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Warum ausgerechnet Kafka? Weil Kafka von großer Klarheit ist, egal wie unwahrscheinlich seine Geschichten sind. Ein Mann verwandelt sich in ein Ungeziefer? Unmöglich, und doch gibt es nichts Gewisseres, nichts Packenderes. Was Kafka schreibt, ist, was es ist - es gibt kein Jenseits der Sprache, keine Bedeutung, die außerhalb des Gesagten liegt. Georges-Arthur Goldschmidt nimmt Kafka beim Wort. Aus diesem Wörtlichnehmen ist eine erstaunliche Lektüre Kafkas entstanden, die einem die Sprache verschlägt. Goldschmidt denkt scharf wie ein Messer und schreibt leidenschaftlich wie ein Liebhaber.…mehr

Produktbeschreibung
Warum ausgerechnet Kafka? Weil Kafka von großer Klarheit ist, egal wie unwahrscheinlich seine Geschichten sind. Ein Mann verwandelt sich in ein Ungeziefer? Unmöglich, und doch gibt es nichts Gewisseres, nichts Packenderes. Was Kafka schreibt, ist, was es ist - es gibt kein Jenseits der Sprache, keine Bedeutung, die außerhalb des Gesagten liegt.
Georges-Arthur Goldschmidt nimmt Kafka beim Wort. Aus diesem Wörtlichnehmen ist eine erstaunliche Lektüre Kafkas entstanden, die einem die Sprache verschlägt. Goldschmidt denkt scharf wie ein Messer und schreibt leidenschaftlich wie ein Liebhaber. 'Kafka lesen' ist ein mitreißendes Plädoyer für einen der größten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.

Eine kleines Juwel am literarischen Himmel. Als würde man Kafka zum ersten Mal lesen.
Autorenporträt
Georges-Arthur Goldschmidt, 1928 in Reinbek bei Hamburg geboren, musste als Zehnjähriger in die Emigration nach Frankreich gehen. Er lebt heute in Paris. Für sein umfangreiches Werk wurde er u.a. mit dem Bremer Literatur-Preis, dem Nelly-Sachs-Preis und dem Joseph-Breitbach-Preis ausgezeichnet. Im November 2013 erhielt er den Prix de L¿Académie de Berlin. Zuletzt erschienen seine Erzählungen »Der Ausweg« und »Die Hügel von Belleville«. Brigitte Große wurde für ihre Übersetzungen aus dem Französischen mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Zuletzt übersetzte sie Sorj Chalandon »Mein fremder Vater«, Amélie Nothomb »Töte mich«, Gaël Faye »Kleines Land« (zusammen mit Andrea Alvermann).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.01.2011

