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Vier Elementarkräfte kennt unser Universum. Drei betreffen die Ebene der Atome, eine die Planeten und Galaxien. Wie kann man alle vier Kräfte in ein einheitliches Modell bringen? Das ist die spannende Frage, auf die die Physik bislang noch keine Antwort gefunden hat - bislang. Denn die Theorie der Quantengravitation schickt sich an, diese große Frage des Universums zu beantworten. Claus Kiefer nimmt den Leser mit auf eine kurzweilige Reise durch Relativitätstheorie und Quantentheorie, Zeitpfeil und Kosmologie hin zu Quantengravitation und Quantenkosmologie. Er erklärt, was hinter Phänomenen…mehr

Produktbeschreibung
Vier Elementarkräfte kennt unser Universum. Drei betreffen die Ebene der Atome, eine die Planeten und Galaxien. Wie kann man alle vier Kräfte in ein einheitliches Modell bringen? Das ist die spannende Frage, auf die die Physik bislang noch keine Antwort gefunden hat - bislang. Denn die Theorie der Quantengravitation schickt sich an, diese große Frage des Universums zu beantworten.
Claus Kiefer nimmt den Leser mit auf eine kurzweilige Reise durch Relativitätstheorie und Quantentheorie, Zeitpfeil und Kosmologie hin zu Quantengravitation und Quantenkosmologie. Er erklärt, was hinter Phänomenen wie Schwarzen Löchern, Schrödingers Katze, Dunkler Energie, Strings und der Wellenfunktion des Universums steckt und skizziert die aufregende neue Theorie und ihre Antwort auf die Schlüsselfrage der modernen Physik.
Autorenporträt
Kiefer, Claus
Claus Kiefer studierte Physik und Astronomie an den Universitäten Heidelberg und Wien. Er promovierte 1988 in Heidelberg über den Begriff der inneren Zeit in der kanonischen Quantentheorie der Gravitation, habilitierte sich 1995 und lehrte an den Universitäten Zürich und Freiburg. Längere Aufenthalte unter anderem an der University of Cambridge, der Université de Montpellier und dem Wissenschaftskolleg zu Berlin. Seit 2001 ist er Professor für Theoretische Physik an der Universität zu Köln. Bei S. Fischer erschien von ihm zuletzt »Der Quantenkosmos. Von der zeitlosen Welt zum expandierenden Universum«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.04.2009

Wie war das mit dem Urknall ?

Drei neue Sachbücher verheißen, die Physik sei der Schöpfung endlich auf die Schliche gekommen. Doch die aufmerksame Lektüre belegt eher das Gegenteil.

VON ULF VON RAUCHHAUPT

Einst war der Kosmos ein Thema für Bildbände voller farbiger Gasnebel und formschöner Galaxien. Dann erschien 1988 Stephen Hawkings "Kurze Geschichte der Zeit" und begründete ein neues Sachbuch-Genre, in dem spärlich bebilderte Prosa die letzten Dinge der Physik verhandelt: wie es zum Urknall gekommen und was davor gewesen sein mag.

Die "Kurze Geschichte der Zeit" hat sich über neun Millionen Mal verkauft, ein Erfolg, der sich wohl vor allem der Persönlichkeit des gelähmten und Anfang vergangener Woche schwer erkrankten britischen Professors verdankt. Doch andere Physiker taten es ihm gleich und wurden gleichfalls gelesen. Theory sells - aber es sind heute offenbar nicht mehr nur die Suhrkamp-Bändchen von Adorno und Habermas, in denen Welterklärung gesucht wird.

Wollte man bislang wissen, was die moderne Naturwissenschaft über den Anfang der Welt tatsächlich sagen kann, lohnte sich solche Lektüre nicht immer. Die sprachliche Beschreibung ursprünglich mathematisch formulierter Konzepte war dabei nur ein Problem. Mancher Autor tat sich auch schwer bei der Darstellung, was nun gesicherte Erkenntnis ist und was Spekulation. Auch fällt es Naturwissenschaftlern nicht immer leicht, sich die Abhängigkeit dessen, was man für plausibel hält, von philosophischen Vorlieben oder weltanschaulichen Überzeugungen einzugestehen.

Dass es auch anders geht, zeigen drei neue Bücher, die im Darstellungsgeschick und im Reflexionsniveau außerordentlich gelungen sind. Mit ihnen ist dem interessierten Laien ein wirklicher Einblick in die moderne Kosmologie möglich. Der Haken ist: Man muss dazu alle drei lesen.

