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Viele verschiedene Frauen, viele unterschiedliche Kleidungsstücke und Accessoires, 26 kurze Erzählungen: Die Kleider der Frauen ist der neue Erzählungszyklus von Brigitte Kronauer. War in den Tricks der Diva die Natur die heimliche Heldin aller Geschichten, so ist es nun das Ich einer fiktiven Autobiographie, das allerdings gelegentlich aus dem selbstgezimmerten Rahmen rutscht.

Produktbeschreibung
Viele verschiedene Frauen, viele unterschiedliche Kleidungsstücke und Accessoires, 26 kurze Erzählungen: Die Kleider der Frauen ist der neue Erzählungszyklus von Brigitte Kronauer. War in den Tricks der Diva die Natur die heimliche Heldin aller Geschichten, so ist es nun das Ich einer fiktiven Autobiographie, das allerdings gelegentlich aus dem selbstgezimmerten Rahmen rutscht.
Autorenporträt
Brigitte Kronauer, 1940 in Essen geboren, lebt als freie Schriftstellerin in Hamburg. Ihr schriftstellerisches Werk wurde unter anderem mit dem Theodor-Fontane-Preis der Stadt Berlin, mit dem Heinrich-Böll-Preis, dem Hubert-Fichte-Preis der Stadt Hamburg und dem Joseph-Breitbach-Preis ausgezeichnet. 2005 wurde ihr der Georg-Büchner-Preis der Darmstädter Akademie, 2011 der Jean-Paul-Preis und im Jahr 2013 der Samuel-Bogumil-Linde-Preis verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.06.2008

Schleiertanz zwischen Teekannen und Sofakissen

Anziehend, nicht anzüglich: Brigitte Kronauers Erzählungen "Die Kleider der Frauen" voller stilsicherer, geradezu liebenswürdiger Bosheiten spüren in ihrem Kern dem erotischen Zittern nach.

Von Ernst Osterkamp

Freunde von Mottostudien werden an Brigitte Kronauers neuem Buch mit Geschichten besondere Freude haben, denn es hat gleich zwei Motti. Das eine entstammt einem Comic-Klassiker, Winsor McCays herrlichem "Little Nemo in Slumberland": "Oh, wie komisch. Ich komme mir so schön klein vor!" Das andere ist der "Winterreise" entnommen: "Da glaubt' ich schon ein Greis zu sein / Und hab' mich sehr gefreuet." Von der Wiege also bis zur Bahre, dies alles im irritierend-irisierenden Lichte eines schrägen Als-ob, das für Komik sorgt und Freude bereitet. Der Leser, der auf diese Motti achtet, darf sich gut eingeführt sehen in diese Sammlung von sechsundzwanzig Geschichten, die einen weiten lebensgeschichtlichen Bogen spannen von dunklen Kindheitserinnerungen bis zu einer Zeit, in der die Erzählerin "schon über neunzig" ist, um danach in die Welt der Dinge überzugehen, also zum Beispiel eine Teekanne zu werden oder auch ein Sofakissen. Das können die Menschen bekanntlich im Leben nicht, sondern nur im Märchen oder im Comic. Oder in Brigitte Kronauers Geschichten.