Der undurchdringliche Spiegel
Georges-Arthur Goldschmidt und sein Kafka-Buch „Meistens wohnt der den man sucht nebenan“
Was machen Sie denn so?, fragt der eine Partygast den anderen. Oh, sagt dieser leichthin, ich schreibe gerade ein Buch über Kafka. Und schon ist er eine Figur in einem Cartoon, ein Strichmännchen der Aussichtslosigkeit. Im nächsten Bild wird die große Woge all der anderen Strichmännchen, die gerade ein Buch über Kafka schreiben, über ihm zusammenbrechen. Die Komik des Strichmännchens – und die Aussichtslosigkeit seines Unterfangens – geht aber nur auf den ersten Blick aus der schieren Menge der Schriften über Kafka hervor.
Das durch die unablässig wachsende Kafka-Bibliothek wispernde „Gib’s auf!“ kommt aus dem Werk, nicht lediglich aus der Rezeption. Denn Kafkas Texte legen es nicht nur dort, wo sie ihren Parabel- oder Gleichnischarakter betonen, darauf an, ihre Leser in Deutungsprobleme zu verstricken – und arbeiten gnadenlos daran, jeden Interpreten als eine komische Figur der Aussichtslosigkeit erscheinen zu lassen. Selbst denjenigen, der eine Anleitung darüber verfasst, wie man es als Kafka-Leser schaffen kann, sich nicht in das Deutungsspiel verwickeln zu lassen.
Kürzlich hat der deutsch-französische Autor Georges-Arthur Goldschmidt ein Buch über Kafka veröffentlicht. Der Titel ist ein – auf dem Umschlag als Faksimile der Handschrift gedrucktes – Zitat aus Kafkas Tagebüchern: „Meistens wohnt der den man sucht nebenan.“ Der Untertitel lautet: „Kafka lesen.“ Das Zitat sieht aus, als wolle es die Gefahr, die jedem Kafka-Buch droht, durch Benennung bannen: Kafka zu verfehlen. Zum Untertitel gehört seine mit unsichtbaren Lettern geschriebene Fortsetzung: Kafka lesen – aber nicht interpretieren, nicht deuten.
Wer Georges-Arthur Goldschmidt bei dieser Lektüre folgt, der stößt irgendwann auf die Vision eines vollständigen Deutungsverzichtes: „Man könnte Kafkas Schriften insgesamt zitieren, denn der Kommentar, die Deutung, die am exaktesten das trifft, was man über Kafka sagen wollte, bestünde darin, sie Wort für Wort abzuschreiben.“
Dieses Kopier-Buch belässt Goldschmidt im Konjunktiv, er hat es nicht geschrieben. Aber er zitiert ganze Texte Kafkas in sein Buch hinein – so die berühmte Parabel „Vor dem Gesetz“ – und ist durchgängig bemüht, seine Kommentare in die Form der Paraphrase dessen zu hüllen, was in Kafkas Texten erzählt, erwogen, bedacht, ins Paradox getrieben wird. Nur wenige, sparsam gesetzte Fußnoten erlaubt sich Goldschmidt, die internationale Forschungsliteratur über Kafka ignoriert er nahezu vollständig.
Er kann sich das erlauben. Denn er geht einen der Wege, die dem Autor eines Kafka-Buches bleiben, will er dem Strichmännchen-Schicksal entkommen: Er wird nicht zum Interpreten Kafkas, sondern zum Deuter seiner selbst, des Kafka-Lesers Goldschmidt. Diesen Leser, das sagt er gleich zu Beginn, gibt es seit dem Sommer 1950, seit er in einem Garten bei Kitzeberg in Kiel für sich den Roman „Der Proceß“ entdeckte: „Das war ein denkbar unangemessener und unerwarteter Ort für eine Kafka-Lektüre – mitten in Norddeutschland, in einer der damals uneinnehmbarsten Bastionen der Nazinostalgie.“ Dies ist, ohne das aufdringlich hervorzukehren, ein Buch über Kafka nach dem Holocaust.
Goldschmidt, der 1928 in Reinbek bei Hamburg als Sohn eines Oberlandesgerichtsrates in eine assimilierte jüdische Familie hineingeboren wurde, war 1938 mit seinem Bruder von den Eltern ins Ausland geschickt worden. Über Florenz gelangte er in ein französisches Internat in den Savoyen, studierte nach dem Krieg an der Sorbonne in Paris Germanistik, nahm die französische Staatsbürgerschaft an, wurde Lehrer und blieb es bis 1992.
Mit den Jahren wurde er dann, vor allem seit er die fünfzig überschritten hatte, zum Übersetzer aus dem Deutschen ins Französische (unter anderem von Goethe, Kafka und Handke) und zum Autor eigener, auf Deutsch wie auf Französisch verfasster Bücher. Diese Bücher – von „Ein Garten in Deutschland“ bis „Die Befreiung“ – haben einen gemeinsamen Kern: die Erfahrungen des heranwachsenden Emigranten in den Bildungsinstitutionen, in die er gerät.
Ein großer Internatsroman ist in diesen Büchern enthalten, ein Roman des sexuellen Erwachens, beide greifen ineinander, und ihr Schauplatz ist eine Welt, in der die Prügelstrafe allgegenwärtig und es sehr leicht ist, zum Außenseiter zu werden. Im Kafka-Leser Goldschmidt ist der Autor Goldschmidt anwesend und mit ihm der peitschenerfahrene Held seiner Bücher. Man begegnet ihm zwischen den Zeilen dieses Kafka-Buches, wenn es sich den Straf- und Folterritualen zuwendet, etwa im Blick auf das fünfte Kapitel im Roman „Der Prozeß“, oder wenn es Rimbauds Satz „Am ganzen Körper werde ich mir Wunden schneiden“ zitiert und fortfährt: „Der Jugendliche, der den grandiosen Gebrauch des eigenen Körpers, das augenfällige Wunder entdeckt hat, wird dafür ausgepeitscht. Das ist der Sündenfall: Ich bin schuldig, meinen Körper zu kennen. Der Fehler Josef K.s ist Josef K. selbst.“
Goldschmidts Buch beginnt mit einer Vergewisserung über die Verrückungen, die „Initialereignisse“, aus denen Kafkas Erzählungen und Romane hervorgehen: der Schlag ans Hoftor, die Verhaftung, die zunächst nichts ändert, der Ruf zum Bett eines Kranken. Es demonstriert in seinen Paraphrasen und Kommentaren die Einheit von vollkommener Klarheit und vollkommener Undurchdringlichkeit der Prosa Kafkas: „Man weiß von Kafka nur, wie er es erzählt, nicht aber, was er erzählt, das bleibt dem Erzähler wie auch dem Leser unerreichbar, denn es existiert nur in der Form, in der es erzählt wird, und zwar als Erzählung.“
Der kluge Kafka-Leser Walter Benjamin hat auf die Undurchdringlichkeit Franz Kafkas mit dem Gegenzauber einer erfundenen Kafka-Legende geantwortet: „Sein Leben lang quälte er sich zu erfahren, welchen Kopf er wohl haben könnte, da er nie erfuhr, dass es Spiegel gab.“ Goldschmidt hat es anders gemacht: Er hat Kafka in einen Spiegel verwandelt.
LOTHAR MÜLLER
GEORGES-ARTHUR GOLDSCHMIDT: Meistens wohnt der den man sucht nebenan. Kafka lesen. Aus dem Französischen von Brigitte Große. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2010. 141 Seiten, 16,95 Euro. 
Georges-Arthur Goldschmidt im Jahr 2007. Foto:SZ-Photo, Jürgen Bauer
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.03.2011

