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Sie begegnen sich zufällig: der Verleger und die Tänzerin. Er sucht Heilung im alten Kurhotel von Jáchymov und stößt dabei auf das Grauen dieses Ortes. Die Tänzerin beginnt ihm eine Geschichte zu erzählen, die sie ihr Leben lang begleitet hat. Es ist die Tragödie ihres Vaters. Als Torwart der tschechoslowakischen Eishockey-Nationalmannschaft seit den 1930er Jahren ein Star, konnten ihn seine Erfolge nicht vor der Willkürherrschaft des kommunistischen Regimes schützen. Dann wurde er verhaftet. Man deportierte ihn in die Arbeitslager von Jáchymov, einem Uranbergwerk in einem Tal des Erzgebirges.…mehr

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Produktbeschreibung
Sie begegnen sich zufällig: der Verleger und die Tänzerin. Er sucht Heilung im alten Kurhotel von Jáchymov und stößt dabei auf das Grauen dieses Ortes. Die Tänzerin beginnt ihm eine Geschichte zu erzählen, die sie ihr Leben lang begleitet hat. Es ist die Tragödie ihres Vaters. Als Torwart der tschechoslowakischen Eishockey-Nationalmannschaft seit den 1930er Jahren ein Star, konnten ihn seine Erfolge nicht vor der Willkürherrschaft des kommunistischen Regimes schützen. Dann wurde er verhaftet. Man deportierte ihn in die Arbeitslager von Jáchymov, einem Uranbergwerk in einem Tal des Erzgebirges. Nach fünf Jahren wird er amnestiert und als Todkranker entlassen. Seiner Familie bleibt nichts, als ihm beim langsamen Sterben zuzusehen. Die Tochter wird zur Chronistin einer ungewissen Erinnerung, der sie nicht mehr entkommen kann.

Josef Haslinger erzählt in seinem neuen Roman eine Familiengeschichte, verstrickt in die Tragödien des 20. Jahrhunderts.
Autorenporträt
Josef Haslinger, 1955 in Zwettl/Niederösterreich geboren, lebt in Wien und Leipzig. Seit 1996 lehrt Haslinger als Professor für literarische Ästhetik am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 1995 erschien sein Roman 'Opernball', 2000 'Das Vaterspiel', 2006 'Zugvögel', 2007 'Phi Phi Island'. Sein letztes Buch 'Jáchymov' erschien im Herbst 2011. Haslinger erhielt zahlreiche Preise, zuletzt den Preis der Stadt Wien, den Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels und den Rheingau Literaturpreis. 2010 war er Mainzer Stadtschreiber.

Literaturpreise:

Theodor Körner Preis (1980)
Österreichisches Staatsstipendium für Literatur (1982)
Förderungspreis der Stadt Wien (1984)
Stipendium des Deutschen Literaturfonds (1985)
Österreichisches Dramatikerstipendium (1988)
Elias Canetti-Stipendium der Stadt Wien (1993-94)
Stipendium des Deutschen Literaturfonds (1994)
Förderungspreis des Landes Niederösterreich für Literatur (1994)
Preis der Stadt Wien und Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels (2000)
Mainzer Stadtschreiber (2010)
Rheingau Literatur Preis (2011)
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.09.2011

