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Es gibt Menschen, die haben das zweite Gesicht, erzählt man sich. Und es ist ihr blindes Auge, das mehr sieht. Ein Spiegelbild verschwindet und beginnt, ein eigenes Leben zu führen. Kranke Augen sehen die Welt phantastisch, da steht ein Zirkuspony in der U-Bahn-Station, und die Liebe auf den ersten Blick kann ein katastrophaler Irrtum sein.Tilman Spreckelsen hat die gruseligsten, hellsichtigsten und erstaunlichsten Geschichten der Weltliteratur zu Blicken und Augen versammelt. Fotografien, die verborgene Wahrheiten enthüllen; Geheimnisse, die offen zu Tage liegen; und ein Vorleser, der den Urwald nie wieder wird verlassen dürfen ...…mehr

Produktbeschreibung
Es gibt Menschen, die haben das zweite Gesicht, erzählt man sich. Und es ist ihr blindes Auge, das mehr sieht. Ein Spiegelbild verschwindet und beginnt, ein eigenes Leben zu führen. Kranke Augen sehen die Welt phantastisch, da steht ein Zirkuspony in der U-Bahn-Station, und die Liebe auf den ersten Blick kann ein katastrophaler Irrtum sein.Tilman Spreckelsen hat die gruseligsten, hellsichtigsten und erstaunlichsten Geschichten der Weltliteratur zu Blicken und Augen versammelt. Fotografien, die verborgene Wahrheiten enthüllen; Geheimnisse, die offen zu Tage liegen; und ein Vorleser, der den Urwald nie wieder wird verlassen dürfen ...
Autorenporträt
Tilman Spreckelsen, geb. 1967. Studium der deutschen Literaturwissenschaft und Geschichte an der Universität Freiburg. Promotion 1998. Freiberufliche Tätigkeit als Herausgeber (Fouque, Der Parcival; Anthologie: Versunkene Städte) und Journalist. Reisefeuilletons und Literaturkritiken in der ZEIT und der FAZ; literaturwissenschaftliche Aufsätze u. a. im Schiller-Jahrbuch.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.09.2006

TILMAN SPRECKELSEN, Wissenschaftsredakteur der Sonntagszeitung, hat Geschichten vom Sehen zusammengetragen: Autoren wie Ingeborg Bachmann, Italo Calvino, Ilse Aichinger, Arno Schmidt, Oscar Wilde oder Katrin Seebacher zeigen in der Anthologie "Augenblicke", wie die Wirklichkeit auf den zweiten Blick phantastisch wird, wie unsere Augen getäuscht und verführt werden und wie hinter dem Spiegel eine neue Welt aufscheint, während die alte versinkt. Unsichtbare Städte stehen da neben verschwundenen Briefen, aus einem Pappkarton wird ein Pony, aus einer Lampe der Vollmond, und im Land der Blinden ist der Zweiäugige kaum besser als ein Knecht. Daß unser Kosmos sein Gesicht ständig ändert, je nachdem, wie wir ihn ansehen, zeigen die Texte eindrucksvoll. Und manchmal hilft schon eine Brille dabei, Klassenbester zu werden. Wenigstens beim "Kleinen Nick". (Tilman Spreckelsen: "Augenblicke". Geschichten vom Sehen. Anthologie. S. Fischer Verlag, Frankfurt 2006. 304 S., geb., 18,90 [Euro].)

