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Der Sammelband präsentiert die Ergebnisse einer mehrjährigen Forschungsarbeit einer juristisch-theologischen Arbeitsgruppe an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST, Heidelberg) zur Frage eines Islamischen Religionsunterrichts. Der Einführung Islamischen Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach im Sinne des Grundgesetzes stehen ernsthafte tatsächliche und rechtliche Hindernisse entgegen. Sie ergeben sich sowohl aus der traditionell wenig entwickelten Organisationsstruktur des Islam als auch aus seiner politischen und religiösen, vom Sufismus bis zum…mehr

Produktbeschreibung
Der Sammelband präsentiert die Ergebnisse einer mehrjährigen Forschungsarbeit einer juristisch-theologischen Arbeitsgruppe an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST, Heidelberg) zur Frage eines Islamischen Religionsunterrichts. Der Einführung Islamischen Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach im Sinne des Grundgesetzes stehen ernsthafte tatsächliche und rechtliche Hindernisse entgegen. Sie ergeben sich sowohl aus der traditionell wenig entwickelten Organisationsstruktur des Islam als auch aus seiner politischen und religiösen, vom Sufismus bis zum terroristischen Extremismus reichenden Vielfalt. Unterschiedliche Bewertungen dieser religiösen und politischen Strukturen, aber auch wesentlich voneinander differierende rechtspolitische Strategien der Bundesländer im Bereich des Religionsunterrichts führen zu divergenten Rechtsauffassungen. Vor dem Hintergrund einer Darstellung dieser auch islamwissenschaftlichen und religionssoziologischen Grundfragen werden im ersten Teil zwei einander kontrovers gegenüberstehende rechtswissenschaftliche Thesenreihen entwickelt. Während die erste für eine skeptisch-kritische Auffassung eintritt, plädiert die zweite trotz des Fehlens eines organisierten islamischen Ansprechpartners für vorsichtige Reformschritte in Richtung auf einen Islamischen Religionsunterricht. Die im zweiten Teil enthaltenen Länderberichte legen die unterschiedlichen Ausgangspunkte, Ziele und vorläufigen Ergebnisse der jeweils landesspezifischen Schulrechtspolitik dar. Islamkunde (ohne Elemente des religionsspezifischen Bekennens) oder Islamischer Religionsunterricht, zwischen diesen beiden Polen entwickeln die meisten Bundesländer eigene Modelle. Den Abschluss des Bandes bildet eine von der Forschungsgruppe erarbeitete und verabschiedete rechtspolitische Erklärung zu den mit der Einführung Islamischen Religionsunterrichts verbundenen Schwierigkeiten.
Autorenporträt
ist Professor an der Juristischen Fakultät der Justus,Liebig,Universität Gießen, Richter am Landgericht Frankfurt am Main a.D.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.06.2007

Die Falle der Bekenntnisformel

Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes bestimmt: "Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt." Nicht anzuwenden ist diese Norm gemäß der heute auch von Berlin und Brandenburg in Anspruch genommenen "Bremer Klausel" des Artikels 141 in Ländern, in denen 1949 eine andere Regelung bestand. In allen Ländern, in denen es Religion als Pflichtfach gibt und der Anteil von Einwandererkindern an der Schülerzahl ins Gewicht fällt, ist es erklärtes Ziel der Schulpolitik, staatlichen Religionsunterricht auch für Muslime einzuführen. Nirgendwo ist das Ziel verwirklicht; alle Anträge islamischer Verbände sind von Ministerien und Gerichten verworfen worden.

Nur in Berlin obsiegte die Islamische Föderation e.V. - und zwar genau deshalb, weil das Land Religionsunterricht nicht durch staatliche Lehrer erteilen lässt, sondern lediglich die Infrastruktur für freiwilligen Unterricht bereitstellt, so dass die Föderation nicht nachweisen musste, dass es sich bei ihr um eine Religionsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes handelt. In der säkularen Öffentlichkeit stehen die muslimischen Verbände im Verdacht des Dogmatismus. Mit ihren Ansprüchen auf Rechte aus Artikel 7 sind sie aus genau dem entgegengesetzten Grund gescheitert: weil sie, gemessen an den hergebrachten Kategorien des deutschen Staatskirchenrechts, nicht dogmatisch genug sind.

Nach wie vor verwenden Rechtswissenschaft und Gerichte Formeln des Weimarer Staatsrechtslehrers Gerhard Anschütz; erst 2005 nahm das Bundesverwaltungsgericht von einer Buchstabentreue Abschied, wie man sie in Koranschulen erwartet. Nach Anschütz wird Religionsunterricht "in konfessioneller Positivität und Gebundenheit" erteilt, ist die Religionsgemeinschaft ein Verband natürlicher Personen, die sich zu allseitiger Erfüllung der vom gemeinsamen Bekenntnis gestellten Aufgaben zusammengeschlossen haben. An dieser Allseitigkeit, also an der religiösen Durchgestaltung der gesamten Lebensführung, lassen es die als Interessenvertretungen oder sogar ausdrücklich zum Zweck des Religionsunterrichts gegründeten islamischen Verbände fehlen.