Der Fehler von Davos
Als die Eishockey-Weltmeister von 1947 und 1949 verschwanden: Josef Haslingers neuer Roman „Jáchymov“
Die einen kamen von weit, weil sie Linderung chronischer Beschwerden suchten, die anderen wurden als Sträflinge hierher verfrachtet, um den Tod zu finden. Die Stadt im Erzgebirge, die in der k. u. k. Monarchie Joachimsthal hieß und seither Jáchymov heißt, war Kurort und Todeslager, und das hängt damit zusammen, dass das nahe Gebirge zwei seltene chemische Elemente birgt: Das Radium, mit dem die Thermalquellen versetzt sind, kann, gering dosiert, bei Entzündungen von Nerven und Gelenken eine heilende Wirkung entfalten; das Uran aber ist nicht zuletzt für die Herstellung atomarer Technologie und insbesondere für die Produktion von Atomwaffen unverzichtbar.
Schon die Nationalsozialisten trieben, als sie die Tschechoslowakei besetzten, gefangene tschechische Patrioten in die Stollen Jáchymovs, damit sie dort Uranerz für den Endsieg schürften. Nach 1945 schufteten in denselben Stollen sudetendeutsche Häftlinge für den Aufbau einer freien Tschechoslowakei, und 1948, nachdem die tschechischen Stalinisten und ihre sowjetischen Herrn den Staat in Besitz genommen hatten, waren es vermeintliche und tatsächliche Gegner der Kommunisten, die in den Berg gejagt wurden. Mit bloßen Händen mussten sie den giftigen Stoff zu Tage fördern, den die sowjetische Militärindustrie benötigte; kaum einer von ihnen überlebte die Zwangsarbeit länger als ein paar Jahre. Zehntausende ihrer Landsleute haben die tschechischen Kommunisten planmäßig dafür geopfert, dass die sowjetische Armee binnen weniger Jahre zur atomaren Supermacht aufgerüstet werden konnte.
Dies ist der historische Hintergrund von Josef Haslingers neuem Roman „Jáchymov“, in dem der Autor erschütternde Dokumente und kaum bekannte Fakten aufbietet, um eine Geschichte zu erzählen, die es wahrlich wert ist, erzählt zu werden. Bogumil Modrý war der Torwart jener tschechischen Eishockeymannschaft, die 1947 und 1949 die Weltmeisterschaft und 1948 die Silberne Medaille der Olympischen Spiele gewann. Als die rücksichtlose Stalinisierung einsetzte, war es für die Spieler verlockend, sich bei einem Turnier im Ausland abzusetzen.
Und tatsächlich hat die Mannschaft, nachdem sie in Davos den Spengler-Cup gewonnen hatte, darüber debattiert, ob sie nicht geschlossen in der Schweiz um Asyl ansuchen sollte. Die Abstimmung endete mit dem schönen Eishockeyergebnis von 8:6 für die gemeinsame Heimkehr, die alle ins Verderben führte. Denn in Prag geschah etwas, das in der Sportgeschichte einzigartig geblieben ist: „Die ganze Nationalmannschaft ist verhaftet worden. Mein Vater war der Torwart.“
Die Tochter des Torwarts, deren Zeugnis den überwiegenden Teil des Romans ausmacht, ist eine filigrane Tänzerin mit eisernem Willen, die zeitlebens vom Schicksal des Vaters nicht loskommt – vom Sturz eines gefeierten Stars, der über Nacht zum Volksfeind erklärt und in das Lager von Jáchymov gesteckt wurde; nach fünf Jahren entlassen, starb er vor der Zeit in trauriger Sanftmut dahin. Die Tochter ist dem vor Jahrzehnten gestorbenen, nein umgebrachten Vater in berührender Liebe zugetan, alles will sie wissen, was ihm widerfahren ist, selbst den Stollen, in dem seine Gesundheit zerstört wurde, sucht sie auf.
Aus ganz anderen Gründen ist Anselm Findeisen nach Jáchymov gekommen, der Wiener Verleger leidet am Morbus Bechterew, dieser ungemein schmerzhaften Verkrümmung des Rückgrats. Ein Kuraufenthalt, das tägliche Bad in den radiumhaltigen Thermalquellen sollen seine Genesung bewirken. Die Tochter des tschechischen Tormanns, der sich hier vor fünfzig Jahren seine tödliche Krankheit zugezogen hat, und der Verleger, der zu gesunden oder wenigstens seine Schmerzen loszuwerden hofft, laufen einander im Hotel über den Weg, kommen ins Gespräch und einander nahe. Der Österreicher ermuntert die Tschechin, ihre Geschichte und die ihres Vaters aufzuschreiben und in seinem Verlag zu veröffentlichen.