In einer kurzen Nachbemerkung deutet die Autorin an, wie sie ihre neuen Geschichten gelesen sehen möchte: "Mir würde gefallen, wenn man die Sammlung als sehr lückenhafte Biographie in autobiographischer Form über eine gewisse unzuverlässige Rita lesen würde." Das ist ein Satz, über den man lange nachdenken kann, zumal er zu einer autobiographischen Lektüre der Texte mit Blick auf die Verfasserin verführen könnte. Und auch über die Frage, wie zuverlässig die Biographie eines unzuverlässigen Ich eigentlich sein kann, könnte man nachdenken. Man kann sich solche Grübeleien sparen, weil Brigitte Kronauer im Nachwort alle "schnellen Rückschlüsse" von Lesern auf Autobiographisches im Text souverän mit dem Argument abwehrt, dass autobiographische Fakten von der "Kunst-Maschine" des Textes so transformiert werden, dass sie zwar ihr Aussehen beibehalten mögen, sonst aber alles wechseln: "Gewicht, Proportion, Energie, Materialstruktur." Die angebliche Unzuverlässigkeit Ritas aber ist allenfalls ein Effekt des erzählerischen Verfahrens, das ihr rasche Umschwünge, Perspektivwechsel und Sprünge zwischen der Innen- und Außenwelt erlaubt. Sonst wird diese Rita dem Leser sehr zuverlässig vorkommen, denn sie ist wie ihre Ahnfrau, Rita Münster in Brigitte Kronauers 1983 erschienenem gleichnamigen Roman, eine Beobachtungsvirtuosin und Wahrnehmungsemphatikerin, die aus trennscharf erfassten Szenen, Interieurs, Gesten und Details ein ganzes Leben mit seinen Höhepunkten und Katastrophen zu erschließen vermag. Zum Beispiel aus den Kleidern der Frauen.

"Immer trug sie, die äußerst schlanke Person, was besonders an ihren wendigen Hüften auffiel und wohl den Neid der Tanten erregte, ein schwarzes Kostüm, ein Hütchen aus Filz und Federn und eine Perlenkette im tiefen Ausschnitt." So steigt eine Frau John in der ersten Geschichte aus der dunklen Kindheitserinnerung der "unzuverlässigen" Rita empor. Aber was kann dunkel sein an einer Kindheitserinnerung, die von einem so lichten Satz wie diesem eröffnet wird: "Dunkel erinnere ich mich an eine gewisse Frau John, dunkel, wie sie es selbst ja auch war"? Hier sorgt schon die Bedeutungsverschiebung in dem Wort dunkel dafür, dass der Leser am Ende des Satzes sehr viel über diese Frau John zu wissen glaubt. Brigitte Kronauers Kunst besteht in dieser Geschichte darin, dass sie das Kind die genau registrierten Körperzeichen, Gesten, Kleidungsstücke als eine Zeichensprache wahrnehmen lässt, die es zwar nicht lesen kann, von der es aber weiß, dass sie die Erwachsenen, zum Beispiel die Mutter und die Tanten, zu denen Frau John wie ein exotischer Vogel einflattert, genau zu verstehen glauben. Die Deutungsarbeit gegenüber der Frau-Johnschen Körpersemantik - "wendige Hüften", "tiefer Ausschnitt" - übernimmt dann der Leser, der nach nur wenigen Seiten ein ganzes Frauenleben vor Augen zu haben meint. Und doch ist am Ende der Geschichte alles ganz anders, weil plötzlich im System der Zeichen ein katastrophaler Wandel eintritt: Statt der gewohnten Stöckelschuhe trägt Frau John unvermutet - Zeichen eines irreparablen Absturzes - "solche Schubkarren!" Das ist die Art, wie Brigitte Kronauer in Prosaminiaturen tiefenscharfe Lebensporträts entwirft, deren Zauber darin besteht, dass sie das Geheimnis und damit auch die Würde der dargestellten Figuren in ihrer verzickten, verschrobenen und verstörten Alltäglichkeit bewahren. Hier gibt es, mit einem Wort, eine Galerie von Kabinettstücken zu bewundern.

