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Wer stürzte lange vor Kopernikus das heliozentrische Weltbild? Ibn al-Shatir. Wer beschrieb als Erster den Blutkreislauf? Ibn al-Nafees. Wer war vor Leonardo das erste Universalgenie? Abu Rayan al-Biruni.
Im 9. Jahrhundert gründete der Kalif von Bagdad das legendäre "Haus der Weisheit", das fortan zum Weltzentrum der Gelehrsamkeit wurde. Hier wurden die großen Werke der Antike - Galen, Hippokrates, Platon, Aristoteles und Archimedes - vor dem Vergessen bewahrt, grundlegende Erkenntnisse der Astronomie, Mathematik, Medizin und Zoologie gewonnen.
Der bekannte britisch-irakische
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Produktbeschreibung
Wer stürzte lange vor Kopernikus das heliozentrische Weltbild? Ibn al-Shatir. Wer beschrieb als Erster den Blutkreislauf? Ibn al-Nafees. Wer war vor Leonardo das erste Universalgenie? Abu Rayan al-Biruni.

Im 9. Jahrhundert gründete der Kalif von Bagdad das legendäre "Haus der Weisheit", das fortan zum Weltzentrum der Gelehrsamkeit wurde. Hier wurden die großen Werke der Antike - Galen, Hippokrates, Platon, Aristoteles und Archimedes - vor dem Vergessen bewahrt, grundlegende Erkenntnisse der Astronomie, Mathematik, Medizin und Zoologie gewonnen.

Der bekannte britisch-irakische Wissenschaftshistoriker Jim al-Kahlili erzählt die faszinierenden Geschichten dieser Pioniere der Wissenschaften und vom einzigartigen Goldenen Zeitalter arabischer Gelehrsamkeit, ohne die unsere abendländische Kultur so nicht existieren würde.
Autorenporträt
Jim Al-Khalili, geb. 1962 in Bagdad, ist britischer Professor für theoretische Atomphysik an der Universität von Surrey, wo er auch einen Lehrstuhl für Public Engagement in Science innehat. Außerdem ist er Autor zahlreicher Bücher und BBC Sendungen zur Wissenschaftsgeschichte. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Michael Faraday Prize für Wissenschaftspublizistik der Royal Society.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.07.2011