Was wir lesen, ist das Manuskript, das die Tochter nach einigem Zaudern tatsächlich verfasst, und in ihren Bericht sind Passagen eingestreut, in denen ein namenloser Erzähler uns allzu diskret davon unterrichtet, wie es mit der Tänzerin und dem Verleger weiterging. Leider nicht sehr weit. Denn Haslinger verzichtet darauf, ihre Geschichte auszubreiten. Dabei wäre das eine interessante Konstellation gewesen: der alternde, von seiner Frau getrennt lebende Verleger, den sein kranker Körper schmerzt – und die mädchenhafte Tänzerin, die den ihren kasteit und ganz der schwärmerischen Liebe zum toten Vater lebt. Haslinger geht es aber nicht um diese Beziehung, sondern um das Schicksal des Tormanns, der vollkommen schuldlos verhaftet wurde, um die unerhörte Geschichte jener Weltmeister, die am Gipfel ihres Ruhmes für Jahre in Gefängnissen und Lagern verschwanden. Und es geht ihm um den tschechischen Gulag namens Jáchymov, der exakt nach dem Muster der Konzentrationslager aufgebaut war. Sogar der einstige „Appellplatz hieß jetzt Apel Plac. Und über dem Eingang stand: Durch Arbeit zur Freiheit.“
In Jáchymov schufteten sich antifaschistische Arbeiter, die ihre Inhaftierung bis zuletzt für einen Irrtum hielten, fortschrittliche Schriftsteller wie Jan Zahradnicek und volkstümliche Helden wie Bohumil Modrý und seine Eishockeykameraden zu Tode. Warum gerade die Weltmeister in die Maschinerie der Verfolgung gerieten? Zum einen wollten die tschechischen Kommunisten, Verräter auf ganzer Linie, die große UdSSR nicht dadurch kränken, dass die eigene Mannschaft womöglich die der brüderlichen Vormacht auf dem Eis besiegt hätte! Und zum andern waren die Sportler, denen der Prozess gemacht wurde, so berühmt, dass künftig in der Volksdemokratie die nackte Angst regierte. Wenn man eine ganze Nationalmannschaft verhaften kann, dann ist niemand davor sicher, verhaftet, deportiert, liquidiert zu werden.
Haslinger hält sich treu an die Fakten, an Gerichtsprotokolle, Dokumente und vor allem an die Erinnerungen von Modrýs Tochter, die als Schauspielerin in Wien lebt. Im Roman wird aus ihr eine Tänzerin und, wie es in der kurzen Nachbemerkung heißt, eine „Tochterfigur“, die „der literarischen Fiktion geschuldet ist“. Sieht man von der Rahmenhandlung ab, hat sich der Autor nicht viele der Freiheiten genommen, die die Gattung des Romans gewährt. „Jáchymov“ changiert zwischen Dokumentation, Chronik, Erzählung und mit dieser Prosa zwischen den Genres errichtet Haslinger einem aufrechten Mann, dessen Leben von Verrat und Verbrechen zerstört wurde, ein würdiges Denkmal. Legendär waren seine Elegance, seine Fairness, sein Charme – Bohumil Modrý war der beste Tormann seiner Zeit und eines von Millionen Opfern des Stalinismus.
KARL-MARKUS GAUSS
JOSEF HASLINGER: JÁCHYMOV. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2011. 271 Seiten, 19,95 Euro.
„Die ganze Nationalmannschaft
ist verhaftet worden.
Mein Vater war der Torwart“
Haslinger hat sich nicht viele
der Freiheiten genommen,
die die Form des Romans gewährt
Wer ihn verhaften kann, den muss jeder Bürger fürchten: Der tschechische Eishockey-Nationaltorwart Bohumil Modrý im Februar 1949 bei der Triumphfahrt mit dem Weltmeisterpokal durch die Straßen von Prag. Foto: picture-alliance/CTK
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2011

