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Der Autor greift ein uraltes Thema der Philosophie auf und vertritt die »kanonische« Auffassung, dass sich Freiheit, Verantwortung und Rationalität wechselseitig selbst bedingen. Er erörtert das spezifisch Menschliche der Freiheit und verdeutlicht den Zusammenhang zwischen theoretischem und ethischem Humanismus in fünf Kapiteln: Warum die Annahme menschlicher Freiheit begründet ist - Warum Entscheidungen notwendig frei sind - Warum es keine Verantwortung ohne Freiheit gibt - Warum der Zufall moralisch irrelevant ist - Warum Menschenwürde auf Freiheit beruht.

Produktbeschreibung
Der Autor greift ein uraltes Thema der Philosophie auf und vertritt die »kanonische« Auffassung, dass sich Freiheit, Verantwortung und Rationalität wechselseitig selbst bedingen. Er erörtert das spezifisch Menschliche der Freiheit und verdeutlicht den Zusammenhang zwischen theoretischem und ethischem Humanismus in fünf Kapiteln: Warum die Annahme menschlicher Freiheit begründet ist - Warum Entscheidungen notwendig frei sind - Warum es keine Verantwortung ohne Freiheit gibt - Warum der Zufall moralisch irrelevant ist - Warum Menschenwürde auf Freiheit beruht.
Autorenporträt
Julian Nida-Rümelin, geboren 1954 in München, Studium der Philosophie, Physik, Mathematik und Politikwissenschaft in München und Tübingen, Promotion 1983, Habilitation 1989; nach Lehrstuhlvertretungen Gastprofessor in den USA und Professor für Ethik in den Biowissenschaften an der Universität Tübingen; 1993-2003 O. Professor für Philosophie an der Universität Göttingen, seit 2004 Ordinarius für Politische Theorie und Philosophie an der Universität München. Seit 1993 mehrfache Buchpublikationen u.a.: 'Strukturelle Rationalität' (2001) - 'Ethische Essays' (2002).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.2005

Hirnforscher als Dualisten
Julian Nida-Rümelin verteidigt die Willensfreiheit

In fünf Essays entwickelt Nida-Rümelin einen Vorschlag zur Lösung der Freiheitsproblematik und grenzt sich dabei sowohl von jenen Theoretikern ab, die menschliche Freiheit und naturwissenschaftliche Determination für vereinbar halten, als auch von jenen Neurowissenschaftlern, die von der Unvereinbarkeit von Freiheit und Determinismus ausgehen und die Freiheit dem naturwissenschaftlichen Weltbild opfern. Menschliche Freiheit sei, so Nida-Rümelin, "die spezifische Fähigkeit des Menschen, Gründe abzuwägen und dieser Abwägung entsprechend zu handeln".

Die Freiheitsproblematik wird so zunächst auf die Frage nach dem Status von Gründen verschoben. Nida-Rümelin argumentiert, daß Gründe "naturalistisch unterbestimmt" seien und mit naturwissenschaftlichen Mitteln gar nicht erfaßt werden könnten. Genau wie die Regeln des logischen Schließens seien sie aber auch keine mentalen Entitäten, sondern würden erst durch ihre Akzeptanz im Laufe einer Abwägung Wirksamkeit entfalten. Hier tut sich die Frage auf, wie Gründe als nicht-mentale und nicht naturalisierbare Entitäten die mentalen Vorgänge einer Person affizieren können und ihr Handeln beeinflussen. Eine umfassende Antwort auf diese Fragen müßte wohl auch eine Antwort auf das Leib-Seele-Problem beinhalten und hätte den Rahmen von Nida-Rümelins Abhandlung gesprengt.

Wer Freiheit und Determinismus für unvereinbar hält, aber an der Freiheit festhalten möchte, kommt wie Nida-Rümelin nicht umhin, den Indeterminismus zu akzeptieren, und verweist dazu meist auf indeterministische Interpretationen der Quantenmechanik (mancher theoretische Physiker mag hier einwenden, daß es doch auch akzeptable deterministische Interpretationen der Quantenmechanik gebe). Die damit einhergehende Frage, ob sich denn mikrophysikalische Unbestimmtheiten überhaupt bis auf die makrophysikalische Ebene neuronaler Prozesse auswirken könnten, kontert Nida-Rümelin, indem er darauf verweist, daß heute niemand wisse, ob mikrophysikalische Indetermination sich im Gehirn auswirkte oder nicht.

Wenn Indeterminismus, warum dann nicht Zufall? Frühere Ansätze (etwa von Roderick Chisholm) hatten versucht, das Problem des Zufalls durch die Annahme eines dualistisch zu verstehenden Akteurs zu lösen - der Akteur selbst garantierte dort mit seiner überlegten, aber nicht determinierten Entscheidung die Nicht-Zufälligkeit von (physikalisch) indeterminierten Entscheidungen. Inwieweit Nida-Rümelin hier folgen würde, wird nicht klar, denn einerseits lehnt er eine "reduktionistische Metaphysik", wonach alle mentalen Vorgänge neurophysiologische Vorgänge wären, entschieden ab. Andererseits wendet er sich aber auch gegen dualistische Positionen der cartesianischen Tradition, die annehmen, daß mentale Vorgänge unabhängig von hirnphysiologischen Vorgängen stattfinden. Irgendwo dazwischen muß offenbar die Wahrheit liegen.

