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Warum wir unsere Zukunft schwarz malen
Unsere Gegenwart gefällt sich darin, Zukunft als Katastrophe zu denken, in Kino, Wissenschaft und Literatur. Eva Horn geht der Geschichte und den Motiven dieses modernen Katastrophenbewusstseins nach. Sie legt dabei die biopolitischen Konflikte frei, die in den Untergangsszenarien - von der Verdunklung des Globus über den Atomtod bis zum Klimawandel - ausgetragen werden. Sie zeigt aber auch, wie in den Rufen nach Sicherheit und Prävention Fiktionen wirksam sind, die man als solche begreifen und analysieren muss. Die künftige Katastrophe zu entziffern…mehr

Produktbeschreibung
Warum wir unsere Zukunft schwarz malen

Unsere Gegenwart gefällt sich darin, Zukunft als Katastrophe zu denken, in Kino, Wissenschaft und Literatur. Eva Horn geht der Geschichte und den Motiven dieses modernen Katastrophenbewusstseins nach. Sie legt dabei die biopolitischen Konflikte frei, die in den Untergangsszenarien - von der Verdunklung des Globus über den Atomtod bis zum Klimawandel - ausgetragen werden. Sie zeigt aber auch, wie in den Rufen nach Sicherheit und Prävention Fiktionen wirksam sind, die man als solche begreifen und analysieren muss. Die künftige Katastrophe zu entziffern bedeutet nämlich immer, eine Geschichte schon zu Ende zu erzählen, die sich erst noch ereignen soll.

"Wer gelernt hat, die Werke der Literatur genau zu lesen, das führt Eva Horn mit ihrer Studie eindrucksvoll vor, der hat auch eine Chance, die Legenden und Fiktionen genauer zu erfassen, die in der Politik verbreitet werden."
Der SPIEGEL über "Der geheime Krieg" von Eva Horn
Autorenporträt
Horn, Eva
Eva Horn, geboren 1965 in Frankfurt am Main, studierte Germanistik, Allgemeine Literaturwissenschaft, Romanistik und Philosophie in Bielefeld, Konstanz und Paris. Nach der Promotion unterrichtete sie an den Universitäten Konstanz und Frankfurt/Oder sowie an der New York University. Nach der Habilitation war sie Professorin am Deutschen Seminar der Universität Basel und ist gegenwärtig Professorin am Institut für Germanistik der Universität Wien. Im S.Fischer Verlag ist zuletzt erschienen 'Der geheime Krieg. Verrat, Spionage und moderne Fiktion' (2007).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Eva Berger empfiehlt diese Lektüre allen Fans katastrophischer Unterhaltung. Allerdings warnt sie zusammen mit der Autorin Eva Horn auch davor, moderne Untergangsfiktionen nicht ernst zu nehmen. Immerhin lässt sich aus ihnen etwas lernen - fürs Jetzt vor allem, findet Berger. Als Gegenwartsdiagnose funktioniert Horns Arbeit über die Darstellung der Apokalypse in der Literatur seit der Romantik und im heutigen Kino laut Rezensentin nämlich richtig gut. Nicht zuletzt, da die Fiktion, anders, als die Wissenschaft, über das bloße Futur hinauszuweisen und die Welt nach der Katastrophe zu schildern vermöge. Wenn die Autorin diese Kunst historisch facettenreich auslotet, Szenarien des Kalten Krieges wie des Klimawandels analysiert und von Dr. Seltsam über Roland Emmerich bis Spielberg den tragischen Kern apokalyptischer Visionen freilegt, lernt Berger eine ganze Menge über Blindheit und Sehen prophetischen Wissens und die Möglichkeiten bzw. Unmöglichkeiten des Eingreifens in unser Schicksal.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.2014

Das Publikum bevorzugt wohlige Schauer

Von unserer schrillen Lust am Weltuntergang profitiert eine ganze Industrie: Eva Horn arbeitet sich durch Szenarien globaler Katastrophen-Fiktionen.