Die beste Waffe des Sozialismus war die Hoffnung

Vom Heilbad zur Folterkammer: Josef Haslinger erzählt die Geschichte des tschechoslowakischen Eishockeyspielers Bohumil Modrý, der seinem Land zum Opfer fiel.

Jáchymov im böhmischen Erzgebirge, vormals Sankt Joachimsthal, ist das älteste Radiumsol-Heilbad der Welt. Später fanden dort auch politische Kuren statt. Häftlinge wurden in den Stollen des Uranbergbaus zu Tode geschunden. Mit bloßen Händen mussten sie das radioaktive Erz sammeln. In Josef Haslingers neuem Roman geht es um wenig bekannte Verbrechen der stalinistischen Ära, fünf Kilometer hinter der deutschen Grenze.

Die Hauptfigur ist keine erfundene, aber eine legendäre Gestalt: der 1916 geborene Eishockey-Torwart Bohumil Modrý, der seit 1938 erst mit LTC Prag und dann, nach dem Krieg, im tschechoslowakischen Nationalteam zahlreiche Turniere gewann. Zweifacher Weltmeister und Olympiasieger im GULag - eine historische Pointe, wie man sie bisher nicht kannte. Eine Sieger-Mannschaft, der kürzlich noch Minister die Hände geschüttelt hatten, Idole des Volkes, nun der Folter ausgeliefert, körperlich ruiniert durch Hungerrationen und Doppelschichten.

Die Machthaber wollten damals noch um jeden Preis die Demütigung vermeiden, dass ihre Spieler-Stars in den Westen türmen, und zugleich die Untertanen effektiv einschüchtern. So leitete die Maschinerie der sozialistischen Klassen-Justiz aus ein paar demokratischen Anwandlungen - ein bisschen Renitenz bei einer Sportlerfeier - hochverräterische Verbrechen ab. Und verurteilte Modrý und sein Team 1950 exemplarisch zu Höchststrafen: fünfzehn Jahre Kerker und Zwangsarbeit in den Stollen von Jáchymov, wo Menschen dem sowjetischen Hunger nach Uran aufgeopfert wurden. Aus dem Heilbad mit Grandhotel war ein System von Konzentrationslagern geworden, das die Infrastruktur des Terrors, wie sie von den Nazis eingerichtet worden war, unbedenklich weiter nutzte.

Es war die Tragik Modrýs, dass er seinem Land die Treue hielt. Er ließ die Gelegenheit, als Profi nach Kanada zu gehen, mehrfach verstreichen. Auch seinen Hauptberuf als Bauingenieur hätte er in Kanada wieder ausüben können, während er daheim mit seinem Job als Ziegelei-Verwalter unzufrieden war. Staatsvertreter sicherten ihm kulant zu, dass er gern ein paar Jahre ins Ausland gehen könne. Und so kehrte Modrý mit seiner Mannschaft immer brav von internationalen Turnieren zurück. Die Zeit der schlimmsten Verfolgungen und Säuberungen war perfiderweise zugleich die Phase der stärksten Aufbau-Euphorie. An einer Stelle des Romans heißt es: Der Sozialismus hatte bessere Waffen als Panzer und Maschinengewehre, er hatte die Hoffnung. Die hat Modrý zur Strecke gebracht.

Es ist ein dokumentierter Fall aus der Schreckensgeschichte des 20. Jahrhunderts - aber wie macht Haslinger Literatur daraus? Es gibt eine Rahmenhandlung, die nah an der Gegenwart spielt. Deren Hauptfigur ist der Kleinverleger Anselm Findeisen, ein geplagter Mann, der durch seine Vergangenheit als DDR-Dissident und vor allem auch durch sein Rückenschmerz-Martyrium motivisch mit Modrý verbunden wird. Er leidet an einer "Bambuswirbelsäule" (Morbus Bechterew), und ein befreundeter Arzt, selbst ein Alkoholwrack, verschreibt ihm eine Kur in Jáchymov. Dort trifft er die Tochter Modrýs, eine Tänzerin, die gerade familienforschend unterwegs ist und die Stollen des Schreckens besichtigt. Sie erzählt dem Verleger davon, und Findeisen hat ein ergiebiges Erz gefunden: Er drängt sie, die Geschichte ihres Vaters aufzuschreiben. Haslingers Roman präsentiert die historischen Ereignisse um Bohumil Modrý fortan häppchenweise als Manuskriptlektüre Findeisens.