Im Falle Ritas ist ihre "Neigung zur stets geistreichen Boshaftigkeit", wie wir aus einer Geschichte erfahren, ein mütterliches Erbteil. Sie lässt sie noch im selben Text auf herrlichste, weil sprachlich präziseste Weise zur Geltung kommen, wenn sie den Abschied zweier Frauen nach ihren Dehnübungen am See beobachtet: "während sie jeweils in ihr Auto einstiegen, brachen sie in den mir verhaßten, hoch angesetzten, im Norden weit verbreiteten einsilbigen, jedoch vor lauter Herzlichkeit auf zwei Silben gestreckten Schrei aus. Der Umlaut wird dabei zerschlagen von einem eingefügten ,h' oder, wenn man es lieber möchte: Er nimmt das ,h' sandwichartig in die Klemme, aber richtig macht man es nur, und keine einzige Frau macht das hier falsch, wenn man das ,h' als Schubkraft für den Ausstoß der zweiten, langgezogenen Silbe benutzt." So ist das eben bei Kabinettstücken: Man möchte jeden denkbaren Betrachter darauf aufmerksam machen, wie fein dies alles gemacht ist, und so würde man denn auch liebend gern vieles aus diesem Buch zitieren, dessen Texte gewissermaßen mit solch altmeisterlicher Detailgenauigkeit und Virtuosenironie geschrieben sind, wie die niederländischen Feinmaler des 17. Jahrhunderts ihre Bilder gemalt haben. Es hat schon seinen guten Sinn, dass Brigitte Kronauer diese Geschichten gleich in Reclams Universal-Bibliothek veröffentlicht hat.

Das Leitthema, das durch all diese kostbar komponierten Miniaturen vibriert, ist dasjenige, das Rita, als sie schon über neunzig ist, "das erotische Zittern" nennt und wovon sie zu Recht behauptet, dass es sich keineswegs mit dem Alter verflüchtigt. Es wird viel geliebt in diesem Buch, weniger freilich auf männlich handgreifliche Weise als in Form weiblicher Sehnsüchte und Wünsche, Träume und Enttäuschungen, achselzuckender Rückblicke und entspannter Desillusioniertheit. Das alles tut zwar, wie man aus vielen Geschichten erfahren kann, oft sehr weh, aber andererseits stirbt man auch nicht daran, wie uns das ganze Buch mit traurig-trotziger Heiterkeit vor Augen führt. Es ist eben sehr viel besser, unglücklich zu lieben, als gar nicht zu lieben. Für Rita jedenfalls steht fest, dass sie "ohne das gewisse Zentrum, die Liebeskernfrage", noch nie etwas taugte. So schult sie sich denn schon in sehr jungen Jahren als aufmerksame Zuhörerin beim Bügeln verkündeter mütterlicher Lebenserfahrungen, ohne damit doch um einen Deut besser gerüstet zu sein für die Turbulenzen des Daseins, als sie sie selbst ereilen. Da steht sie dann mit ihren großartigen und wunderbaren Erwartungen an die Liebe und muss sich doch sagen: "Alles Leibhaftige versagte vor der Maßlosigkeit meiner Gefühlsfluten . . . Zur Liebe gehörte offensichtlich, daß man sich zufriedengab. Überall drückten sich ja die zurechtgemachten Bräute mit ihren netten Freunden herum. Sie alle wußten sich zu bescheiden."

Und so durchzittert denn ein erotisches Grundbeben dieses Büchlein, wobei Rita, in viele Geschichten verstrickt, reiche Erfahrungen über die Liebe erwirbt, darunter auch die ernsteste: "Ich weiß auch zu gut, wie dann, wenn man die Schutzkraft einer Liebe verloren hat, die lange außer acht gelassene Angst vor der Welt oder dem Tod von allen Seiten eindringen kann." Deshalb erspart sie uns auch den traurig-komischen Anblick der Veteranen und Invaliden der Liebe nicht: "Doris, verlassen von ihren stets siegreichen Reizen, als alte Frau auf dem Liebesschlachtfeld schwer angeschlagen herumirrend, nicht mehr irritierend schräge, vielmehr bedauernswert schief." Brigitte Kronauer hat ein liebes- und lebenskluges kleines Buch geschrieben. Man legt es, altmodisch gesprochen, mit Entzücken aus der Hand, weil es so entzückend boshaft und zugleich so liebenswürdig elegant ist.

