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Teils Roman, teils Geschichte, teils Märchen, bietet "The Good Man Jesus and the Scoundrel Christ " eine radikal neue Interpretation der Mythen und Mysterien des Evangeliums und der Entstehung der Kirche, die den Verlauf der zwei letzten Jahrtausende geprägt hat. Ein provokantes und nachdenkliches Buch, das sich durch die magische Erzählweise auszeichnet, für die Philip Pullman berühmt ist.

Produktbeschreibung
Teils Roman, teils Geschichte, teils Märchen, bietet "The Good Man Jesus and the Scoundrel Christ " eine radikal neue Interpretation der Mythen und Mysterien des Evangeliums und der Entstehung der Kirche, die den Verlauf der zwei letzten Jahrtausende geprägt hat. Ein provokantes und nachdenkliches Buch, das sich durch die magische Erzählweise auszeichnet, für die Philip Pullman berühmt ist.
Autorenporträt
Philip Pullman, geboren 1946 in Norwich/England, aufgewachsen in Rhodesien, Australien, London und Wales. Nach der Schule Englisch-Studium am Exeter College/Oxford, danach Lehrer an verschiedenen Middle Schools. Er ist heute auch tätig als Literaturdozent und veröffentlicht Bilder-, Kinder- und Jugendbücher, schreibt Theaterstücke und Thriller. 2005 erhielt er den Astrid-Lindgren-Preis für Literatur.

Adelheid Zöfel lebt und übersetzt in Freiburg im Breisgau. Zu den von ihr übersetzten Autoren gehören u.a. Marisha Pessl, Chuck Klosterman, David Gilmour, Janice Deaner und Louise Erdrich.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.02.2011

Das doppelte Gottchen
Philip Pullman zerlegt den Menschensohn in das Zwillingspaar Jesus und Christus – und macht sie alle beide platt
Fünf griechische Buchstaben genügten dem jungen Christentum, um seinen Glaubensinhalt zusammenzufassen: Iota, Chi, Theta, Ypsilon, Sigma. Zusammen ergaben sie das Akronym „Ichthys“, der Fisch, der zum Symbol der Gemeinde wurde; sie standen für „Iêsûs Christos Theû Hyios Sotêr“, Jesus Christus, Gottes Sohn, der Retter. Eigentlich genügten von den fünf Buchstaben sogar schon zwei: Denn Jesus, das war ein ganz normaler jüdischer Männername; in Christus aber klingen das Griechische und das Göttliche an. Mensch und Gott, Judentum und Hellenismus, das ging miteinander ein höchst ungleiches Bündnis ein.
Heute ist dessen Naht zur Narbe verwachsen. Aber in den ersten Jahrhunderten lief da der Riss durch die neue Religion; und wer das Nicänische Glaubensbekenntnis liest, das nach wie vor für alle christlichen Kirchen gilt, bekommt immer noch eine Ahnung von den fiebrigen Prozessen, die stattfinden mussten, ehe diese Wunde sich schloss oder wenigstens aufhörte zu schmerzen. Der lange, schwerverständliche Mittelteil dieses Credos, fast die Hälfte des Textes, hat es mit dem Verhältnis der Gott- und der Menschennatur Jesu Christi zu tun. Mit dem Entschluss aber, mitten in die Menschengeschichte hineinzuspringen, hat sich Gott in etwas verwickelt, das ihm schlecht ansteht, in Widersprüche nämlich.
Wie kann ein Wesen als Mensch furchtbare Todesangst empfinden, wo es doch zugleich als Gott weiß, dass es drei Tage nach seinem scheinbaren Tod schon wieder im Licht wandeln wird? Und warum gab sich Gott, dem doch alles freistand, als Mensch nur in so unscheinbarer Form zu erkennen, am Ende der Welt, in Galiläa, wo die meisten ihn übersehen mussten? Liefen sie so nicht Gefahr, aus einem bloßen Mangel an Information das Heil zu verfehlen? Wie steht es ferner mit den Generationen, die vor der großen Heilstat des Kreuzestodes lebten und starben? Haben sie keinen Anteil am Heil? Das wäre eine eklatante Ungerechtigkeit. Oder werden sie doch irgendwie augenzwinkernd ins Reich Gottes durchgewunken, wie es die Geschichte von Christi Abstieg in die Unterwelt nahezulegen scheint? Dann wäre die Heilstat genau genommen überflüssig gewesen. Gott als empirisch-historischer Mensch – das funktioniert zwar nicht und soll es doch, sonst ist nämlich dem Christentum die Geschäftsgrundlage entzogen.
