlichen Künstler-Außenseiter, der - gleich den Idealen des römischen Kaisers und Dichters - mit Nachtfleiß gegen den Schlaf kämpft und im dunklen Studiolo oder Aktsaal der Akademien seinen Studien nachgeht, bis zu den nächtlich umtriebigen Menschen und der "Nyktomachia" des Krieges wird methodisch auch ein Überschreiten der Grenze zu Nachbardisziplinen angestrebt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.12.2003

Barbusig, von Schlaf und Tod begleitet
Eine Einladung zur Flohsuche bei Kerzenschein: Brigitte Borchardt-Birbaumer leuchtet der Nacht heim
Früher war die Nacht Nacht und der Tag Tag. Aber seit 1662 in Paris die ersten Straßenlaternen angezündet wurden, ist unsere dualistische Auffassung der Welt aus dem Gleichgewicht geraten. Die Nacht wird immer mehr zum Tag gemacht, die Dunkelheit hat ihr Geheimnis verloren. Nur in der Kunst, in der Literatur oder im Film ist die Nacht unverändert ein wichtiger Bedeutungsträger. Eine Atmosphäre, in der geliebt, gekämpft, gemordet und geträumt wird, sich Gefühle verstärken und Tränen schneller fließen.
Brigitte Borchardt-Birbaumer, gleichzeitig Künstlerin, Kunsthistorikerin, Ausstellungskuratorin und Journalistin, hat nun die erste Geschichte der Nacht in der Kunst des Abendlandes geschrieben, und geht mit ihrem umfassenden kulturhistorischen Ansatz über alle Einzeluntersuchungen, Motivgeschichten und Ausstellungskataloge hinaus, die in den letzten Jahren zu diesem Modethema veröffentlicht wurden. Wolfgang Schönes kunsthistorischer Klassiker „Das Licht in der Malerei” ist längst methodisch überholt, Stoichitas Geschichte des Schattens auf die theoretischen Grundlagen der Nachtbilder in der Renaissance konzentriert, und der schöne Katalog „Die Nacht”, der 1998 zu der gleichnamigen Ausstellung im Münchener Haus der Kunst erschien, gibt lediglich einen nach Themen gegliederten Überblick über Nachtbilder von der frühen Neuzeit bis zur klassischen Moderne. Brigitte Borchardt-Birbaumer geht dagegen mit dem Anspruch auf enzyklopädische Vollständigkeit chronologisch vor: Das früheste Nachtbild hat sie auf einem Siegel aus Ton entdeckt, das dreitausend Jahre vor Christi Geburt entstand. Zu sehen ist ein Boot auf dem Meer, über dem die Mondsichel schwebt. Aber was nach diesem prähistorisch schlichten Auftakt folgt, ist alles andere als ein langweiliger Nachtbilder-Katalog. Erzählt wird, wie kosmologische Vorstellungen, astrologische Entdeckungen und literarische Moden die Ikonographie der Nacht in einem Zeitraum von fünftausend Jahren bestimmten.
Zwei Möglichkeiten gab es seit jeher, die Nacht im Bild zu inszenieren: verkürzt und intellektualisiert als personifizierte Allegorie oder illusionistisch und gefühlsbetont als romantische Mondlandschaft oder kerzenbeschienenes Interieur. Pausanias lieferte die literarische Vorlage für die personifizierte Darstellung der Nacht als begehrenswerte barbusige Frau, die einerseits mit ihren Begleitern Hypnos, Schlaf, und Thanatos, Tod, das Reich der toten Seelen symbolisiert, andererseits in ihrer kaum verhüllten Nacktheit auf die handfeste erotische Komponente des nächtlichen Dunkels anspielt. Die illusionistische Darstellung einer nächtlichen Szenerie, die durch Mond, Sterne oder eine künstliche Lichtquelle beleuchtet wird, ist eine Erfindung der Neuzeit, die Taddeo Gaddi zugeschrieben wird. 1320 malte er in Santa Croce in Florenz eine nächtliche Verkündigung der Geburt Christi an die Hirten. Das Fresko wirkte wie ein Startschuss auf die Künstlerkonkurrenz. Giotto porträtierte daraufhin naturgetreu in den Fresken der Arena-Kapelle in Padua den Halley-schen Kometen, und Adam Elsheimer schuf 1608 in seiner Flucht nach Ägypten, die in Frankfurt hängt, das erste Abbild des gewölbten Nachthimmels, in dem über den Köpfen von Maria und Joseph, astronomisch korrekt beobachtet, die Milchstraße glimmt.
Einleuchtend, dass die Darstellung der Nacht ohne Licht nicht möglich ist. „Willst du also eine Historie bei Nacht darstellen, so lässest du da ein großes Feuer sein...und Personen und Gegenstände in unmittelbarer Nähe der Flammen sollen deren Farbe widerspiegeln” riet Leonardo da Vinci seinen Kollegen. Aber das Zitat aus „De Pictura” ist wenig erhellend für denjenigen, der sein Schullatein vergessen hat. Die Autorin hat sich dazu entschieden, alle Künstlertraktate und Quellen im lateinischen Original zu zitieren, obwohl in den meisten Fällen deutsche Editionen vorhanden sind. Knappe Exkurse über kuriose Nachtgebräuche und Nachtgestalten sind leserfreundlicher. Für das Jagdvergnügen im Mondschein hatten sich die Aristokraten im siebzehnten Jahrhundert etwas Besonderes ausgedacht. Ein leuchtender Laternenschild sollte den Jäger durch die Nacht begleiten. Nur war die Öllampe im hohlen Korpus des Schildes so ungünstig installiert, dass der Jäger sich verbrühte, noch bevor das erste wilde Tier ins Visier genommen wurde.
Einen vorläufigen Höhepunkt hat das Nachtstück im Barock erreicht. Nicht nur religiöse Sujets wurden von Caravaggio, El Greco und Rembrandt im Sinne der katholischen Gegenreformation vor einem dramatisch dunklen Hintergrund dargestellt. Alles, das Liebesleben der Götter, Feuersbrünste, Seeschlachten, selbst Stillleben wurden in eine finsteren Atmosphäre verlegt. Gerhard von Honthorst dachte sich sogar ein neues Genre aus: Die Flohjagd bei Kerzenschein - ein banales, anzügliches Thema, das nur dazu diente, einen Frauenakt in einer möglichst intimen Körperhaltung zu porträtieren.
Die Beschäftigung mit der Nacht sei „wissenschaftsfeindlich”, behauptet Brigitte Borchardt-Birbaumer im ersten Satz ihres Vorwortes, weil sie davon ausgeht, dass „seit der Antike die Umnachtung als Verdüsterung des Geistes und damit als Vorstufe zum Wahnsinn gilt.” Diesem Vorurteil versucht die Autorin auf achthundert Seiten mit ambitionierten wissenschaftlichen Formulierungen und seitenlangen Forschungsdiskussionen entgegen zu wirken. Dabei hätte das Gesamtkonzept „Imago Noctis” auch funktioniert, wenn nicht jedes kunsthistorische Randproblem pflichtschuldig von allen Seiten beleuchtet worden wäre. Für den geplanten zweiten Band, der die Nacht von Goya bis heute behandeln wird, wäre weniger Licht wünschenswert.
CLAUDIA LANFRANCONI
BRIGITTE BORCHARDT-BIRBAUMER: Imago Noctis. Die Nacht in der Kunst der Abendlandes. Vom Alten Orient bis ins Zeitalter des Barock. Böhlau Verlag, Köln 2003. 812 Seiten, 85 Euro.
Gerrit van Honthorst: Flohjagd im Kerzenschein, 1620-28.
Foto: Kunstmuseum Basel /Böhlau Verlag
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