- Brigitte Kronauer: "Die Kleider der Frauen". Geschichten. Philipp Reclam Verlag, Ditzingen 2008. 176 S., br., 4,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.03.2008

Vom stummen Höhnen des Flieders
Keine ist so bescheiden, keine so stolz: Brigitte Kronauer erzählt das Leben einer Frau in Geschichten über Kleider Von Thomas Steinfeld
Als Rita zwanzig und Studentin war, arbeitete sie für einige Wochen im Mai in einem Elektrizitätswerk – ihr Vater hatte ihr die Stelle besorgt, über einen älteren Bekannten, bei dem und dessen Frau Rita in diesem Frühjahr auch wohnte, ein wenig die verstorbene Tochter ersetzend. Gemeinsam saß man dann abends im Schrebergarten, „der Flieder höhnte stumm durchs Laubenfensterchen”, man trank Bier und spielte Karten. Ein junger Mensch aus der Nachbarschaft stößt dazu, vierzehn Jahre alt, ein wenig schwarzen Flaum auf der Oberlippe. Er verliebt sich in Rita – so sehr, dass er sie an einem Regenabend mit einem Geschenk überrascht: „Schuhe aus goldenem Leder, bis auf die Sohle ganz ohne Mittelstück. Die Ferse war in hinreißender Übertreibung am imaginären Bein hochgezogen, das Leder so kostbar, daß es wie weicher Stoff behandelt werden konnte und die Kelchblätter einer langgestreckten Blüte nachahmte.”
Es ist ein monströses Geschenk, das Rita empfangen soll, eine Gabe des erotischen Überschwangs, des absurden Wagemuts und der tiefsten Hilflosigkeit. Und doch steckt eine Verlockung darin, die Rita wohl ahnt und die ihre Erzählerin gerade so weit andeutet, wie es der Anstand erlaubt: Sie war allein gewesen, sie hatte sich nach Liebe gesehnt, sie hatte bebend nach Männerschritten gelauscht. „Die Liebesvorschrift dieses Frühjahrs war erbarmungslos und voller Tadel für mich, denn in Wirklichkeit gab es niemanden, der meiner Angespanntheit standhielt. Es schien mein eigener Fehler zu sein, daß es so war. Alles Leibhaftige versagte vor der Maßlosigkeit meiner Gefühlsfluten.” In dieses Ungenügen geriet der Vierzehnjährige, in wehrloser Glut, und wenn seine wirre Hoffnung auch völlig abwegig ist, so erschreckt er Rita nicht nur, sondern berührt sie auch in ihrem eigenen Verlangen.
Eine Sammlung mit Erzählungen scheint Brigitte Kronauer in ihrem jüngsten Buch mit dem Titel „Die Kleider der Frauen” vorgelegt zu haben, aber das Bändchen enthält viel mehr: In diesen sechsundzwanzig Geschichten verbirgt sich eine weibliche Biographie, vielleicht auch Autobiographie, dargeboten im Spiegel von Kleidern, Kleidungsstücken und Accessoires, kleinen Hunden und schwarz-weißen Katzen. Sie beginnt mit dem Kind, das den spektakulären Auftritt einer Besucherin beobachtet, ihren Duft bemerkt, ihren rauchigen Atem riecht, auf die Farbe ihre Fingernägel achtet, auf den straffen Ton ihres Schuhwerks achtet: „Die Absatzplättchen wurden vom Boden angesogen, um sich dann um so stolzer abzustoßen und dabei zu entfernen.” Überwach ist diese Aufmerksamkeit, überaus vertraut mit den Eigenheiten und Wirkungen weiblicher Kleidungsstücke, getrieben von einem großen Bedürfnis, an ihnen eine Wahrheit über Frau John und die Gräfin, über Fräulein Welziehn und immer wieder über Rita zu erfahren. Und, ja, es gelingt, weit über das Erwartete und Erwartbare hinaus: in Bildern von Gebrechlichkeit und Größe, von denen jedes einzelne eine kluge, dezente Huldigung an das Leben ist, das in ihnen geführt wurde.
Zum zweiten Mal veröffentlicht Brigitte Kronauer eine Sammlung von Erzählungen in einem der einfachen gelben Bändchen, mit denen der Reclam Verlag die deutsche Schuljugend mit den Klassikern der Weltliteratur ausstattet – zum Preis von, ja, nennen wir ihn nur: vier Euro achtzig. So macht sich Brigitte Kronauer klein und groß zugleich: klein, indem sie sich duckt und die Unscheinbarkeit dieser billigen Hefte sucht, groß, weil sie mit ihrem Werk offenbar sein will wie das Wasser, das überall hinkommt und alles durchdringt. Es steckt Bescheidenheit und Stolz in dieser publizistischen Entscheidung – und beides, die Bescheidenheit und den Stolz, findet der Leser auch in Brigitte Kronauers Sätzen wieder – und einen leisen Spott, der nichts und niemanden ausnimmt.