Einen Dienst der Aufklärung erweist Nida-Rümelin der aktuellen Debatte um die Willensfreiheit, wenn er offenlegt, daß die (vermeintliche) neurophysiologische Widerlegung der Willensfreiheit zunächst einmal ein cartesianisches, dualistisches Weltbild voraussetze: Erst wer annimmt, daß mentale Vorgänge wie das (bewußte) Treffen von Willensentscheidungen losgelöst von hirnphysiologischen Vorgängen stattfinden, und erst wer annimmt, daß es sich bei mentalen Vorgängen und hirnphysiologischen Vorgängen sozusagen um zwei gänzlich verschiedene Seinsbereiche handelt, kann diese zwei Bereiche auch gegeneinander ausspielen. So würde im Blick auf die antidualistische Rhetorik mancher Hirnforscher gelten: Die größten Kritiker der Dualisten sind selber welche.

In diesem Zusammenhang stellt Nida-Rümelin klar, daß der Nachweis von Korrelationen (oder "Korrespondenz") zwischen mentalen Vorgängen und neuronalen Vorgängen alleine keineswegs eine Widerlegung der Relevanz mentaler Vorgänge leisten könne. Kann eine Widerlegung der Willensfreiheit womöglich überhaupt nicht empirisch geleistet werden? Denn empirisch lassen sich zunächst einmal nur Korrelationen zwischen mentalen Vorgängen und neuronalen Vorgängen belegen - doch wie man solche empirisch entdeckten Korrelationen erklärt (ob etwa unter Rückgriff auf den cartesianischen Dualismus), ist wohl eher eine philosophisch-wissenschaftstheoretische Frage, die sich der empirischen Zugänglichkeit entzieht.

BETTINA WALDE

Julian Nida-Rümelin: "Über menschliche Freiheit". Reclam Verlag, Stuttgart 2005. 176 S., br., 5,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.08.2005