So eine umfassende Geschichte der "Nacht in der Kunst des Abendlandes" hat es bisher nicht gegeben, freut sich Claudia Lanfranconi und zählt verschiedene Einzeluntersuchungen auf, die entweder methodisch überholt (wie Wolfgang Schönes "Das Licht in der Malerei") oder auf einzelne Epochen konzentriert seien (so Stoichitas Renaissance-Darstellung der "Geschichte des Schattens"). Auch wenn die Verfasserin chronologisch und enzyklopädisch vorgehe, so Lanfranconi begeistert, führe Brigitte Borchardt-Birbaumers Ansatz weit über eine Anthologie von Nachtbildern hinaus. Mit den Bildern nämlich ließen sich kosmologische Vorstellungen, astrologische Entdeckungen und ästhetische Moden über einen Zeitraum von fünftausend Jahren erzählen, schwärmt die Rezensentin. Ihrer Begeisterung gebietet allerdings der etwas umständliche wissenschaftliche Duktus des Buches Einhalt, das sein Thema zwar im Vorwort als "wissenschaftsfeindlich" bezeichnet, deshalb jedoch durchgängig in Verteidigungshaltung verharrt: lateinische Originalzitate und umständliches Referieren der Forschungsdiskussionen sind aus Lanfranconis Sicht durchaus verzichtbar, die sich den zweiten Band (von Goya bis heute) mit "weniger Licht" wünscht.

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