Sie „schwamm ins Klassenzimmer”, berichtet die Erzählerin von einer Lateinlehrerin, einem unglücklichen, freundlichen Fräulein, „tauchte, ein wenig gurgelnd noch, aus den Wassermassen auf, wie auch jetzt, in diesem Augenblick wieder, bis der komplette Oberkörper sichtbar wurde.” Sieht man sie nicht vor sich, diese bedauernswerte Pädagogin mit ihren „veralgten Augen” in ihren ärmlichen Pullovern über dem reichlichen Fleisch darunter – und während man sie sieht, ist da nicht gleichzeitig Mitleid dieser Frau, wie sie die Erbarmungslosigkeit vierzehnjähriger Mädchen zu ertragen hat, ist da nicht Wehmut eingedenk von der späten Reue, mit der sich die Erzählerin über ihre Schulzeit beugt, und harte Einsicht, dass diese Lehrerin so war, unverbesserlich und für keine Wandlung zugänglich? Es ist ein Geheimnis in dieser Dichtung, eine große Diskretion gegenüber dem Kleinen und Einzelnen, das Brigitte Kronauer mit unendlicher Aufmerksamkeit behandelt, hinaushebt aus der Vergänglichkeit und auch in bescheidenen Verhältnissen souverän werden lässt.
Schon der Titel: „Die Kleider der Frauen” ist Programm. Der Leser weiß nicht, was ihn erwartet. Ein Essay? Ein Roman? Etwas Alltägliches, an dem die Autorin etwas Neues entdeckt hat? Eine Rest von Ungewissheit zeichnet jeder dieser Geschichten aus – denn eher, als dass die Erzählerin den Lauf ihres Lebens erzählte, gibt sie es anhand eines Reliefs wieder, anhand einer Mit-Realität, die den Vorteil hat, sehr plastisch zu sein und niemanden zu verraten. Eben das sind die „Kleider der Frauen”, Gegenstände und Zeichen einer fortlaufenden, immer wieder neu ansetzenden Welterfahrung, die gesellschaftlich fest und tief verankert ist, weil Frauen oft ihre Kleider beseelen (während Männer in bürgerlichen Zeiten der Konvention genügen), weil Kleider in die Stimmung für den Tag eingehen, weil sie als Zwischenobjekte dienen zwischen der Frau und der Welt.
In den letzten beiden Geschichten ist die Erzählerin über neunzig Jahre alt. Genauigkeit und Klarheit haben sie nicht verlassen. Noch immer ist da ein Begehren, ein (erotisches) Sehnen. Doch wozu? „Jetzt, wo ich nicht mehr auf das Einbrechen einer großen Liebe wartete, wartete ich mit angehaltenem Atem, um weiter zu warten wie gewohnt, auf einen großen Schrecken.” Der Vogelgesang war der Erzählerin früher das Schönste gewesen. Doch die Vögel sind jetzt vor allem Krähen: „Nachts träumte ich von ihren Schwärmen, von ihrer abendlichen Rückkehr in den Krähenwald, dann auch tagsüber. Ich sagte mir: Bis zuletzt werde ich sie mit den Resten meines Essens füttern. Dann mit mir selbst.” Das ist scharf, kühl, bitter - und bescheiden und stolz zugleich.
Den kleinen Erzählungen, die zusammen einen großen, überraschenden Roman darstellen, hat Brigitte Kronauer ein kurzes Nachwort beigesellt. Darin legt sie Rechenschaft ab über das biographische – genauer: autobiographische – Schreiben. Sie respektiert, schreibt sie, das Bedürfnis des Lesers, den Autor als Gewährsmann für die Wahrhaftigkeit seiner Dichtung zu behandeln. Aber sie kennt noch zwei bessere Gründe für diese Art von Literatur: „Man möchte feststellen, ob der Erzähler bloß vom Leben abgeschrieben hat, also das Gefälle ermessen können, das zwischen tatsächlicher Sachlage und literarischem Ergebnis besteht, zur Abschätzung der Kunstanstrengung. Endlich, vielleicht als bestes Motiv, der Wunsch, Literatur möge auch dem Leben und nicht allein der Kunst entspringen.” Ja, und dann nimmt man sie mit aus der Kunst ins Leben, und sie erhellt den Tag.
Brigitte Kronauer
Die Kleider der Frauen
Geschichten. Verlag Philipp Reclam junior, Stuttgart 2008. 176 Seiten, 4,80 Euro.
„Nachts träumte ich von den Schwärmen der Krähen, und dann auch tagsüber.”
Frauen leben in ihren Kleidern, sie geben ihren Leben die Farben und die Stimmungen – sehr im Unterschied zum Mann, der mit der bürgerlichen Gesellschaft sein Prachtgefieder ablegte und seitdem in Uniformen haust. Frauen hingegen gibt es, die mit ihren Kleidern verschmelzen und sie beseelen, bis in die letzte Falte hinein: Französische Mode der dreißiger Jahre, Abendroben von Redfern. Foto: Roger Viollet
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Hier gibt es, mit einem Wort, eine Galerie von Kabinettstücken zu bewundern. -- Frankfurter Allgemeine Zeitung