Unheilbar uneinholbar

Gleich beim ersten Satz von Kafkas Erzählungen und Romanen stürzt jeweils mit dem "Initialereignis" das gerade noch milliardenfach Mögliche aus der Zeit ins nie Geschehene - so lautet der Grundgedanke, der über allen sieben Themenkapiteln dieses Buchs kreist. Josef K. ist nun einmal verhaftet, Gregor Samsa nun einmal ein Käfer - weshalb und woher auch immer. "In Kafkas Erzählungen ist immer alles selbstverständlich und nichts natürlich." Der Autor und Kafka-Übersetzer Georges-Arthur Goldschmidt hat tief in seine Lese- und Arbeitsnotizen gegriffen. Er kombiniert, assoziiert, spekuliert, dass es in der paradoxen Selbstverständlichkeit von Kafkas Geschichten immerfort knackt. Das ist in den zahlreichen Detailbeobachtungen interessant, gerät aber selbst bald in jene Kreisbewegung, die sich ständig einredet, auf Kafkas Texte gebe es nichts zu sagen, deren Sprache verschlucke immerfort sich selbst und nehme jedem Kommentar den Wind aus den Segeln. Auf Französisch hat diese Beredtheit des Nichtsagenkönnens Stil, auf Deutsch tappt sie, trotz allem Talent der Übersetzerin, ins Kreisen ums eigene Selbst, nicht unähnlich dem, das Goldschmidt bei Kafkas Figuren ausmacht: "Ich bin, was mich bewegt, ich komme nicht voran, ich bin mir voraus, uneinholbar." (Georges-Arthur Goldschmidt: "Meistens wohnt der den man sucht nebenan". Kafka lesen. Aus dem Französischen von Brigitte Große. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2010. 141 S., geb., 16,95 [Euro].) han.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Noch ein Buch über Kafka? Ja, meint Rezensent Lothar Müller, aber kein weiterer Beitrag zur inzwischen end- und uferlosen Sekundärliteratur. Sondern ein Buch von Georges-Arthur Goldschmidt, dem Nazi-Überlebenden, dem Handke-Übersetzer, dem stets autobiografisch verfahrenden Autor. Und so ist auch das ein Buch nicht über Kafkas Texte per se - so gut und genau und seit Ewigkeit schon der Verfasser sie kenne -, sondern über Goldschmidts Lektüren, ihre Umstände und deren Folgen. Eine Anschmiegung an die Texte, die nicht auf Deutung hinauswill, sondern paraphrasiert, die das eigene Leben an die Romane und Erzählungen rückt, ohne dabei je aufdringlich zu sein. So geht, preist Müller, Goldschmidt in keine der Fallen, mit denen Kafkas Werk inzwischen umstellt ist. Vielmehr gelinge dem Autor eine Wendung eigener Art: "Er hat Kafka in einen Spiegel verwandelt."

© Perlentaucher Medien GmbH
Noch ein Buch über Kafka? Ja, meint Rezensent Lothar Müller, aber kein weiterer Beitrag zur inzwischen end- und uferlosen Sekundärliteratur. Sondern ein Buch von Georges-Arthur Goldschmidt, dem Nazi-Überlebenden, dem Handke-Übersetzer, dem stets autobiografisch verfahrenden Autor. Und so ist auch das ein Buch nicht über Kafkas Texte per se - so gut und genau und seit Ewigkeit schon der Verfasser sie kenne -, sondern über Goldschmidts Lektüren, ihre Umstände und deren Folgen. Eine Anschmiegung an die Texte, die nicht auf Deutung hinauswill, sondern paraphrasiert, die das eigene Leben an die Romane und Erzählungen rückt, ohne dabei je aufdringlich zu sein. So geht, preist Müller, Goldschmidt in keine der Fallen, mit denen Kafkas Werk inzwischen umstellt ist. Vielmehr gelinge dem Autor eine Wendung eigener Art: "Er hat Kafka in einen Spiegel verwandelt."

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