Von Allah zu Kopernikus
Arabische Wissenschaften – Der Physiker Jim al-Khalili räumt mit positiven und negativen Mythen gleichermaßen auf
Ob sich noch jemand an das 1960 erschienene, oft nachgedruckte Buch „Allahs Sonne über dem Abendland“ von Sigrid Hunke (1914-1999) erinnert? Das war ein spritziger, freilich die Grenzen historischer Genauigkeit stark überdehnender Essay, der die Europäer daran erinnerte, dass der Westen dem Orient entscheidende wissenschaftliche und geistige Impulse verdankt – weit mehr, als man im Allgemeinen zuzuerkennen bereit war. Sigrid Hunkes Nazi-Vergangenheit und ihre Verbindungen zur neopaganen Rechten haben es dringend nötig gemacht, dass S. Fischer, auch Hunkes Verlag, aus der Feder eines ideologisch unverdächtigen Autors ein solideres Werk zur Thematik vorlegt.
Jenseits der polemischen Frage, ob der Islam zu Europa gehört, haben diejenigen, die an der Sache selbst interessiert sind, mit dem Buch des irakischstämmigen britischen Physikers Jim al-Khalili eine profunde, eingängig geschriebene Einführung zu den Leistungen der arabischen Wissenschaftler des Mittelalters an der Hand. „Arabische“ Wissenschaft heißt hier: Wissenschaftliche Texte, die in Arabisch, der lingua franca des muslimischen Mittelalters, geschrieben worden sind, gleich welcher Religion oder Nationalität diese Forscher waren. Tatsächlich zählt die beeindruckende Liste von Namen bei al-Khalili Muslime ebenso wie Christen, Juden und Zoroastrier, Araber ebenso wie Perser und, vor allem in Andalusien, „Europäer“.
Was direkt für das Buch von al-Khalili einnimmt und es weit über die gängigen Islamdebatten erhebt, ist der nüchterne Zugang zur Materie. Er räumt mit positiven wie mit negativen Mythen gleichermaßen auf, weil es ihm stets um die tatsächlichen Errungenschaften, nicht apologetisch um den bloßen Ruf der arabischen Wissenschaften geht. Verdanken wir den Arabern, deren aus Indien stammende Zahlen wir übernommen haben, das Dezimalsystem? Nur zum Teil. Die entscheidende Frage lautet, wer die Null, also einen leeren Platzhalter in der Dezimalstelle, zum ersten Mal eingeführt hat. Auch die Araber taten dies noch nicht. Aber sie taten einen entscheidenden Schritt dahin, indem sie zum ersten Mal Dezimalbrüche mit einem Dezimalkomma einführten.
Das Buch, das zahlreiche Abbildungen und erläuternde Diagramme enthält, bildet das Originalmanuskript mit dem ersten nachweisbaren Dezimalbruch ab – tatsächlich sieht die Markierung aus wie das heute noch bei uns gebräuchliche Komma. Überhaupt liegen einige der wegweisenden Errungenschaften der Araber auf dem weiteren Gebiet der Mathematik. Al-Khwarizmi (780-850) lautet der Name des vermutlich größten arabischen Mathematikers, ein Kronzeuge al-Khalilis. Einer kräftigen Verballhornung seines Namens verdankt sich unser Wort „Algorithmus“.
Al-Khwarizmi ist unter anderem der Erfinder der Algebra, ein Begriff, der wiederum vom arabischen Wort „al-jebr“ abstammt, was ursprünglich das Einrenken der Knochen meinte. Diese Entlehnung aus der medizinischen Terminologie ist ebenfalls kein Zufall, galten die Araber den Europäern doch in allen medizinischen Belangen bis weit in die Neuzeit als überlegen. Ihre ins Lateinische übersetzten Kompendien waren Standardwerke an allen europäischen Universitäten.
Entscheidendes verdanken wir den Arabern ferner in Geometrie, Astronomie (wovon die zahlreichen aus dem Arabischen stammenden Sternnamen zeugen) und Erdkunde. Dass die Erde eine Kugel war, ist den Arabern – wie im übrigen den meisten Griechen – immer schon klar gewesen. Aber es gelang ihnen erstmals, den Erdumfang einigermaßen genau zu berechnen. Die exakteste Angabe lieferte schließlich al-Biruni (973-1048). Al-Khalili verrät uns, wie al-Biruni das geschafft hat und fordert zum Überprüfen auf, indem er das Verfahren in Form einer Rechenaufgabe nachzeichnet. An solchen Beispielen wird evident, dass die Araber weit mehr leisteten, als nur die griechischen Errungenschaften weiterzugeben.
Die Begeisterung für sein Thema merkt man dem Autor an; zu Übertreibungen führt es ihn nicht. Verdanken wir die kopernikanische Wende wirklich Kopernikus? Die Theorie, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht, wie früher allgemein angenommen, umgekehrt, kursierte bereits bei den Griechen, galt jedoch als abwegig und nicht beweisbar. Auch bei den Arabern setzte sie sich nicht durch. Ihre astronomischen Kenntnisse führten jedoch zur Erklärung von Phänomenen, die für die Theorie des Kopernikus die entscheidende Grundlage legten. Wissenschaft, so schließt al-Khalili, vollzieht sich, anders als wir Laien es uns gern vorstellen, nie in urplötzlichen Erkenntnissen bestimmter Genies, sondern ist ein sich aufbauender Prozess, an dem viele über lange Zeit beteiligt sind, selbst wenn am Ende einzelne Gestalten den Ruhm einheimsen.
Vor diesem Hintergrund scheinen die arabischen Forscher, obwohl sie im Westen weniger bekannt sind, keineswegs unbedeutender als die Lichtgestalten der europäischen Wissenschaftsgeschichte. Sie haben jedoch eine schlechtere Lobby oder traten schlicht zu früh auf den Plan, in einer Zeit, als sich das streng wissenschaftliche Weltbild noch nicht in wichtigen Kreisen der Gesellschaft durchgesetzt hatte und für Furore sorgen konnte.
Das Buch ist flüssig zu lesen und lädt zum Mitdenken ein, ohne zu überfordern. Warum der wissenschaftliche Forschergeist in der islamischen Welt seit der Renaissance versiegte und sich die Erkenntnisproduktion nach Europa verlagerte, kann freilich auch al-Khalili nicht annähernd klären. Der gegenüber vielen Strömungen offene Wahrheitsbegriff des klassischen Islams (synkretistischen Religionen nicht unähnlich), so scheint es, ermöglichte die Freiheit und Finanzierung auch (nicht-religiöser) wissenschaftlicher Forschung. Aber es brauchte eine auf die eine und einzige Wahrheit sich konzentrierende weltanschauliche Blickverengung wie unter den europäischen Eliten der Neuzeit, um die naturwissenschaftliche Erkenntnislawine auszulösen, die uns alle bis heute in ihrem Bann hält. STEFAN WEIDNER
JIM AL-KHALILI: Im Haus der Weisheit. Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur. Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. S. Fischer Verlag, Frankfurt 2011. 432 Seiten, 22,95 Euro.
Die arabischen Forscher waren
keineswegs unbedeutender als
die europäischen Lichtgestalten
Bitte umdrehen! Al-Idrisis Weltkarte aus dem 12. Jahrhundert zeigt den Norden unten. Abb. aus dem besprochenen Buch
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.07.2011