Man möchte jeden denkbaren Betrachter darauf aufmerksam machen, wie fein dies alles gemacht ist, und so würde man denn auch liebend gern vieles aus dem Buch zitieren, dessen Texte gewissermaßen mit solch altmeisterlicher Detailgenauigkeit und Virtuosenironie geschrieben sind, wie die niederländischen Feinmaler des 17. Jahrhunderts ihre Bilder gemalt haben. -- Frankfurter Allgemeine Zeitung

Anziehend, nicht anzüglich: Brigitte Kronauers Erzählungen "Die Kleider der Frauen" voller stilsicherer, geradezu liebenswürdiger Bosheiten spüren in ihrem Kern dem erotischen Zittern nach. -- Frankfurter Allgemeine Zeitung

Brigitte Kronauer hat ein liebes- und lebenskluges kleines Buch geschrieben. Man legt es, altmodisch gesprochen, mit Entzücken aus der Hand, weil es so entzückend boshaft und zugleich so liebenswürdig elegant ist. -- Frankfurter Allgemeine Zeitung

Ein tolles Buch! -- Denis Scheck in Druckfrisch

Brigitte Kronauer ist eine so sensationell gute Autorin, die könnte buchstäblich die Vögel aus den Bäumen schreiben. -- Denis Scheck in Druckfrisch