Bei der Neuordnung der sogenannten gemischten Sachen, die Staat und Kirche gemeinsam betreffen, wurde nach der Abschaffung der Staatskirchen 1919 das Faktum der Konfessionalisierung vorausgesetzt, das Nebeneinander geschlossener konfessioneller Lebenswelten als Grundtatsache der deutschen Sozialgeschichte. Die Begrifflichkeit von 1919 versetzt den Staat heute in die Verlegenheit, dass er gehalten ist, normativ eine Versäulung der Bekenntniskulturen vorauszusetzen, der er politisch, was den Islam betrifft, gerade entgegenwirken möchte. Einen Ausweg aus diesem Dilemma suchte die Arbeitsgruppe "Kirchenrecht und Staatskirchenrecht" der Heidelberger Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft, deren Beratungen ein von Wolfgang Bock herausgegebener Band ("Islamischer Religionsunterricht?" Religion und Aufklärung, Band 13. Mohr Siebeck, Tübingen 2006. 252 S., br., 39,- [Euro]) dokumentiert.

Der Herausgeber, Richter am Landgericht und Privatdozent in Gießen, macht am Berliner Beispiel plausibel, dass die Erhöhung der formalen Anforderungen an die muslimischen Veranstalter beziehungsweise Gewährsleute des Religionsunterrichts integrationspolitisch kontraproduktiv sein kann. Nach der Niederlage im Rechtsstreit mit der Islamischen Föderation wurde in Berlin 2004 ein neues Schulgesetz verabschiedet, das erstmals Zulassungsbedingungen für die Träger des Religionsunterrichts festlegt. In der Gesetzesbegründung ist von der "erforderlichen Homogenität" die Rede, die als "religiöser Konsens" bestimmt wird.

Hinter der Föderation steht die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs, also die Vereinigung, die, wie Herbert L. Müller vom baden-württembergischen Verfassungsschutz in seinem Aufsatz über "Islamistische ,Gegenwelten'" darlegt, Zweifel an der Integrierbarkeit des Islams nährt, indem sie die Homogenität des gottgefälligen Gemeinschaftslebens propagiert. Zum Konsenspostulat des Berliner Gesetzgebers gibt Bock zu bedenken, "gerade unterschiedliche Verständnisse eines gleichwohl gemeinsamen Bekenntnisses" seien "ein Lebensnerv der Fortentwicklung theologischer Reflexion und Dogmatik".

In einer 2002 verabschiedeten "Empfehlung zum islamischen Religionsunterricht" forderte die Arbeitsgruppe, der Begriff der Religionsgemeinschaft solle "organisationsoffen und in einer das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften berücksichtigenden Weise konkretisiert werden". In diesem Sinne entschied das Bundesverwaltungsgericht 2005, dass auch ein Dachverband den Anforderungen des Artikels 7 genügen kann. Dass der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt wird, ist eine Bestimmung über die Ausgestaltung des Unterrichts. Sinngemäß ist sie aber auch bei der Einrichtung des Unterrichts anzuwenden. Da der säkulare Staat Glaubensinhalte nicht definieren kann, braucht er ein Gegenüber, das die Übereinstimmung von Glaubens- und Unterrichtsinhalten verbindlich bestätigt. Die Anstalt der kirchenrechtlichen Tradition ist nicht die einzige Gestalt einer solchen Autorität. Wenn der Islam ein Lehramt römischen Stils nicht kennt, muss jeder Islamunterricht mit diesem Grundsatz übereinstimmen.

PATRICK BAHNERS

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Patrick Bahners begrüßt diesen von Wolfgang Bock herausgegebenen Band, der die Beratungen der Arbeitsgruppe "Kirchenrecht und Staatskirchenrecht" der Heidelberger Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft über islamischen Religionsunterricht an Deutschen Schulen dokumentiert. Ausführlich geht er auf die komplizierte rechtliche und normative Lage zu dieser Frage ein und bescheinigt den Beiträgen des Bands, an einem Ausweg aus diesen Dilemmata zu arbeiten. Er hebt besonders den Aufsatz von Wolfgang Bock hervor, der für ihn die integrationspolitische Fragwürdigkeit einer Verschärfung der formalen Anforderungen an die muslimischen Veranstalter beziehungsweise Gewährsleute des Religionsunterrichts überzeugend aufzeigt.

© Perlentaucher Medien GmbH