Wer diesen Klotz spaltet und Jesus von Christus trennt, der vernichtet den christlichen Glauben. Aber er muss längs der Faser des Klotzes schlagen und nicht quer dazu, sonst bleibt ihm die Axt im Holz stecken. Dies ist es, was dem britischen Autor Philip Pullman widerfährt, der es als Verfasser der Trilogie „His Dark Materials“ (besonders des ersten Teils, „Der Goldene Kompass“) zu Ruhm gebracht hat. Schon der Titel seines neuen Buches deutet an, wie schief hier die Axt ins Holz fährt: „Der gute Herr Jesus und der Schurke Christus“. Nein, so einfach, dass eine ursprüngliche Botschaft nur als verfälschte ihren Siegeszug angetreten hätte, liegen die Dinge nicht. Man muss Pullman schon bei der Wahl des Titels bescheinigen, dass er sich leider nicht auf Augenhöhe der theologischen Dilemmata seines Gegners befindet. Und weil dieses Buch ersichtlich nicht als literarisches, sondern als theologisches Werk gelesen und beurteilt werden will, ist damit das Wesentliche bereits gesagt.
Von Gott findet sich in diesem Buch keine Spur. Vielmehr bringt Maria, die von einem „Engel“ schwanger wird (Pullman spricht das Wort mit einem unschönen Feixen aus), statt eines Sohns deren zwei zur Welt, das Zwillingspärchen Jesus und Christus. Während Jesus zu einem robusten und allseits populären Jungen heranwächst, ist Christus zwar der Liebling seiner Mutter, sonst aber ein eher schüchterner Knabe. Er hält sich im Hintergrund, liebt aber seinen Bruder und sieht, da er zum Grübeln neigt, klarer als dieser selbst die Risiken, die dessen Mission birgt. Das qualifiziert ihn zum idealen Werkzeug eines wiederum allzumenschlichen Engels, der Christus braucht, um auf dem Weg des Betrugs Jesus’ vergängliches irdisches Schicksal zur Grundlage einer dauernden Kirche zu machen. Die als solche belanglose „Wirklichkeit“ soll aufgepeppt werden, damit aus ihr die „Wahrheit“ zum Vorschein komme. Man ahnt frühzeitig, worauf es hinausläuft: Jesus ist tot und bleibt es auch, aber Christus, ihm gleich wie ein Ei dem anderen, feiert am Ostersonntag fröhliche Urständ und vermag auf diese Weise der Gemeinde, die schon am Zerbröckeln war, den nötigen pfingstlichen Schwung zu verleihen, der sie von da an durch die Jahrhunderte trägt. Und wenn sie auch beide gestorben sind, die Kirche lebt bis heute.
Dieser Einfall hält sich für schlau und ist doch von einer bodenlosen Banalität. Zum einen verschenkt er das alte, unlösbare, aber tiefe Problem der Doppelnatur Jesu Christi völlig an die Kontingenz der Zwillingsexistenz und den platten Trick, den sie ermöglicht. Zum anderen aber rennt Pullman, der etwas ganz Neues erfunden zu haben meint, offene Türen ein. Er besetzt mit Christus zwar versuchsweise auch die Rolle des satanischen Versuchers in der Wüste und die des Verräters Judas (beides nicht ohne erhebliche gedankliche und gestalterische Verluste, wie man anmerken muss); aber in Wahrheit spielen er respektive der ihn beauftragende Engel, der Christus’ Notizen abholt und redigiert, einen weit nüchterneren und bereits vergebenen Part, den des Apostels Paulus: Paulus, der das Heil frühzeitig als Sache der Organisation begriff; Paulus, der die Figur Jesu (den er persönlich gar nicht gekannt hatte) uminterpretierte, wie er ihn brauchte; Paulus, der die enggeschlossene jüdische Sekte gewaltsam zur heidnischen Welt der Griechen und Römer aufbog und sie damit über die Katastrophe des Jahres 70 rettete, als der Jerusalemer Tempel zerstört wurde und die Juden in alle Himmelsrichtungen flohen.
Nun ist Paulus, mit dem, wie Nietzsche sagt, noch einmal der Priester zur Macht will, bestimmt keine besonders sympathische Erscheinung; aber Energie und Weitsicht lassen sich ihm kaum absprechen. Indem Pullman diese für die christliche Kirche konstituierende Persönlichkeit in den schwächlichen Christus und den mysteriösen Auftraggeber auseinanderlegt, bringt er sein Buch um ein tragendes Element. Den anderen Figuren ergeht es nicht besser; Pontius Pilatus etwa wird zur brutalen Dumpfbacke, der Jesus gleich bei der ersten Begegnung zu Boden stößt.