Versprochen ist versprochen
Julian Nida-Rümelin verteidigt den freien Willen
Wenn Gott den Menschen nach seinem Bilde schuf, dann müsste er ihn mit freiem Willen ausgestattet haben. Die Entdeckung der Willensfreiheit verdanken wir Augustinus. Mit dem freien Willen war dem Menschen aber auch die Möglichkeit eröffnet, zwischen Gut und Böse wählen zu können. Der wirklich freie Wille sei, so Augustinus, der, der sich durch den Glauben anleiten lässt. Der Glaube spende das Licht, das den Menschen die richtige Entscheidung treffen lasse.
Seit der Aufklärung ist die Vernunft für menschliche Entscheidungen lichtgebend. In Moralfragen vernünftig zu entscheiden, bedeutet seitdem, dass man sich von guten praktischen Gründen leiten lässt. „Da praktische Gründe in der Regel nicht unabhängig von theoretischen Gründen sind, ist eine gute Entscheidung geleitet sowohl von der Abwägung praktischer wie von der Abwägung theoretischer Gründe.” So schreibt Julian Nida-Rümelin und ist erstaunt darüber, dass sich die Philosophie immer noch mit dem Problem der Willensfreiheit herumschlägt. Angesichts der aufreizenden Thesen von Neurowissenschaftlern - namentlich genannt werden Wolf Singer und Gerhard Roth - muss ein Philosoph allerdings Argumente vorbringen gegen „die kühne, aber nicht wirklich belegte Behauptung einiger Neurowissenschaftler, es sei nun empirisch gezeigt, dass es keine Willensfreiheit gebe”.
Neurowissenschaftler behaupten, dass einer menschlichen Handlung Hirnaktivitäten vorausgingen, die die Handlung bereits festgelegt hätten. Daraus folgern sie, dass der Mensch gar keinen freien Willen habe, sondern dass unsere Handlungen determiniert seien. Auf der einen Seite die Neurowissenschaftler und auf der anderen die Philosophen? Nein, nicht ganz so einfach und das schon gar nicht bei Nida-Rümelin. Er selbst sagt von sich, dass sich „seine eigene Position in diesem Spektrum schwer einordnen” lasse. Bereits in seiner vor einigen Jahren erschienenen Schrift „Strukturelle Rationalität” lieferte Nida-Rümelin Argumente für die Debatte.
Für einzelne Handlungen, wie das Heben der Hand oder das Anzünden einer Zigarette mögen die Befunde der Neurowissenschaftler ja zutreffen, nicht aber für langfristige Entscheidungen, Lebensentscheidungen zumal. Man kann sich für den einen oder anderen Beruf entscheiden und dann alles daran setzen, ihn auszuüben und gut zu verrichten. Das sind dann eine Reihe von kleineren Entscheidungen, bei denen man selbstverständlich durch die eine generelle Entscheidung festgelegt ist. In der „Strukturellen Rationalität” nennt Nida-Rümelin die grundlegende Entscheidung eines Menschen, sich das Rauchen abzugewöhnen. In jedem einzelnen Fall, in dem die Person „trotz einer aufkommenden starken Neigung, sich nun eine Zigarette anzuzünden, dieses unterlässt, tut sie das in der Absicht, sich an die selbst auferlegte Regel zu halten und damit die Handlungsstruktur zu realisieren. Es wäre überaus künstlich, diese lange Folge von bewussten Unterlassungen als Ergebnis eines Abwägungsprozesses im singulären Fall zu interpretieren.” Das nennt Nida-Rümelin „strukturelle Rationalität”, die für die einzelne Handlungen vorgegeben ist. Insofern determiniert der Mensch sich selbst. Das mag sich dann in den Hirnstrukturen widerspiegeln. Aber bevor man diese grundlegende, auf lange Sicht hin gültige Entscheidung nicht getroffen hat, „ist es ausgeschlossen, dass ich selbst schon weiß, welche Entscheidung ich treffen werde”. Und auch die die Gehirnstrukturen untersuchenden Neurowissenschaftler könnten das nicht wissen. Das erläutert die Stellung von Nida-Rümelins Position zwischen Determinismus und Indeterminismus.
Wie aber ist es mit der moralischen Entscheidung? Nehmen wir das Beispiel, dass es moralisch ist, ein Versprechen zu halten. Nida-Rümelin schreibt dazu: „Unter Normalbedingungen habe ich einen guten Grund, meine Versprechen zu halten, nicht deswegen, weil der Bruch des Versprechens negative Folgen hätte, sondern ipso facto, weil ich es versprochen habe.” Und ergänzend dazu aus der „Strukturellen Rationalität”: „Wenn die Menschen ihre Versprechen nur noch dann einhalten würden, wenn sie erwarteten, damit die Konsequenzen zu optimieren, verlöre die Institution des Versprechens ihre wichtige Rolle zur Koordination unseres Verhaltens.” Selbst wenn die Nachteile, die durch die Einhaltung des Versprechens folgen würden, groß sind, muss man bei seiner Abwägung die genannten Gründe berücksichtigen. Nachdem man diese Gründe bedacht hat, kann man seine Willens-Entscheidung in Handlung umsetzen und das Versprechen halten. Sicher ist es richtig, dass wir im Alltag sagen „Versprochen ist versprochen” und damit unser Versprechen einhalten. Punkt! Aber im Zweifelsfall, wenn wir daran denken, dass die Nachteile größer als die Vorteile beim Halten eines Versprechens sind, führen wir Gründe an.
Nida-Rümelin hat einen wichtigen Beitrag zu der gegenwärtigen Debatte über die Willensfreiheit vorgelegt, mit stichhaltigen, gut durchdachten Argumenten bei seinem Plädoyer für die Willensfreiheit. Das letzte aufsehenerregende philosophische Buch zu diesem Thema war von Peter Bieri „Das Handwerk der Freiheit”, das wegen seiner Verständlichkeit gelobt wurde. Verglichen damit ist der vorliegende Band von Nida-Rümelin sperriger, was seinen Grund wohl darin hat, dass hier fünf disparate Essays, die zu ganz unterschiedlichen Anlässen verfasst wurden, zusammengestellt sind.
DETLEF HORSTER
JULIAN NIDA-RÜMELIN: Über menschliche Freiheit. Reclam Verlag, Stuttgart 2005. 172 Seiten, 5 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Nida-Rümelin hat einen wichtigen Beitrag zu der gegenwärtigen Debatte über die Willensfreiheit vorgelegt, mit stichhaltigen, gut durchdachten Argumenten bei seinem Plädoyer für die Willensfreiheit.Süddeutsche Zeitung

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Aufschlussreich findet Rezensentin Bettina Walde diesen Band mit fünf Essays von Julian Nida-Rümelin über die Freiheitsproblematik. Wie sie berichtet, grenzt sich der Autor sowohl von Positionen ab, die menschliche Freiheit und naturwissenschaftliche Determination für vereinbar halten, als auch von solchen, die von der Unvereinbarkeit von Freiheit und Determinismus ausgehen. Fragen ergeben sich für Walde sowohl im Blick auf sein Verständnis von Freiheit als "spezifische Fähigkeit des Menschen, Gründe abzuwägen und dieser Abwägung entsprechend zu handeln" (Nida-Rümelin), das die Freiheitsproblematik auf die Frage nach dem Status von Gründen verschiebe, als auch bei seiner Argumentation für den Indeterminismus, bei der er auf indeterministische Interpretationen der Quantenmechanik verweise. Der gegenwärtigen Debatte um die Freiheitsproblematik erweist Nida-Rümelin nach Ansicht der Rezensentin einen "Dienst der Aufklärung". Er zeige nämlich, dass die (vermeintliche) neurophysiologische Widerlegung der Willensfreiheit ein cartesianisches, dualistisches Weltbild voraussetze und die größten Kritiker der Dualisten selber Dualisten seien.

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