Denn die Kosmologie gibt es nicht. Seit den 1990er Jahren gerät die vormals astronomische Disziplin immer stärker in den Sog theoretischer Bemühungen, die Gravitations- und die Quantenphysik einer gemeinsamen mathematischen Beschreibung zuzuführen. Ohne eine solche Quantengravitationstheorie wird nie jemand wirklich bis zum Ursprung des sichtbaren Universums vordringen - und erst recht nicht über ihn hinaus.

Aber diese Theorie gibt es eben noch nicht. Es gibt nur verschiedene Ideen für Ansätze, von denen aus sie vielleicht zu konstruieren wäre: Die sogenannte Stringtheorie ist noch immer die populärste, die "Schleifen-Quantengravitation" macht ihr seit 1996 Konkurrenz, andere wie die "kanonische Quantisierung" haben eine längere Tradition. Jeder dieser Ansätze ist auf seine Art vielversprechend und auf seine Art problematisch. Wie ein Kosmologe über den Ursprung der Welt denkt, hängt auch davon ab, welchen Ansatz zur Quantengravitation er favorisiert.

Der Kölner Theoretiker Claus Kiefer etwa verfolgt den Weg der kanonischen Quantisierung. Aus seinen philosophischen Motiven macht er in seinem Buch "Der Quantenkosmos" kein Hehl: Er verficht das Ideal einer vollständig deterministischen und durch Gleichungen beschreibbaren Welt. Kiefers Gleichungen führen dabei auf einen Kosmos, in dem es die Bezugsgröße aller physikalischen Rede vom "Anfang" nicht mehr gibt: die Zeit. Nach Kiefer ist unsere Zeitwahrnehmung lediglich eine Folge unseres beobachtenden Blickes auf die Welt, aber nichts, was die reale Welt als solche angeht. Deren Realität hat dann allerdings die Folge, dass wir Beobachter nicht mehr real sind oder nur noch in der Weise, dass wir uns in jedem Moment in faktisch unendlich viele Kopien aufspalten.

Wen das an die Welten der Perry-Rhodan-Romane erinnert, der sollte sich erst die Kosmologie ansehen, die Alex Vilenkin in seinem Buch "Kosmische Doppelgänger" vorstellt. Dabei repräsentiert der an der amerikanischen Tufts University lehrende gebürtige Russe in vielem den kosmologischen Mainstream unserer Tage: Er geht von der Stringtheorie aus, zudem kreist sein Denken um die Hypothese der "kosmischen Inflation", der zufolge es in den allerersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall eine Phase gegeben haben muss, in der sich das Weltall exponentiell aufblähte, bevor seine Expansion in die heutige, sehr viel gemächlichere Ausdehnung überging. Da die Inflationshypothese einige Beobachtungen sehr elegant zu erklären vermag, hängen ihr heute fast alle Kosmologen an. Wenn sie richtig ist, wäre das Universum allerdings sehr viel größer als die Region, aus der seit dem Urknall Licht zu uns vordringen konnte. Vilenkin hält es nun für möglich, dass auch dieses enorme Universum nur eine von vielen Blasen in einem sich weiterhin exponentiell ausdehnenden Universum von Universen ist, einem Multiversum.

Auch andere Kosmologen halten eine solche "ewige Inflation" (die allerdings einen Anfang in der Zeit gehabt haben muss) für eine legitime Möglichkeit, obwohl ein Vilenkinsches Multiversum unendlich viele Universen umfassen müsste. Es ähnelte damit der Bibliothek von Babel, die Jorge Luis Borges beschreibt: Jedes Universum gäbe es unendlich oft, auch unseres, und damit gäbe es auch uns unendlich oft. Der umtriebige schwedisch-amerikanische Physiker Max Tegmark hat dieser Idee gehörige Medienpräsenz verschafft - zuweilen wurde sie sogar schon als wissenschaftliche Tatsache wahrgenommen. Dabei sind solche aktualen Unendlichkeiten in der Physik sonst immer ein Hinweis darauf, dass mit der zugrundegelegten Theorie etwas nicht stimmt.

Eine Sorte physikalischer Unendlichkeiten ist gerade Kosmologen ein besonderer Dorn im Auge: An der sogenannten Singularität - die sich im Moment des Urknalls ergibt, wenn man Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie auf das Weltall als Ganzes anwendet - werden Werte wie Dichte oder Temperatur unendlich. Schon lange wird erwartet, dass die Theorie der Quantengravitation, wenn es sie denn mal gibt, Einsteins Gleichungen durch Terme ergänzt, die erst nahe dem Urknall in Erscheinung treten und die Singularität verhindern. Martin Bojowald konnte 2001 zeigen, dass dies in der Schleifen-Quantengravitation tatsächlich geschieht - zumindest in einem Spezialfall. Sein kürzlich erschienenes Buch "Zurück vor den Urknall" ist die erste ausführliche populäre Darstellung der mathematisch haarsträubend anspruchsvollen Schleifentheorie - und trotzdem von bestechender Klarheit.