Im islamischen Haus der Weisheit verknüpften sich viele Traditionen
Mit Sinn für Empirie und neue Erklärungsweisen: Jim al-Khalili hat eine überzeugende Darstellung des goldenen Zeitalters der arabischen Wissenschaften vorgelegt

Die wichtige Rolle der arabischen Wissenschaften ist nicht mehr so unbekannt, wie es manchem noch immer scheinen mag, aber selten ist sie so flüssig lesbar und auf beste Weise populärwissenschaftlich dargestellt worden wie in diesem Buch. Sein Autor, Jim al-Khalili, ist zwar im Irak geboren, wurde aber in Großbritannien wissenschaftlich ausgebildet. Der Nachfahre einer schiitischen Familie, deren Wurzeln auch nach Iran reichen, lehrt theoretische Atomphysik an der Universität von Surrey und ist als Publizist mit wissenschaftsgeschichtlichen Arbeiten hervorgetreten.

Den Titel seines Buches "Pathfinders. The Golden Age of Arabic Science" hat der deutsche Verlag in "Im Haus der Weisheit. Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur" verändert. Das spielt auf jenes "Bait al Hikma" an, das unter dem Kalifen al Mamun - einem der Söhne des märchenumwobenen Harun al Raschid - in frühabbasidischer Zeit eingerichtet wurde und sich zu einer der wichtigsten Denkfabriken der arabisch-muslimischen Welt entwickelte. Das Bait al Hikma setzte eine Explosion des Forschens und Wissens in Gang, von der der Islam noch Jahrhunderte lang zehrte. Gotthard Strohmaier, Manfred Ullmann und andere haben diesen interessanten geistesgeschichtlichen Komplex immer wieder einmal dargestellt, der zur Staunen erregenden Hochblüte des Islams in seiner klassischen Epoche führte. Der junge Islam machte sich damals unbefangen und ohne Vorurteile - die freilich in Gestalt religionsgelehrter Borniertheit alsbald einsetzten - jenes Wissen zunutze, das aus der Antike, von Griechen und Persern zumal, überkommen war und von jenen Völkern gepflegt wurde, die er gerade unterworfen hatte.

Die Kalifen ließen im Haus der Weisheit durch syrische Gelehrte, die meistens Christen waren, die Schriften von Euklid, Ptolemäus, Galen, Hippokrates, Aristoteles, Platon - um nur die wichtigsten zu nennen - übertragen, zunächst aus dem Griechischen ins Syrische, dann ins Arabische. Ein Teil der Werke wurde sogar mehrfach in die Sprache der koranischen Offenbarung übersetzt. Bis heute sind die Namen einiger Übersetzer, die zum Teil selbst Wissenschaftler waren, legendär: Hunain Ibn Ishaq, sein Sohn Ishaq Ibn Hunain, Thabit Ibn Qurra - ein Gelehrter, welcher der rätselhaften Religionsgemeinschaft der Sabier von Harran angehörte -, Qusta Ibn Luqa aus Baalbek oder Abu Bischr Matta, der christliche Lehrer des großen Philosophen al Farabi.

Bleibende Resultate dieses islamischen "Brainstorming" waren - um es ein wenig pauschal auszudrücken - die Herausbildung der rationalistischen mutazilitischen Theologie, die vom Kalifen bevorzugt wurde, die Entstehung der hellenisierenden Philosophie in islamischem Gewande und in arabischer Sprache sowie die "arabische Wissenschaft", an der Perser und andere mitwirkten. In al-Khalilis Buch liegt der Schwerpunkt auf Letzterer, obwohl immer wieder Querverweise auf die beiden anderen Gebiete angebracht werden. Voraussetzung für diese Blüte war die prosperierende städtische Kultur des islamischen Weltreiches, dessen Zentrum das erst ein halbes Jahrhundert zuvor gegründete Bagdad war. Als das Bait al Hikma wirkte, hatte die Metropole am Tigris nach Schätzungen etwa eine Million Einwohner.