F.A.Z.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.01.2007

Ihr glücklichen Augen!
Tilman Spreckelsen versammelt „Geschichten vom Sehen”
Dass es durch die Augen pfeilgerade in die tiefsten Seelentiefen geht, sowohl in der Wirklichkeit wie in der Literatur, wissen wir nicht zuletzt durch Siegmund Freud: Man schaue sich nur einmal die Einträge unter „Schau(lust)” im Stichwortregister seiner „Gesammelten Werke” an, entsinne sich seiner Ausführungen zu E.T. A. Hoffmans „Sandmann” – „sköne Oke!”, schöne Augen! – und erinnere sich, was einem ganz real und außerliterarisch passieren kann, wenn man sich in jemanden (wie man harmlos sagt) verguckt: Nicht umsonst ist die Stelle, an der der Schönen Bild in einen eintritt, auch die Stelle, an der die Tränen dann später austreten. . . da kann Gottfried Keller noch so zuversichtlich und preisend sagen: „Augen, meine lieben Fensterlein, /Lasset freundlich Bild um Bild herein!” Der Redensarten und der Dichtungen, die den Augen entspringen und auf die Augen zielen, sind viele, und Tilman Spreckelsen konnte nur einige in seinem motivischen Lesebuch zusammenstellen (Hoffmanns „Sandmann” durfte er dabei auslassen, denn der ist schon aufs häufigste abgedruckt, und Lyrik blieb bei ihm auch außen vor, obwohl das eigentlich schon wieder sehr schade ist), sonst hätte er gleich eine zwölfbändige Textsammlung allein zur deutschen Literatur anlegen können.
„Sehen” oder – in einer Steigerung – „schauen” ist ja fast so was wie Triebtäterei (das Alte Testament weiß das, auch der griechische Mythos kennt das in sämtlichen Varianten, mitsamt der sehnsüchtig-verzückten Art, wie einer seiner selbst ansichtig werden kann: Narziss); das wurde uns obendrein in der sogenannten „Franzosentheorie” der letzten Jahre unterm Stichwort des „regard” (mit tremolierendem Pathos zu sprechen) zur Genüge vorgeführt, und jeder weiß, wie unwillkürlich – aber oft keineswegs unbewusst – wir bestimmten Objekten unserer Begierde nachsehen, wenn sie auch nur entfernt unseren Weg kreuzen. Und dann gibt es noch die Möglichkeit, sich gesehen zu fühlen, sprich: ein bisschen oder mehr paranoid zu sein oder sich zu fühlen, man denke in der Literatur an die Augen von Dr. T. J. Eckleberg in Scott Fitzgeralds Roman „Der große Gatsby”.
Zu laut zum Sehen
Nein, es ist kein Ende dieses Motivs, wenn man sich einmal darauf einlässt und neben den Augen auch ihre Hilfsmittel, Verdoppelungen und Negationen dazunimmt, nämlich Brille, Spiegel und – Blindheit. Ingeborg Bachmann und Ilse Aichinger machen das Goethe’sche „Ihr glücklichen Augen,/ was je ihr gesehen,/ es sei wie es wolle,/ es war doch so schön!” in ihren Prosastücken fast zum Gespött. Edgar Allan Poe demonstriert im „Stibitzten Brief”, wie das Offensichtliche oft eben gerade nicht gesehen wird. H. G. Wells führt vor, dass „sehen (können)” einen nicht unbedingt überlegen macht, vielmehr zum Opfer prädestinieren kann. H. P. Lovecraft erblickt mal wieder das ultimative (und trotz aller gehäuften Adjektive eigentlich unbeschreibliche) „Monstrum”, René Goscinny quatscht munter vor sich hin über die Misslichkeit, in der Schule mal die Brille vergessen zu haben. Bei Alister MacLeod gibt es Visionen, Zweite Gesichte und Erblindungen sowie künstliche Augen . . . und so geht es weiter, in 16 Prosastücken, oder doch 15 und einem, das in viele kürzere zerfällt. Das vielleicht überraschendste Exempel, von der jungen Autorin Nina Jäckle, ist vor ein paar Jahren in Berlin erschienen: Das sind nun, unter der Überschrift „Möglicherweise”, verstörende Stückchen, die etwa so beginnen: „In dem Restaurant ist es so laut, dass ich kaum mehr sehen kann.” Ein paar Sätze dieser Art, und schon ist alles tief unheimlich und man kriegt kein Bein mehr auf den Boden, wahrscheinlich gerade deshalb, weil jedwede Erklärungen vermieden werden.
Das ist eine Sammlung, die nach Erweiterung schreit, unter dem John-Lennon-Motto „There’s more here than meets the eye!” aus dem Film „HELP”; das könnte dann bebildert sein mit ein paar guten Standphotos aus dem Film „Peeping Tom” pointiert-voyeuristischen Angedenkens, und schließlich dürfte eigentlich beim Arno-Schmidt-Kenner Tilman Spreckelsen auch eine Szene aus der Erzählung „Caliban über Setebos” nicht fehlen, eine der schärfsten, intrikatesten Szenen aus dem Umkreis des Orpheus-Mythos, ein Meisterstück des literarischen Genusses am schamlosen Blick (und seiner Bestrafung). Also: Muss fortgesetzt werden, und kann noch schärfer gewürzt werden.JÖRG DREWS
TILMAN SPRECKELSEN (HRSG.): Augenblicke. Geschichten vom Sehen. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006. 304 Seiten, 18,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als "eine Sammlung, die nach Erweiterung schreit" annonciert Rezensent Jörg Drews dieses "motivische Lesebuch" zum Thema Sehen. FAZ-Autor Tilman Spreckelsen hat darin, lesen wir, Geschichten zum Thema von Poe, H.G. Wells über Goscinny, Lovecraft, Ingeborg Bachmann und Ilse Aichinger versammelt. Das den Rezensenten am meisten überraschende Stück ist erst vor ein paar Jahren entstanden und stammt von Nina Jäckle. Und weil der Rezensent das Thema so inspirierend und zwingend findet, fallen ihm beim Lesen auch schon lauter Kandidaten für einen Fortsetzungsband ein, den er sich am Ende auch noch eine Spur schärfer gewürzt vorstellen könnte, mit "Peeping Tom" oder Arno Schmidt zum Beispiel.

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