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Dublin 1941: Bomben fallen und erinnern an den Krieg auf der anderen Seite des Meeres, Tod liegt in der Luft. Doch die von Armut umzingelte Insel hat einen merkwürdigen Gast: Erwin Schroedinger, der österreichische Physiker und Nobelpreisträger, hat hier vor den Nazis Zuflucht gefunden er, seine Frau, die Geliebte und die Tochter. Wissenschaft ist ihm ein Spiel, bei dem die Wirklichkeit der Einsatz ist ein Spiel mit scharfen Klingen. Doch so sehr er die entschiedene Schönheit mathematischer Gleichungen bewundert, sein Seelenleben kennt keine Klarheit die Vergangenheit sucht ihn heim und die…mehr

Produktbeschreibung
Dublin 1941: Bomben fallen und erinnern an den Krieg auf der anderen Seite des Meeres, Tod liegt in der Luft. Doch die von Armut umzingelte Insel hat einen merkwürdigen Gast: Erwin Schroedinger, der österreichische Physiker und Nobelpreisträger, hat hier vor den Nazis Zuflucht gefunden er, seine Frau, die Geliebte und die Tochter. Wissenschaft ist ihm ein Spiel, bei dem die Wirklichkeit der Einsatz ist ein Spiel mit scharfen Klingen. Doch so sehr er die entschiedene Schönheit mathematischer Gleichungen bewundert, sein Seelenleben kennt keine Klarheit die Vergangenheit sucht ihn heim und die Gegenwart hält ihn im Bann.An den Wegkreuzung von Politik und Wissenschaft, von Erinnerung und Leidenschaft erspürt Neil Belton die existenzielle Heimatlosigkeit Erwin Schroedingers: »Wahrhaft brillant. Wir mussten lange warten, bis jemand so anschaulich und schön über Wissenschaft schreibt.« Colum McCann
Autorenporträt
Bernhard Robben, geboren 1955, war nach dem Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie als Deutschlehrer in Nordirland tätig. Seit 1986 arbeitet der Spezialist für irische und angelsächsische Literatur als freier Übersetzer und Journalist. Nebenbei ist er ehrenamtlicher Bürgermeister von Brunne, wo er seit 1992 mit seiner Familie lebt. 2003 wurde er für die Übersetzung des Romans "Abbitte" von Ian McEwan und für sein Lebenswerk mit dem Übersetzerpreis der Stiftung Kunst und Kultur des Landes NRW ausgezeichnet. 2013 wurde Bernhard Robben mit dem "Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis" für sein literarisches Lebenswerk auf dem Gebiet der Übersetzung aus dem Englischen gewürdigt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.09.2007

