Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 14,69 €
  • Broschiertes Buch

Das Buch gibt einen komprimierten Überblick über die (abendländische) pädagogische Ideengeschichte - angefangen bei der altägyptischen Hochkultur, der griechischen und römischen Antike über das christliche Mittelalter, die Reformation und den Humanismus bis in die Moderne, die mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert zu sich kommt. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf den einflussreichen Ideen - also auf jenen, die eine langanhaltende kommunikative Resonanz gefunden haben. Ausführlich und verständlich werden die dominanten Ideen und die exemplarischen Topoi behandelt, die bis heute die Basis…mehr

Produktbeschreibung
Das Buch gibt einen komprimierten Überblick über die (abendländische) pädagogische Ideengeschichte - angefangen bei der altägyptischen Hochkultur, der griechischen und römischen Antike über das christliche Mittelalter, die Reformation und den Humanismus bis in die Moderne, die mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert zu sich kommt. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf den einflussreichen Ideen - also auf jenen, die eine langanhaltende kommunikative Resonanz gefunden haben. Ausführlich und verständlich werden die dominanten Ideen und die exemplarischen Topoi behandelt, die bis heute die Basis des pädagogischen Selbstverständnisses bilden, wobei vor allem die geschichtlichen Übergänge und Wendepunkte der (Ideen-)Geschichte herausgearbeitet werden. So wird deutlich, wie und vor welchem geschichtlichen Hintergrund neues pädagogisches Denken und Handeln bahnbrechend wurde.
Autorenporträt
Prof. Dr. Alfred Treml lehrt Allgemeine Pädagogik an der Universität der Bundeswehr Hamburg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.07.2006