Die Tochter, die anfangs als bloßes Scharnier zu dienen scheint, um die Geschichte Bohumil Modrýs in Bewegung zu bringen, wird von Kapitel zu Kapitel als eigenständige Figur plausibler: mit ihrem Schmerz und ihrer Wut, die nicht vergehen. Ihr biographisches Trauma ist eine Kindheit in Angst und eine Sehnsucht nach dem Vater, die unstillbar bleibt. Diese politisch bedingte Vater-Verstörung wird von Haslinger mittels eindrücklicher Albtraum-Sequenzen illustriert und dadurch immer nachfühlbarer - bis hin zum anrührenden Finale, das mit knappen Worten schildert, wie die Tochter als junge Frau das Siechtum des radioaktiv verstrahlten Vaters miterlebt. Modrý wurde 1955 vorzeitig entlassen, er starb 1963, mit sechsundvierzig Jahren.

Weniger mitreißend lesen sich die Passagen über Eishockey. Offenbar hat Haslinger während der Arbeit an diesem Roman eine schwere Puck-Passion entwickelt. Nun unterrichtet er seine Leser allzu detailliert über die Geschichte dieses Sports in der Tschechoslowakei, über einzelne Turniere, über die Mannschaftaufstellungen, Spielverläufe und Ergebnisse. Sport in der Literatur: Das geht meist nicht gut, und diese Weitschweifigkeiten belasten das Buch unnötig.

Auch die formale Zwitterhaftigkeit des Buches ist problematisch. Eine Hälfte Fiktion, eine Hälfte Dokumentation - daraus ergibt sich nicht zwangsläufig eine runde Sache namens Doku-Fiktion. Die Konstruktion der Rahmenhandlung wirkt behelfsmäßig; und wenn das historische Geschehen auf dem Weg der fingierten Lektüre eines aufregenden "Manuskripts" präsentiert wird, ist das erzähltechnisch ein alter Hut. Die Kapitel über Modrý und den tschechoslowakischen Stalinismus lesen sich darüber hinaus oft wie Sachbuch-Material, dessen Transformation ins Literarische nicht schlackenlos gelungen ist. So wird man mit der Form des Buches nicht wirklich glücklich, auch wenn Findeisen und Modrý als Spiegel-Gestalten überzeugend durch ihr Körperelend verbunden sind und die Doppelgesichtigkeit Jáchymovs als Ort von Kuren und Torturen auf diese Weise gut in Szene gesetzt wird. Auch Findeisens Siechtum, die Gewebezerstörung in seinem Rücken, ist durch Krankengymnastik ja nur zu verzögern.

Doch bei allen Einwänden liest man das Buch dank seines thematischen Gewichts mit Gewinn. Josef Haslinger, der seine Bücher seit dem Bestseller "Opernball" mit gründlicher Recherche fundiert, hat sich in den toten Winkel der Geschichte hinter dem Eisernen Vorhang begeben. Da gibt es noch einiges zu tun für Aufklärer.

WOLFGANG SCHNEIDER

Josef Haslinger: "Jáchymov". Roman.

S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2011. 272 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sichtlich beeindruckt ist Karl-Markus Gauß von Josef Haslingers neuem Roman "Jachymov". Basierend auf historischen Quellen erzählt das Buch von einem wenig bekannten Kapitel des Stalinismus: der Verhaftung der gesamten tschechischen Eishockey-Nationalmannschaft, die 1947 und 1949 Weltmeister war. Sie hatte bei einem Auswärtsspiel in Davos darüber debattiert, ob sie sich geschlossen in den Westen absetzen sollte, aber mit 8:6 dagegen gestimmt. Abgesehen von der Rahmenhandlung scheint ihm der Roman, changierend zwischen Dokumentation, Chronik und Erzählung, sehr nah an den Quellen. Vor allem setzt das Werk dem Torwart der Eishockey-Nationalmannschaft, Bohumil Modry, der zu fünf Jahren Zwangsarbeit im Uranstollen von Jachymov verurteilt wurde, ein "würdiges Denkmal".

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