Bedürfnisse des Alltags, religiöse Notwendigkeiten (Festlegung der Gebetszeiten, der Beginn des Ramadan, die Lage Mekkas, die Pilgerfahrt), aber auch Mäzenatentum und wissenschaftliche Neugier führten unter al Mamun zu regelrechten Forschungsprojekten, die den Vergleich mit heutiger Großforschung nicht zu scheuen brauchen. Allein unter dem Gründer-Kalifen entstanden zwei Observatorien, zog doch die Himmelskunde die Muslime besonders an. Die arabischen Astronomen überprüften die Erkenntnisse eines Ptolemäus, Eratosthenes oder Aristoteles empirisch, was ein neuer Ansatz war. Die arabische Wissenschaft war weitaus stärker auf Erfahrung und Experimente ausgerichtet als die eher abstrakte griechische, die von der pythagoreischen Mathematik her kam. In der Medizin lernte man nicht nur von Galen und anderen antiken Ärzten, sondern auch von den Persern, in der Mathematik von den Indern. Der Philosoph Ibn Sina (Avicenna) wurde auch der Galen des Islams.

Khalili zeigt glaubhaft, dass die Hochblüte der "arabischen Wissenschaft" - neben der griechischen Antike und der europäischen Renaissance (Kopernikus, Kepler, Galilei) - eine dritte, mit diesen gleichberechtigte Epoche wissenschaftlichen Fortschritts gewesen ist. Die Muslime haben das antike Wissen nicht nur, wie man gelegentlich noch immer hört, bewahrt und an Europa weitergegeben, sie waren wissenschaftlich innovativ. Der Autor zeigt dies ausführlich an einigen Universalgelehrten, die er besonders herausstellt: an dem Mathematiker Al Chwarizmi, dem Allround-Genie Abu Raihan al Biruni - den man, die Malerei ausgeschlossen, ansonsten durchaus mit Leonardo da Vinci vergleichen kann -, dem Physiker Ibn al Haytham (lateinisch Alhazen), der getrost einem Christian Huygens an die Seite gestellt werden kann, oder dem "Chemiker" Jabir Ibn Hayyan, den das lateinische Mittelalter unter dem Namen Geber leider eher als einen Alchemisten ansah. Al Khalilis These wirkt umso glaubhafter, als er auch manche Übertreibung richtigstellt, die auch von muslimischer Seite vorgebracht worden ist: Nicht alles haben die Araber entdeckt oder erfunden.

Warum die "arabische Wissenschaft" danach verfiel, vermag auch Jim al-Khalili nicht zu erklären. Es gibt bis heute keine wirklich befriedigende Theorie dafür. Der bekennende Atheist macht freilich nicht primär den Islam dafür verantwortlich, denn der hatte ja in dieser Epoche gerade auch das Gegenteil gezeigt. In einem Anhang finden sich die Kurzbiographien jener Gelehrten und Philosophen, die einst zu dieser erstaunlichen Blüte beigetragen haben. Es ist eine beeindruckende Kette von Gestalten.

WOLFGANG GÜNTER LERCH.

Jim al-Khalili: "Im Haus der Weisheit". Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur.

S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2011. 442 S., Abb., 22,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Stefan Weidner schätzt Jim al-Khalilis Buch "Im Haus der Weisheit" als gelungene Einführung in die arabischen Wissenschaften des Mittelalters. Angesichts all der Islamdebatten findet er den nüchternen, unpolemischen Zugang des irakischstämmischen britischen Physikers zur Materie sehr erfreulich. Im Mittelpunkt sieht er hier nämlich die tatsächlichen Errungenschaften arabischer Wissenschaftler und nicht deren Apologie. So räume der Autor mit "positiven wie negativen Mythen" gleichermaßen auf. Warum der Forschergeist der arabischen Welt in der Renaissance allerdings versiegte, kann für ihn auch al-Khalili nicht wirklich erklären. Nichtsdestoweniger lobt Weidner die überaus kenntnisreiche und gut lesbare Darstellung der Leistungen der arabischen Wissenschaften vor allem auf den Gebieten der Algebra, Geometrie und Astronomie.

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