Produktdetails
  • Verlag: hep verlag
  • ISBN-13: 9783039056880
  • ISBN-10: 3039056883
  • Artikelnr.: 33712779
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.07.2011

Bitte bessere Banken
Noch ein Buch über die Finanzkrise - und ein sehr gutes dazu

Am 9. August 2007 begannen die großen Banken der Welt beinahe ruckartig, sich zu misstrauen. Die Bereitschaft, gegenseitig Geld auch nur für sehr kurze Zeit zu leihen, sank spürbar. Heute, also beinahe vier Jahre später, wird dieses Datum genannt, wenn danach gefragt wird, wann die jüngste Finanzkrise ausbrach. Viel ist seitdem geschehen: Finanzkonzerne gingen bankrott, Milliarden Dollar, Euro, Yen, Yuan und Franken wurden mobilisiert, um die Weltwirtschaft und das Finanzsystem zu stützen. Den Überblick über all die vielen Ereignisse zu behalten fällt schwer - zumal für diejenigen, die sich nicht hauptberuflich damit beschäftigen.

Der Schweizer Wirtschaftswissenschaftler Aymo Brunetti schafft gerade ihnen Abhilfe. Sein neues Buch "Wirtschaftskrise ohne Ende?" empfiehlt sich gleich aus drei Gründen: Es ist verständlich und unaufgeregt geschrieben, klar und anschaulich strukturiert und endet inklusive Literaturverzeichnis, Mini-Finanzlexikon und Stichwortregister auf Seite 176 - auch Menschen mit wenig Zeit ist das durchaus zumutbar.

Bevor Brunetti beginnt, den eigentlichen Krisenhergang zu erklären, stattet er seine Leser noch mit einem Grundkurs über die Funktion der "Hauptdarsteller" dieser Krise aus: der Banken. Anhand einiger stilisierter Bankenbilanzdiagramme wird eingängig, welcher Zusammenhang besteht zwischen Einlagen und Krediten, wieso Banken qua Aufgabe tendenziell höher verschuldet sind als Industrieunternehmen, warum Zahlungsfähigkeit ein so wichtiges Thema ist und wie das Wertpapiergeschäft (Eigenhandel) und die Finanzierung desselben verzahnt sind. "Diese Krise kann man nur verstehen, wenn man sich mit den Akteuren befasst, die sie letztlich ausgelöst haben: den Banken", betont Brunetti.

Die Vergabe fragwürdiger Hypothekenkredite an amerikanische Privathaushalte, die Verpackung derselben in windige Wertpapiere und der Kauf dieser Papiere auch durch (Landes-)Banken diesseits der Atlantiks gehören zum Kern der Krise. Brunetti lässt aber auch nicht außen vor, dass der starke Preisanstieg auf dem amerikanischen Immobilienmarkt, der Anlegern den Blick auf die Risiken darauf basierender Wertpapiere eintrübte, lange vor dem Jahr 2007 begann und von einer aus heutiger Sicht zu lange zu expansiven Geldpolitik und einem großen Zustrom an ausländischem Kapital in die Vereinigten Staaten unterstützt wurde. Als mehr und mehr Kreditnehmer ihre Hypothekenkredite nicht tilgen konnten, ihre Häuser auf den Markt kamen und die Hauspreise zu sanken begannen, wurden unzählige der konstruierten Wertpapiere wertlos. Dadurch gerieten viele Finanzinstitute in Schieflage, was schließlich zu einer Rezession in der gesamten westlichen Welt führte.

Interessant ist, wie Brunetti das Verhalten der Banken in Amerika und in Europa vergleicht und die Subprime-Krise in den Vereinigten Staaten mit der Schuldenkrise im Euroraum verbindet. Nach ihrem Beitritt zum Euro sanken die Zinsen, die Peripherieländer und zumal Griechenland zahlen mussten, um sich Geld zu leihen, beinahe auf deutsches Niveau. "Die Anleger gingen seit Beginn des neuen Jahrtausends davon aus, dass die Risiken dieser Länder-Anleihen genau gleich hoch seien wie die von deutschen Anleihen", schreibt Brunetti. Dadurch erhöhte sich das Wirtschaftswachstum in der Peripherie. Im Vergleich mit den Vereinigten Staaten sei in diesem Fall die Finanzpolitik zu expansiv geblieben. Die aus dem höheren Wachstum resultierenden höheren Steuereinnahmen wurden nicht genutzt, um Rücklagen zu bilden.

Weil es auch in der Schuldendebatte in Europa letztlich um die Stabilität der Finanzbranche geht, ist für Brunetti essentiell, Banken krisenfester zu machen. Entsprechende Vorschläge der Finanzaufsichten gehen in diese Richtung und stimmen verhalten optimistisch. Was die Folgen der bisherigen Krisenbewältigung angeht - eine deutlich gestiegene Staatsverschuldung in den Industrieländern und eine ultralockere Geldpolitik insbesondere in Amerika - bleibe indes viel zu tun. "Eine zweite Große Depression konnte zwar abgewendet werden, aber die Kosten der Krisenbekämpfung waren außerordentlich hoch." Wir können diese Krise nicht abhaken.

ALEXANDER ARMBRUSTER.

Aymo Brunetti: Wirtschaftskrise ohne Ende?

H.E.P. Verlag, Bern 2011, 176 Seiten, 22 Euro

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Erhellend findet Rezensent Alexander Armbruster dieses Buch über die Weltwirtschaftskrise des Schweizer Ökonomen Aymo Brunetti. Einen Überblick über die Ereignisse seit 2007 zu behalten, scheint ihm nicht leicht, gerade für Leser, die sich nicht hauptberuflich mit der Materie befassen. Zwar gibt es inzwischen eine Reihe von Büchern über die Finanzkrise, Brunettis "Wirtschaftskrise ohne Ende?" empfiehlt sich seines Erachtens aber aus mehreren Gründen. Neben der guten Verständlichkeit nennt er den klaren Aufbau und die Kürze des Buchs. Gelungen ist in Armbruster auch die der Erklärung des eigentlichen Krisenhergangs vorangestellten "Grundkurs" über die Funktion der Banken, den Hauptakteuren und Auslösern der Krise. Armbruster hat die Ausführungen des Autors jedenfalls mit Gewinn gelesen. Sein Fazit: ein "sehr gutes" Buch über die Finanzkrise.

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