Es liegt auch im Weltuntergang eine Art Trost. Was stört am Tod, ist ja weniger das Ende der eigenen Existenz als das rücksichtslose Überleben der anderen. Das macht den Gedanken an eine Zukunft ohne den Menschen attraktiver als den an eine Menschheit ohne die eigene Person. Der Weltuntergang - ein Idealfall vollständiger Inklusion. Hans Blumenberg hat diesen Gedanken als Erster formuliert.

Es ist ein koketter Gedanke, der genau das Übermaß an Kultur über das Existentielle zeigt, das in der Katastrophe so leicht über Bord geworfen werden soll. Und er wäre nicht so verlockend, gäbe es nicht noch einen Beobachter zweiter Ordnung, der, einsam über die Savannen streifend, die Ruinen der Zivilisation in stoischer Ruhe betrachtet. Dieser letzte Mensch gehört zum Stammpersonal der Katastrophenfiktionen, die Kino und Literatur in letzter Zeit verstärkt heimsuchen.

Die Wiener Literaturwissenschaftlerin Eva Horn hat diese Katastrophenschwemme durchgearbeitet und zu einer gewichtigen Studie gebündelt, die von den romantischen Untergangsvisionen über die Planspiele des Kalten Krieges bis zu den Blockbustern des Hollywoodkinos reicht. Am Ende steht Cormac McCarthys Roman "The Road" (2006), in dem ein Vater mit seinem Sohn durch eine aschgraue postapokalyptische Landschaft stapft.

Die ersten Fragen liegen auf der Hand: Warum stellt sich die Gegenwart die Zukunft so gern als Schreckbild vor? Und weshalb erscheint die Welt nach dem Untergang so oft als grasiges Idyll? Horn gibt zwei Antworten: Erstens steht die Katastrophenflut für die Abrechnung mit der Modernisierungstheorie und ihrem Fortschrittsglauben. Zweitens geht es um Katastrophenkonsum im Kinosessel. Wir genießen den wohligen Schauer, wenn die Welt auf der Leinwand in Schutt und Asche gelegt wird, und hoffen, dass die wirkliche noch etwas bleiben darf.

Vorrangig geht es Horn aber um die überlegene Erkenntnis der Katastrophenfiktion. Über das Weltende und die Zeit danach kann schließlich nur das fiktionale Genre etwas sagen. Diese Vorstellungen sind keine freie Phantasie, sie verändern ihre Form mit dem Stand des Wissens, nehmen aktuelle Ängste vor Epidemien, Klimaveränderungen, knappen Ressourcen auf und sagen etwas über latente Gefahren und existentielle Werte, wo andere Gattungen schweigen müssen. Die Unruhe über das Hypothetische der Zukunft zu beruhigen ist nicht die unwichtigste Funktion.

Horn lässt diese Unruhe vor gut zweihundert Jahren beginnen, als die Aufklärung den eschatologischen Rahmen durchbrach und die Zukunft in die Hand des Menschen legte. Vorbei war es mit Schicksal und letztem Gericht. Die Aufklärung knüpft daran große Hoffnungen, die Romantik erschrickt über den leeren Horizont. In gebotener Drastik formuliert es Lord Byrons Langgedicht "Darkness", ein dunkler Albtraum mit düsterer Aussicht: Der letzte Mensch erweist sich als wild um sich beißender Kannibale.

Die Katastrophe wird weltlich. Schon in Byrons Unheilspoesie floss reale Erfahrung ein: Das Entstehungsjahr 1816 war von ungewöhnlichen klimatischen Schwankungen durchzogen. Ganz in der Regie des Menschen ist die Zukunft schon in François des Grainvilles Roman "Le dernier homme", in dem sich die Titelfigur zum Fortpflanzungsverzicht entschließt, in der Ahnung, ein möglicher Nachfolger werde nur noch böser sein.