Seit Rousseau ist hitzefrei
Da ist evolutionäre Logik am Werk: Alfred K. Tremls „Pädagogische Ideengeschichte”
„Eine Einführung in die Zusammenhänge abendländischer Geistesgeschichte zu geben, insofern sie für pädagogisches Denken bedeutsam geworden sind”, das war die Absicht der Vorlesung an der Universität der Bundeswehr, die Alfred Treml jetzt als „Pädagogische Ideengeschichte” seinen Lesern anbietet. Entstanden ist ein Buch, das zwar mit den zitierten Autoren und Themen, auch in der Zuschreibung von Klassizität, das vertraute Bild vieler „Geschichten der Pädagogik” bietet, gleichzeitig aber in der Periodisierung und in der Argumentation ungewohnt ist.
Treml beginnt, schon das ist nicht alltäglich, seine Geschichte im alten Ägypten, bevor er mit der griechischen Antike auf den vertrauten Pfad einschwenkt; aber er lässt sein Buch schon Ende des 18. Jahrhunderts enden, zu einem Zeitpunkt, bei dem die meisten Darstellungen erst richtig beginnen; sein Ausblick auf das 19. und 20. Jahrhundert hat nicht einmal zehn Seiten. Begründet wird dies mit der Denkform, die das ganze Werk durchzieht, also evolutionstheoretisch, und mit der These, dass die wesentlichen abendländischen Ideen, sowieso kaum mehr als „Fußnoten” zur Antike, mit und seit Kant und Rousseau bereits vorliegen und danach kaum mehr als Variation des Bekannten zeigen, oder dass man noch nicht sagen könne, was denn von dem „anarchischen” Gerede des 19. und 20. Jahrhunderts über Erziehung wirklich zu „einflussreicher Semantik” werde.
Treml argumentiert nicht nur hier evolutionstheoretisch (und mit Niklas Luhmann als Hauptgewährsmann), er konstruiert seine gesamte Geschichte mit den Fragen und Begriffen dieser Theorien: Der Blick auf Ägypten ist dann wichtig, weil hier im Kontext der Erfindung der Schrift auch „Schule” erstmals „ausdifferenziert” wird, gemeinsam mit den Ideen der „Erziehungsbedürftigkeit” des Menschen, der Varianz pädagogischer „Methoden”, hier noch: der Strafen, und dem Rekurs auf „Natur”, von der Erziehung „ermöglicht und begrenzt” werde.
Nachdem Treml die Ausdifferenzierung von Erziehung konstatiert hat, wird die weitere Geschichte als die der Konstruktion von Unterscheidungen geschrieben und als Sequenz binärer Codes. Mit ihnen werden Gott und Mensch, die Welt wie die Erziehung aufgefasst und zugleich, eine Lieblingsthese der Systemtheorie, die kausal-technologischen Defizite der Erziehung operativ kompensiert, also das Problem bearbeitet, dass Erziehung an sich „unmöglich”, gelingende Erziehung jedenfalls „unwahrscheinlich” ist. Diese Codes sind von erhabener Allgemeinheit, zum Beispiel in der platonischen Unterscheidung von Sein und Seiendem, und noch weit entfernt von Ideen, die genuin für Erziehung erfunden werden. Deren allmähliche Erfindung zeigt der Autor dann, gestützt auf die bekannten Texte von Augustinus oder Erasmus, von Comenius oder Leibniz, auch in der Exegese von Bildungsromanen, um die Konstruktion von Individualität durch Bildung zu zeigen und die Funktion von Kindheit als Medium und Wert der Erziehung in der Moderne.
Im Pool für Innovation
Die Dynamik des Prozesses liest Treml als Abfolge von drei Stadien der „Aufklärung”: in der griechischen Philosophie und in der Konstruktion von „Bildung”, wie im Höhlengleichnis in Platons „Staat”; in der „zweiten Aufklärung” im Humanismus, die das christliche Mittelalter als Zeit des „Niedergangs der abendländischen Kultur in Europa” ablöst und das Subjektdenken einführt; sowie in der „dritten Aufklärung” im 18. Jahrhundert, die er als „Zusichkommen der Moderne” charakterisiert. Das ist selbstverständlich nicht als lineare Fortschrittsgeschichte geschrieben, das Neue entsteht vielmehr immer neu aus dem Alten, durch geringe Variation, bleibt ambivalent, wie Luthers „halbe Befreiung” des Menschen, oder paradox und ungelöstes Problem, wie die Spannung von „Freiheit” und „Notwendigkeit” oder von „Natur” und „Kultur” in der Pädagogik seit Rousseau und Kant, wirft also für die Argumentation immer die Frage auf, wie weitere Evolution anschließen kann.
Man kann die Ideengeschichte als die allmähliche Entstehung eines „Pools für (semantische) Innovation” lesen, man kann auch Ideen als „Meme” betrachten, die als „Selektionseinheiten der Kommunikation” fungieren - von all dem Aufwand der Einleitung bleibt indes in den Folgekapiteln jenseits einer Rhetorik der Differenz und Funktion nicht viel; auch bei Treml überleben die Ideen, die in den einschlägigen Texten schon immer überleben. Und es bleiben bei diesem Zugriff Fragen und Lücken: Namen wird man vermissen, weil sie zentrale Ideen verkörpern, etwa John Locke oder Condillac, die „Erfahrung” und „Prägung” für Erziehung prominent machten, die Theoretiker des 19. und 20. Jahrhunderts fehlen, die der Idee des platonischen Erziehungsstaates in der Konstruktion pädagogischer Welten neue Gestalt gaben. Systematisch muss man fragen, ob nicht veränderte theoretische oder politische Kontexte auch Ideen in ihrem Gehalt verändert haben, sodass beispielsweise „Entwicklung”, interpretiert man sie biologistisch, am Ende des 19. Jahrhunderts eine neue Idee darstellt, genauso wie „Weltverbesserung”. Sie mag Konstante aller Pädagogik sein, bedeutet bei Comenius pansophisch aber etwas anderes als bei den pädagogischen Sozialisten (die nicht vorkommen); auch „Schule” wird man unter Bedingungen von Staatlichkeit und Obligatorik kaum mehr hinreichend altägyptisch auffassen können. Warum schließlich weder „Bildung” noch „Bildsamkeit”, „Grundbegriff der Pädagogik” seit Herbart, weder „Methode”, oder „Reform” oder „Gemeinschaft” noch die pädagogische „Kritik” der Pädagogik, also „Antipädagogik”, in ihren folgenreichen Texten vorgestellt werden, das erschließt sich nicht. Man darf wohl doch nicht mit Kant und Rousseau enden, wenn man die aktuell bedeutsame Semantik verstehen will.
Treml gibt in dieser Selektivität sogar auf die für ihn selbst entscheidenden Fragen der Pädagogik der Moderne - „Wie ist Erziehung möglich?” oder (aber doch unterscheidbar) „Wie ist Bildung möglich?” - keine Antwort, in der die Handlungsbedeutsamkeit der pädagogischen Ideen wenigstens diskutiert werden könnte. Wirkung von Ideen zu messen ist wirklich nicht einfach, aber wer so viel von „Einfluss” redet und von „folgenreicher Semantik”, wer sogar - in akteurzentrierter Sprache - immer wieder „eine evolutionäre Logik am Werke” sieht, der kann weder den Kontext noch die Rezeption so eindeutig ignorieren, wie das hier geschieht - schon bei Platon kann man ja auch Popper lesen und nicht nur die Freunde der Erziehungsdiktaturen. Treml bevorzugt, wie Luhmann, die „Flugzeugmethode”, betrachtet also die Welt ziemlich von oben; er ist zufrieden, wenn er auf die Frage „was bleibt” auf das „Denken in Differenzen” statt in Einheitsformeln verweisen kann oder auf die Tatsache, dass die Menge der binären Codes anwächst, mit denen Pädagogen argumentieren. Die historiografische Arbeit an der Ideengeschichte, das zeigt sich schließlich an diesem Buch erneut, beginnt offenbar erst, wenn die evolutionstheoretische Argumentation endet.
HEINZ-ELMAR TENORTH
ALFRED K. TREML: Pädagogische Ideengeschichte. Ein Überblick. Kohlhammer, Stuttgart 2005. 326 Seiten, 21 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Verhalten äußert sich Rezensent Heinz-Elmar Tenorth über Alfred K. Tremls "Pädagogische Ideengeschichte". Hinsichtlich der zitierten Autoren und behandelten Themen hält er die Darstellung für recht konventionell, im Blick auf den evolutionstheoretischen Ansatz und die systemtheoretische Argumentation für eher ungewöhnlich. Dem Autor geht es seines Erachtens darum, die Geschichte der pädagogischen Ideen als eine Geschichte der Konstruktion von Unterscheidungen und als Sequenz binärer Codes zu schreiben. Der theoretische Aufwand, den Treml dafür zumindest in der Einleitung betreibt, rechtfertigt für Tenorth den Nutzen nicht wirklich - zumal davon in den Folgekapiteln nicht viel bleibt, abgesehen von einer "Rhetorik der Differenz und der Funktion". Die Ergebnisse der Darstellung unterscheiden sich seines Erachtens nicht wesentlich von denen herkömmlicher Pädagogikhistorien: die klassischen Texte und Ideen machen auch bei Treml das Rennen.

© Perlentaucher Medien GmbH