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Die in diesem Band veröffentlichten Vorträge von acht Wissenschaftlern ehren einen Praktiker in einem Kreis von - fast ausschließlich - Wissenschaftlern; nach wie vor eine Seltenheit. Es begründet sich aus der Hochachtung der Persönlichkeit des Jubilars und der Anerkennung seines fachlichen Lebenswerkes.
Die Fragestellung des Symposions: Wie haben sich Jugendkriminalität und Jugendstrafrecht in den letzten Jahrzehnten entwickelt und welche Perspektiven sind daraus herzuleiten?
Zu Beginn des neuen Jahrtausends geht es auch um Europäisierung und Internationalisierung von (Jugend-) Recht in
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Produktbeschreibung
Die in diesem Band veröffentlichten Vorträge von acht Wissenschaftlern ehren einen Praktiker in einem Kreis von - fast ausschließlich - Wissenschaftlern; nach wie vor eine Seltenheit. Es begründet sich aus der Hochachtung der Persönlichkeit des Jubilars und der Anerkennung seines fachlichen Lebenswerkes.

Die Fragestellung des Symposions: Wie haben sich Jugendkriminalität und Jugendstrafrecht in den letzten Jahrzehnten entwickelt und welche Perspektiven sind daraus herzuleiten?

Zu Beginn des neuen Jahrtausends geht es auch um Europäisierung und Internationalisierung von (Jugend-) Recht in einer globalisierten Welt. Vor dem Hintergrund nationaler und internationaler Entwicklungstendenzen der Jugendkriminalität rückt der Grundsatz von Prävention statt Reaktion stärker in den Vordergrund. Rechtsfolgensysteme und Sanktionspraxis sind zu überprüfen, Perspektiven im Jugendstrafverfahren zu entwickeln.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2002

Schläge aufs nackte Gesäß
Ein Sammelband enthüllt die Absurditäten des Jugendstrafrechts

Ähnlich wie bei den Strafzwecken schlägt sich auch im Jugendstrafrecht die grassierende wissenschaftliche Ratlosigkeit im Hang zu Mischtheorien nieder. Die Motive sind in beiden Fällen die gleichen. Bei den Straftheorien will die Wissenschaft ihre Skepsis gegenüber staatlichem Strafen durch die Vereinigung disparater Begründungen gerecht verteilen: Vergeltungsansätze vereinigen sich mit Präventionstheorien unter Einbeziehung der besonders raffinierten "positiven Generalprävention", die die Norm durch die Verurteilung symbolisch bekräftigen will. Im Jugendstrafrecht schlägt sich eine verschärfte Ratlosigkeit in der paradoxen Verknüpfung von "do less" mit "getting tough" nieder. Was soviel heißt wie: Der Staat übt massiv sanften Druck auf jugendliche Straftäter aus.

Ein Beispiel für die rechtspolitische Ratlosigkeit liefert die vorliegende Festschrift über "das Jugendstrafrecht an der Wende zum 21. Jahrhundert". Kaum einer der Autoren kommt ohne kritische Seitenhiebe auf die Presse aus. Ein flüchtiger Leser käme geradezu auf die Idee, Jugendkriminalität sei zu großen Teilen ein medial erzeugtes Phänomen. Daß es im Gegenteil Absurditäten in der strafrichterlichen Behandlung jugendlicher Intensivtäter gibt, die öffentliche Aufmerksamkeit verdienen, kommt leider nicht zur Sprache.

Gewiß liefern die in dem soliden Beitrag von Michael Walter vorgetragenen Statistiken ein differenziertes und wissenschaftlich fundiertes Bild über die Entwicklung der Jugendkriminalität. Walter klärt uns darüber auf, daß Jugendkriminalität seit den Anfängen der wissenschaftlichen Beobachtung "Anstiegskriminalität" ist, daß es sogar Bereiche gibt, in denen die allgemeine Kriminalitätsbelastung leicht zurückgeht. Aber das Jugendstrafrecht muß sich doch an beidem messen lassen, an seiner gerichtsalltäglichen Normalität und an der Behandlung hochproblematischer Einzelfälle.