Dass ein Radiosender Bojowald allerdings schon zu "Einsteins Nachfolger" ausrief, dürfte dem jungen deutschen Physiker eher peinlich sein. Denn wenn sich die Schleifen-Quantengravitation einmal als richtig erweisen sollte, wird wohl eher Abhay Ashtekar Einsteins Krone erben, Bojowalds Chef an der Pennsylvania State University. Der gebürtige Inder hatte 1986 diesen Ansatz begründet, dessen wesentliche Komponente die Preisgabe der Vorstellung einer kontinuierlichen Raumzeit ist. Raum und Zeit sind in der Schleifentheorie diskret. Es gibt also minimale Volumen und minimale Zeitintervalle - und die sind auch der tiefere Grund dafür, warum es in diesem Ansatz keine Urknall-Singularität gibt.

Tatsächlich weisen Bojowalds Gleichungen sogar in ein Universum "vor dem Urknall", über das wir allerdings aus quantenphysikalischen Gründen so gut wie nichts erfahren können. Trotzdem sympathisiert Bojowald offen mit einem zyklischen, oszillierendem Universum, das sich in ewiger Wiederkehr ausdehnt und wieder kollabiert. Damit setzt er die lange Tradition von Kosmologen fort, für die ein Universum mit einem Anfang in der Zeit eine grauenhafte Vorstellung ist. Ein zyklischer Kosmos, der mit seinem ewigen Werden und Vergehen an den Wechsel der Jahreszeiten erinnert, ist offenbar für viele weltanschaulich akzeptabler. Allerdings hat der Amerikaner Richard Tolman 1931 gezeigt, dass die Zyklen eines oszillierenden Universums von einem Kollaps zum nächsten immer länger würden. In der Zeit zurückgerechnet, muss daher auch ein zyklisches Universum irgendwann einmal einen allerersten Anfang gehabt haben. Warum das in einem Schleifen-Quantenuniversum nicht auch gelten soll, wird bei Bojowald am Ende leider nicht so recht klar.

Kiefer, Vilenkin und Bojowald präsentieren Wissenschaft, aber keine wissenschaftlichen Wahrheiten. Sie zeigen lediglich die konzeptionell atemberaubend verschiedenen Möglichkeiten dafür, wie es sich mit dem Anfang der Welt verhalten könnte, wenn sich einmal zeigen ließe, dass der jeweilige Ansatz für eine Quantengravitation der richtige ist. Ob dann wissenschaftliche Fakten im herkömmlichen Sinn daraus würden, ist alles andere als klar. Ausgerechnet in dem heute populärsten Szenario, dem von Vilenkin, ist das eigentlich ausgeschlossen, da die ewige Inflation weder deduktiv aus der Stringtheorie folgt noch aus einem einzigen der Myriaden Paralleluniversen heraus induktiv erschlossen werden kann. Der Schluss auf solche eine Welt wäre immer nur abduktiv, wie der amerikanische Logiker Charles Sanders Peirce es genannt hat: Es kann so sein, aber auch ganz anders.

Alex Vilenkin: "Kosmische Doppelgänger". Springer, Heidelberg 2008.

Claus Kiefer: "Der Quantenkosmos". S. Fischer, Frankfurt 2008.

Martin Bojowald: "Zurück vor den Urknall". S. Fischer, Frankfurt 2009.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wer wissen will, muss auch glauben, meint Ulf von Rauchhaupt und empfiehlt uns das Buch des Physikers Claus Kiefer als so klugen wie verständlichen (nicht platten) Versuch, Gravitations- und Quantentheorie unter einen Hut zu bringen. Der Rezensent lobt Kiefers klaren Stil und seinen Begriff von Physik nicht als rundum erforschtes und verstandenes Feld. Fair, findet Rauchhaupt, dass der Autor dem Leser einen Überblick über Stringtheorie und Schleifen-Quantengravitation gewährt, bevor er seinen eigenen Weg der Quantenkosmologie geht, um zur Quantengravitation zu gelangen. Und hier erfährt der Rezensent, dass die Neigung zu einem bestimmten theoretischen Ansatz nicht naturwissenschaftlich begründet sein muss. Die tragende Rolle der Wellenfunktionen in Kiefers Kosmologie hält Rauchhaupt für reine Metaphysik.

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