Das Atomzeitalter macht die ultimative Vernichtung als Option menschlichen Handelns vollends real. Atomstrategen entwerfen ihre Kalküle über Vernichtung und Absicherung durch die Bombe. Der Fiktion schreibt Horn die Rolle zu, die strategische Rationalität zu unterlaufen und die obszöne Katastrophenlust hinter dem Atomkonflikt aufzudecken. In Leo Szilards "Mined Cities" haben die verfeindeten Mächte gegenseitig ihre Großstädte unterminiert, jederzeit sprengbereit. Kubricks "Dr. Strangelove" feiert die Selbstauslöschung mit einem orgasmischen Ritt auf der Bombe. Auch hier tritt die egalitäre Idee als Movens der Selbstzerstörungslust auf: Vor dem Atomschlag sind alle gleich.

Der Tanz auf dem Vulkan weicht später der kühlen Vision des nuklearen Winters. In McCarthys "Die Straße" rückt die Katastrophenursache in den Hintergrund. Im Vordergrund steht das hypothetische Moment, die Ungewissheit über eine von Millionen möglichen Wendungen abhängige Zukunft. Die Klimaforschung ist das Paradebeispiel der hypothetischen Katastrophe: Ihre Simulationen arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten, Durchschnittswerten und Teilbildern. Am Beispiel von Tschernobyl demonstriert Horn in mustergültiger Akribie, wie viele Details zusammenkommen mussten, damit der Reaktor explodierte, und wie viel Unwissenheit es unter den Beteiligten darüber gab.

Im technisch Hochkomplexen wird die Fiktion zum Echolot verborgener Gefahr. Je unschärfer die Zukunft, desto größer die Erwartung an sie, den realen Kern der Bedrohung sichtbar zu machen, ein diffuses Grundgefühl der Angst zu lösen, wie es Don de Lillos "White Noise" (1985) exemplarisch formuliert. Im Buch verschwindet es nicht einmal nach der Katastrophe, einem Chemieunfall, weil das Wissen über die Folgen so spekulativ ist.

Besonders in den größeren Erdschlachten, wo extraterrestrische Killermaschinen oder ewiger Frost die Menschheit bedrohen, soll Fiktion die Wahrheit über den Menschen formulieren. Die Prioritäten im nackten Existenzkampf sind unterschiedlich gesetzt. Der Filmklassiker "Soylent Green" löst Ressourcenknappheit durch den industriell organisierten Verzehr von Menschenfleisch, Roland Emmerichs "2012" macht Weiterleben zum Vorrecht der Vermögenden. Über allem schwebt die Kleinfamilie als letzte Bastion des Menschengeschlechts. Nur wenige wagen den Ausbruch aus diesem Schema, wie Becketts "Endspiel", wo die Eltern in Mülltonnen hausen.

Horn navigiert leichthändig durch die Unheilsfluten, ohne an Tiefgang zu verlieren. Bisweilen übertreibt sie es etwas mit der Macht der Fiktion. Ihr Buch ist nicht frei von angestrengter Intellektualisierung, wo sie versucht, das fiktionale als das eigentliche, überlegene Katastrophenwissen auszugeben. Stimmt es denn wirklich, dass im Medienzeitalter keine Katastrophe mehr denkbar ist, die nicht vorher auf dem Bildschirm gelaufen ist? Realistisch bleibt sie aber bei der Einschätzung der Wirkungspotentiale. Das Publikum wird größtenteils den wohligen Schauer bevorzugen. Die Fiktion hat ihren Wert darin, die blinden Flecken der Gegenwart aufzuhellen. Eine Gebrauchsanweisung für die Apokalypse ist sie nicht.

THOMAS THIEL.

Eva Horn: "Zukunft als Katastrophe".

S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014. 480 S., geb., 24,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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virtuose Durcharbeitung der apokalyptischen Motivgeschichte der Moderne Matthias Eckoldt Deutschlandfunk (Büchermarkt) 20140925