Höchst lesenswert. Funkelnde Miniaturen sind es, mit leichter Hand geschrieben und doch von enormer Eindringlichkeit. Die Autorin wählt verschiedene quasi autobiographische Perspektiven; so lässt sie Frauen ihrer Kindheit - Verwandte, Nachbarinnen - am Küchentisch erzählen und beobachtet sie dabei: mit Lust am Detail, nicht ohne Bosheit, mit hellem Verstand und sinnlicher Lust an allem Konkreten. -- NZZ am Sonntag

Brigitte Kronauer macht sich klein und groß zugleich: klein, indem sie sich duckt und die Unscheinbarkeit der kleinen gelben Reclam-Bücher sucht, groß, weil sie mit ihrem Werk offenbar sein will wie das Wasser, das alles durchdringt. Es steckt Stolz und Bescheidenheit in dieser publizistischen Entscheidung - und beides, die Bescheidenheit und den Stolz, findet der Leser auch in Brigitte Kronauers Sätzen wieder - und einen leisen Spott, der nichts und niemanden ausnimmt. -- Thomas Steinfeld in Süddeutsche Zeitung

Eine Sammlung von Erzählungen scheint Brigitte Kronauer in ihrem jüngsten Buch mit dem Titel 'Die Kleider der Frauen' vorgelegt zu haben, aber das Bändchen enthält viel mehr: In diesen sechsundzwanzig Geschichten verbirgt sich eine weibliche Biographie, vielleicht auch Autobiographie, dargeboten im Spiegel von Kleidern, Kleidungsstücken und Accessoires, kleinen Hunden und schwarz-weißen Katzen. -- Thomas Steinfeld in Süddeutsche Zeitung

Den kleinen Erzählungen, die zusammen einen großen, überraschenden Roman darstellen, hat Brigitte Kronauer ein kurzes Nachwort beigestellt. Sie respektiert, schreibt sie, das Bedürfnis des Lesers, den Autor als Gewährsmann für die Wahrhaftigkeit seiner Dichtung zu behandeln. Aber sie kennt noch zwei bessere Gründe für diese Literatur: Man möchte feststellen, ob der Erzähler bloß vom Leben abgeschrieben hat, also das Gefälle ermessen können, das zwischen tatsächlicher Sachlage und literarischem Ergebnis besteht, zur Abschätzung der Kunstanstrengung. Endlich, vielleicht als bestes Motiv, der Wunsch, Literatur möge aus dem Leben und nicht allein der Kunst entspringen. Ja, und dann nimmt man sie mit aus der Kunst ins Leben, und sie erhellt den Tag. -- Thomas Steinfeld in Süddeutsche Zeitung

Kein harmloses Buch, ein raffiniertes. -- Frankfurter Rundschau

Nicht ins kleine Schwarze, sondern ins kleine gelbe Gewand hat Brigitte Kronauer ihre Erzählungen über "Die Kleider der Frauen" gehüllt: Der Band, der 26 Geschichten zu einem biographischen Reigen zusammenführt und das "erotische Zittern" ebenso zum Leitthema erhebt wie die Semantik der Röcke, Blusen und Schuhe, ist nicht ohne Grund in Reclams-Universalbibliothek erschienen: Brigitte Kronauer schreibt intelligente Prosa für unsere Gegenwart. -- Hubert Spiegel im Börsenblatt

Präzise Miniaturen über ein spannungsreiches Verhältnis: Wie viel Ich steckt in meinen Kleidern? -- SWR-Bestenliste

In dem kleinen gelben Heft stecken große, schillernde Erzählungen. Unbedingt in den Koffer stecken! -- Hannoversche Allgemeine

"Die Kleider der Frauen" ist ein surrealistisches Meisterstück von höchstem Realismus. Aus der normalen Welt wird eine Kronauer-Welt, eine Zauberwelt, ganz aus Sprache, Sinnlichkeit und Erkenntnis. -- Stuttgarter Zeitung