Die im Band vertretenen Autoren wollen weder das Jugendstrafrecht abschaffen noch durch zusätzliche Erziehungsmaßnahmen ausweiten. Als Vertreter der Jahrgänge 1928 bis 1945 haben sie allerlei rechtspolitische Moden miterlebt und sich nun im Status quo eingerichtet. Sie geben wortreich zu Protokoll, daß es im Grundsatz keine Alternativen zu ihm gebe, sondern nur immanente Reformen angestrebt werden sollten. Der überschießende Erziehungsoptimismus der siebziger Jahre ist längst verflogen, und auch größere Repression verspricht keine erhöhten Erfolgszahlen. Tatsächlich legen empirische Untersuchungen nahe, daß sich die betroffenen Jugendlichen und Heranwachsenden erstaunlich resistent gegen den staatlichen Eingriff in ihr Leben zeigen. Zumeist scheint sich die Neigung zur Delinquenz nach einigen Jahren wie von selbst zu reparieren. Jugendkriminalität ist, wie auch Hans-Jürgen Kerner klarstellt, keine evolutionäre Vorstufe zur Erwachsenenkriminalität.

Der empfohlene Weg soll daher in der Regel eine zurückhaltene erzieherische Einwirkung auf den Jugendlichen oder Heranwachsenden sein. Innovationen kommen hier aus dem Erwachsenenstrafrecht, und sie sind mit den gleichen Einwänden behaftet wie dort: Der Täter-Opfer-Ausgleich möchte die Verantwortlichkeit des Täters klarstellen und beiden einen Weg weisen, mit der Tat zu leben. Über das konzeptionelle Problem dieser Gleichbehandlung für das Opfer wird hier wie andernorts nicht so gerne geredet.

Auch der strukturelle Konflikt zwischen den Bedürfnissen des Opfers und den hergebrachten Prozeßmaximen des Jugendstrafrechts ist im Beitrag von Dieter Rössner zu harmonisierend dargestellt. Noch wird im Jugendstrafverfahren den Interessen des Täters oft mehr Schutz zuteil als denen des Opfers. Die opferbezogenen Aktivrechte (Privatklage, Nebenklage und Adhäsionsverfahren) schließt das Jugendstrafverfahren beispielsweise sämtlich aus. Auch sonst verdient das Verbrechensopfer mehr von jener psychischen Untersützung, die die Kriminaljustiz und Jugendfürsorge gerade dem minderjährigen Täter angedeihen läßt. Hier wünschte man sich von den Autoren mehr Problembewußtsein.

Die Grundüberzeugung des Staates ist im Jugendstrafrecht, daß die Justiz eine für den Täter stigmatisierende Verurteilung vermeiden soll. Der strafprozessuale Königsweg dahin heißt "Diversion", also die informelle Erledigung, die der Gesetzgeber nahelegt und die in zwei Dritteln aller Fälle angewandt wird. Das Strafurteil wird ersetzt durch ein flexibles Rechtsfolgensystem, das Erziehungsmaßregeln und sogenannte "Zuchtmittel" (Verwarnung und Jugendarrest) umfaßt: Zur Auswahl stehen Arbeitsauflagen, Geldauflagen, Weisungen, Wiedergutmachungsauflagen und die Auflage der Entschuldigung. Verboten sind Schläge aufs nackte Gesäß durch den Jugendstaatsanwalt - selbst wenn er später das Verfahren einstellt und vorher die Erlaubnis der Erziehungsberechtigten dazu eingeholt hat (BGH, Urteil vom 23. Mai 1984).

MILOS VEC.

Dieter Dölling (Hrsg.): "Das Jugendstrafrecht an der Wende zum 21. Jahrhundert". Symposion zum 80. Geburtstag von Dr. Rudolf Brunner. Verlag Walter de Gruyter, Berlin, New York 2001. 195 S., br., 64,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für Rezensent Milos Vec beweist dieser Sammelband über das Jugendstrafrecht vor allem eins: "rechtspolitische Ratlosigkeit". Andererseits schlagen die Autoren auch keine Alternativen vor. Sie wollen das Jugendstrafrecht weder abschaffen noch ausweiten, hat Vec dem Band entnommen. Das liegt möglicherweise an den Jugendlichen. Die zeigen sich nämlich gegenüber staatlichen Erziehungsmaßnahmen "erstaunlich resistent". Ein Anlass zur Sorge ist das jedoch offenbar nicht. Die Neigung zu Straftaten scheint bei den meisten Jugendlichen wie eine Art Kinderkrankheit irgendwann von selbst zu erlöschen.

© Perlentaucher Medien GmbH