Die Unschärfe und das Messer
Erwin Schrödinger in Irland: Neil Beltons Roman „Ein Spiel mit geschliffenen Klingen”
Im Jahr 1941 nimmt das Leben von Erwin Schrödinger erneut eine Wende, merkwürdiger als die vorangegangenen und politisch kaum weniger brisant. In Graz hat der österreichische Physiker ein Bekenntnis zu Hitler verfasst, nachdem ihn der Rektor der Universität unter Druck gesetzt hatte. Nun emigriert er in eines der wenigen noch demokratischen Länder Europas, nach Irland, auf Wunsch des Staatsoberhaupts mit dem spanischen Namen de Valera, der einmal Mathematiker gewesen ist und in dem kleinen, armen Land die Ziele seiner Politik ausgerechnet durch eine Blüte des Geisteslebens erreichen will.
So bietet die Lebensgeschichte Schrödingers dem in Irland geborenen und heute in London lebenden Neil Belton den vielleicht zentralen Widerspruch an, von dem sein Roman über Schrödingers erstes Jahr in Irland lebt. So verrückt, wie sich Valeras platonisch anmutendes Vertrauen in Wissen und Wissenschaft ausnimmt, so heikel erscheinen Schrödinger selbst die Gedankengebäude, die er und seine Kollegen in politisch bewegten Zeiten gegeneinander in Position bringen. Weltgebäude sind es, welche die Physik in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts entwirft, in ihrer Wirkung auf die populäre Phantasie heute allenfalls vergleichbar mit den Visionen, zu denen die Gentechnik Anlass gegeben hat. Doch zweifelhaft und ungenügend erscheinen diese Weltgebäude selbst ihren Erfindern, wenn die Politik ins Spiel kommt – sei es wie in Schrödingers Fall als Zwang, auf der Flucht vor politischer Vereinnahmung ein nomadisches Dasein zu führen, sei es als Möglichkeit, sich ohne Gewissensbisse einer momentan dominanten Ideologie anzuschließen, wie es im Roman die Unschärferelation ihrem Erfinder Heisenberg scheinbar erlaubt.
Heisenberg fasst die eigene Theorie als Metapher und Freibrief für politischen Relativismus, während Schrödinger die Welt zwar gern als Harmonie von Wellen sehen würde, jedoch standhaft genug ist, um seinen physikalischen Erkenntnissen keine metaphorische Qualität beizumessen. Zu heuchlerisch wäre das im Fall eines Mannes, der mit zwei Frauen, seiner Gattin und seiner Geliebten, nach Dublin zieht und den es bald zu einer dritten treibt, die er am Ende enttäuschen wird.
Dieser Mensch verursacht viel Leid. Heroisch ist Schrödinger nur insofern, als er die Widersprüche zwischen Gedanke und Leben zugibt, aushält und weder dem Denken noch dem Leben recht gibt.
Das Gedankenexperiment mit der Katze will er nicht so verstanden wissen, dass das Tier gleichzeitig lebt und tot ist, sondern als Widerspruch: „Der Zustand zu leben und jener, tot zu sein, die beiden unterscheiden sich voneinander, ob wir das Tier nun beobachten oder nicht. Reale Dinge sind, wie sie sind, unabhängig von unserem Bewusstsein. Allerdings ist diese Auffassung nicht mehr sonderlich populär.” Bis zu seinem Tod verwandte der historische Erwin Schrödinger seine Energie darauf, philosophische Einwände gegen die herrschende Auslegung jener Theorie zu formulieren, an deren Ausarbeitung er maßgeblich beteiligt gewesen war.
Das Ende des Zögerns
Wichtig für den Roman ist Schrödingers Bekenntnis zur Entscheidung und gegen die Unschärfe, weil sein Bewusstsein und sein Gefühlsleben in der Tat diffus und chaotisch sind. Der Leser folgt Schrödingers mäandernden Reflexionen, die ihm in ihrer Abstraktheit unscharf erscheinen müssen, und versucht seine sperrigen Vergleiche zu übersetzen: „Seine Stimme war wie ein Tenorinstrument, das regionale Akzente mit dem Selbstbewusstsein einer Definition übertönte”, lässt Belton Schrödinger denken.
Nirgends im Roman wird Schrödingers abwehrende Haltung auch gegen die eigene Unschärfe und Unentschiedenheit so plausibel wie in der Erfahrung, dass Politik Entscheidungen fordert, manchmal nur deshalb, damit entschieden wird. In Schrödingers Irland werden die Messer gewetzt: Ein deutscher Spion ist auf ihn angesetzt, der ihn, vom Autor packend geschildert, als Schuhverkäufer angeht und sich im Lauf eines Verkaufsgesprächs als eingefleischter Nazi entpuppt. Der eher zögerliche Schrödinger erlebt auf einmal einen Entscheidungsdruck, den im Privaten seine sich addierenden Frauen nie haben entstehen lassen, obwohl genug gestritten wird.
Der Konflikt allein wäre Anlass gewesen, den Physiker zum Helden eines Romans zu machen, ein weiterer Reiz liegt darin, dass Belton Schrödinger mit Mitteln darstellt, die kaum mit ihm in Verbindung gebracht werden, ihm aber zur Verfügung standen. Wenn sich Schrödinger im Roman mehrmals als Künstler bezeichnet, wird das dem vielseitigen Mann, dessen philosophische Werke unverdient im Schatten einer Katze und der durch sie veranschaulichten Quantenphysik stehen, durchaus gerecht.
Man erhält durch Schrödingers Augen viele Einblicke in das Irland seiner Exiljahre, auch wenn der Autor seiner Figur den entschieden melancholischen Blick vielleicht etwas untergeschoben hat. Einen ausgewanderten Iren wie Belton über Irland reden zu hören, bedeutet auch hier, eine Klage über Menschen ohne Hoffnung, Stillstand und Armut zu hören. So ist „Ein Spiel mit geschliffenen Klingen” nicht nur eine virtuose Verbindung von Ideenroman, Liebesgeschichte und historischer Fiktion, sondern auch eines jener Bücher, die daran erinnern, welch prominenten Platz Irland im Atlas der Literatur einnimmt, und als wie wenig lebenswert es in eben dieser Literatur erscheint. KAI WIEGANDT
NEIL BELTON: Ein Spiel mit geschliffenen Klingen. Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Bernhard Robben. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 457 Seiten, 21,90 Euro.
April 1949: Auf der O‘Connell Bridge in Dublin wird die Unanbhängigkeit der Republik Irland gefeiert Foto: Getty Images
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Kai Wiegandt hat das Buch um den angesichts der politischen Lage um 1940 an seiner Arbeit zweifelnden Physiker Erwin Schrödinger als Ideenroman, Lovestory und historische Fiktion zugleich gelesen. Konfliktreich und packend erzählt findet er das. Außerdem gefällt ihm, wie der Autor sich und dem Text die Vielfalt der Person zunutze macht und Schrödinger quasi als Künstler auftreten lässt. Einblicke in das Irland von Schrödingers Exiljahren nimmt der Rezensent gerne mit, wenn sie ihm auch arg melancholisch vorkommen.

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