Und so macht sich das theologische Defizit dann auch als literarischer Mangel bemerkbar. Pullman hangelt sich narrativ und stilistisch an den Evangelien entlang. Er will einerseits an der Kraft ihres schnörkellos klaren Duktus teilhaben, sie andererseits aber ironisch perspektivieren. Das geht nicht zusammen. Pullmans schmunzelnde Nacherzählung klingt so:
„Es dauerte nicht lang, bis Jesus im ganzen Land bekannt war, nicht nur wegen seiner Worte, sondern auch weil sich überall dort, wo er auftrat, ungewöhnliche Dinge ereigneten. Zum Beispiel betrat er eines Tages das Haus des Petrus und traf dort die Schwiegermutter an, die hohes Fieber hatte. Jesus redete mit ihr, und schon war sie wieder gesund und bot ihm etwas zu essen an. Dies wurde als Wunder betrachtet.“
Hört man das Unentschlossene in diesem „und schon“, das keine Widerrede wagt und sich deshalb bloß in Untertönen ausleben kann? Und was hat es mit diesem Passiv auf sich, „wurde als Wunder betrachtet?“ Ja von wem denn bitte, und von wem nicht? Unstrittig ist lediglich, dass es sich dabei um „ungewöhnliche Dinge“ handelt, ob irdischen oder himmlischen Ursprungs, das soll dahingestellt bleiben. Wenn Jesus am Ölberg, Blut und Wasser schwitzend, in seiner Angst Zwiesprache mit seinem Vater im Himmel hält, dann lässt ihn Pullman so sprechen:
„Aber du bist im Schweigen. Du sagst nichts. Gott – gibt es überhaupt einen Unterschied zwischen der Aussage und der, dass du gar nicht da bist? Ich kann mir vorstellen, wie irgendein philosophischer Klugscheißer von Priester später einmal seine armen Schäfchen hinters Licht führt und ihnen sagt: ‚Gottes große Abwesenheit ist, selbstverständlich, genau der Beweis für seine Gegenwart.’ Oder einen ähnlichen Mist.“
Nicht dass Jesus sich in dieser dunkelsten Stunde seines Lebens vulgär ausdrückt, verstimmt; sondern dass ihn eine Wendung wie „Aber du bist im Schweigen“ selbst zu einem jener philosophisch-theologischen Klugscheißer stempelt. Vom Gottmenschen will Pullman nichts wissen; und dessen Gestalt konnte wohl auch überhaupt nirgends Kontur gewinnen als in der äußerst knappen Sprache der Evangelien, die, wie ein früher Stummfilm, sozusagen Ton und Farbe der Phantasie des Zuschauers anheim stellen und damit ein Zwielicht aus anderen Sphären einlassen. Aber Pullman scheitert bereits am Menschentum Jesu. Diese Figur lebt nicht; und so kann auch ihr Sterben nicht berühren. Wenn Jesus Christus nicht mehr gewesen sein soll als dieser Christus und dieser Jesus, hat er für uns keinerlei Interesse. Pullman hat mit seinem Buch gegen den wichtigsten Grundsatz aller polemischen Kritik verstoßen: Mach deinen Gegenstand nicht kleiner, als er ist; denn größer als dein Gegenstand kann auch deine Kritik nicht sein. BURKHARD MÜLLER
PHILIP PULLMAN: Der gute Herr Jesus und der Schurke Christus. Aus dem Englischen von Adelheid Zöfel. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2011. 231 Seiten, 18,95 Euro.
Wer Jesus von Christus trennt,
der vernichtet damit
den christlichen Glauben
Das theologische Defizit
macht sich zugleich als
literarischer Mangel bemerkbar
Wer ist Jesus, wer Christus, und wer vor allem ist Brian? Szene aus Terry Jones’ Film „Das Leben des Brian“. Foto: Friedrich / Interfoto
Der 1946 in Norwich geborene Philip Pullman war zunächst Lehrer am Westminster College, bevor er Schriftsteller wurde. Zu Weltruhm kam er durch seine Fantasy-Trilogie „His Dark Materials“.
Foto: Interfoto
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Was sich Philip Pullman mit diesem Buch gedacht haben mag, wird einem in Burkhard Müllers Besprechung nicht klar, sehr deutlich wird aber, dass der Rezensent es für "bodenlos banal" hält. Pullman haut in die große Kerbe des Christentums, die wacklige zweifache Natur Jesu Christi als Mensch und Gott, der in Todesangst stirbt, aber wiederaufersteht, der die Menschen nach ihm erlöst, aber der Gerechtigkeit halber auch die vor ihm, so dass sein Tod eigentlich überhaupt überflüssig ist. Aber so wie Pullman haut, meint Müller, fahre die Axt recht schief ins Holz: Pullman von Jesus und Christus als Zwillingsbrüdern, einer war populär und stirbt, der andere, schüchtern und vergrübelt, lebt weite, und Pontius Pilatus bekommt einen Auftritt als "brutale Dumpfbacke". Das findet Müller nicht nur theologisch unter Niveau, sondern auch literarisch und erinnert daran, dass ein Polemiker seinen Gegenstand nicht allzu klein machen darf, denn mit diesem schrumpfe auch die Kritik.

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