Sätze voller Poesie und Distanz, spröde bis zum Klingeln und gefühlvoll bis zum Weinen, wagt nur Brigitte Kronauer. Und nur ihr gelingen sie. Sie ist ohne Zweifel die größte lebende deutsche Autorin. -- Stuttgarter Zeitung

Für die Liebhaberinnen von Brigitte Kronauers kunstreicher Prosa, denen gerade die Zeit fehlt für einen ausgedehnten Roman, gibt es jetzt wieder eine Sammlung von Geschichten für die Handtasche. Es sind Geschichten von Maskerade, vorgespielter Grösse und geheimen Wünschen, wie Brigitte Kronauer sie liebenswürdig entlarvend und staunenswert geschmeidig zu erzählen versteht. -- Tagblatt, St. Gallen

Brigitte Kronauer erzählt in der für sie typischen Sprache, die der blanken Haut schmeichelt; ihre Sätze passen wie angegossen - und tragen niemals auf. -- Leipziger Volkszeitung

Büchner-Preisträgerin Kronauer mit 26 schmalen Geschichten, die tief blicken lassen in die Seele der Heldinnen. Das Ganze erstmalig und exklusiv als Reclambändchen! -- buchjournal

Kronauer stellt ihre Meisterschaft in 26 sehr kurzen Kurzgeschichten unter Beweis - ihr gelingen nicht nur Romane, sondern auch diese wie getupften und doch ganz präzise ausformulierten und konzisen Kleider-Bilder. -- Westdeutsche Zeitung

Ihrer künstlerischen Konsequenz und Kompromißlosigkeit verdankt sich ein Werk, das in den großen philosophischen Romanen der letzten zwanzig Jahre gipfelt. Zwischen ihre umfangreichen Romanwerke und die Essays hat die Autorin immer wieder kleine Poesien geschoben. Daß sie eine Großmeisterin auch der kleinen Form ist, bestätigen die Geschichten, die jetzt unter dem Titel Die Kleider der Frauen erschienen sind. ... Die dürftige Gestalt der Texte kann über die Tiefräumigkeit und Beziehungsdichte der Erzählanlage, ihre Sinnfülle und ihren philosophischen Zug nicht hinwegtäuschen. Eine Kunst höchst raffinierter Einfachheit. -- Mosaik in WDR

Manchmal hält es die deutsche Prosa nicht länger in ihrem prosaischen Fesseln. Sternezersplitternd reißt sie sich dann empor, und funkelnd wie ein Feuerwerk erstrahlt für einen Augenblick ihre glamouröse Pracht in der ewigen Nacht unseres Alltagsgefasels. Man reibt sich die Augen - wie herrlich. Es gibt eine Viruosität, die bedarf keiner Pointen. -- Weser Kurier

Es ist nicht zuletzt Brigitte Kronauers unnachahmlich geschliffener Stil, der "Die Kleider der Frauen" zu einem sinnlichen und intellektuellen Vergnügen macht. Ihre Figuren sind geschnitzt wie Skulpturen, wenige wohlgesetzte Worte erschaffen unauslöschliche Bilder. -- junge Welt
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einen "großen, überraschenden" Roman bilden diese sechsundzwanzig Erzählungen laut Thomas Steinfeld. Überraschend nicht so sehr, weil er das Brigitte Kronauer nicht zugetraut hätte, sondern weil das kleine Format des gelben Reclam-Heftchens so etwas Gewaltiges nicht unbedingt vermuten lässt. "Bescheidenheit und Stolz" sieht Steinfeld hinter der Entscheidung für dieses Format, und die gleichen Charakterzüge meint er in den mutmaßlich autobiografisch inspirierten Erzählungen wiederzufinden. Man merkt der Rezension an, dass Steinfeld sich tief verbeugt vor diesem kleinen gelben Heftchen, wegen der "Bilder von Gebrechlichkeit und Größe", die man in ihm findet, aber auch wegen Kronauers unablässiger Konzentration aufs Detail, die Kleines groß und zeitlos werden lässt.

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